2003, Küste Oregon (Niklaus)

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2003, Küste Oregon

Niklaus

Der Wind hatte an meiner Jacke gezerrt. Hätte sie mir beinahe entrissen. 

Doch mich hatten nur die Fotos in meinen Händen interessiert. 

Vergilbte Bilder, von vor viel zu langer Zeit. Ich hatte Stunde um Stunde darauf gestarrt. Meine Augen hatten sich in das Papier gefressen und fast hatte ich die Szenen vor meinem inneren Auge erkennen können, die, die Bilder nicht zeigten. 

Tausend schönste Tage meines Lebens. Tausend Tage, die in meinem Gedächtnis festgesessen hatten und mich immer daran errinnerten was ich durch meine Dummheit und Naivität verloren hatte.

Ich hatte mich nicht einen Zentimeter gerührt. 

Nur die eingefrorenen Momente gesehen, die sich angefangen hatten zu bewegen und immer weiter gelaufen waren, ewig immer dieselben Gestalten und Gesichter gezeigt hatten, und sich verändert hatten, bis ich nicht mehr sicher gewesen war, dass es nur meine Errinerung waren oder endlich das Zeichen. 

Doch die Bilder hatten letztendlich nur ein und dasselbe gezeigt. Zwei glückliche Menschen und mein Versagen, und das in vielen verschiedenen Variationen. 

Aber wie hatte ich nur daran denken können, so hatte ich genug gehofft. 

Ich hatte gewusst, dass es ihr weh tuhen würde, doch war ich am Ende gewesen. Und sie war tot. Immernoch so tot wie damals, vor mehr als 100 Jahren. 

In meinem Alter sollte man sich in Geduld geübt haben, doch das war nie mein Talent gewesen. Eher das Elijahs oder das Fynns. Nie das Meine.

Und in ihrem Alter sollte man nicht von seinem Geliebten in den Tod reiten lassen, hatte ich bitter gedacht.

Die stumme Witwe hatte gelogen, warum auch immer. Aus Hass mir gegenüber oder meinem Plan der übergeordneten Rasse der Meinen. Letztendlich war es egal gewesen.

Nach 140 Jahren warten, hatte ich nicht mehr gekonnt. 

Eingestehen, Aufhören, Anschalten, Weitermachen. 

Den Scheiß-Fluch meiner Mutter brechen, Hybriden erschaffen, mit der neu gewonnenen Kraft Mikael finden und töten. Familie erwecken, zusammen führen. Leben. 

So hatte mein Plan ausgesehen.

Alles hätte gut werden sollen. Schlussendlich. Katharina würde tot sein, nach 500 Jahren Verfolgungsjagd.

Oder eingesperrt, falls Elijah dafür bürgen würde.

Eine kräftige Böe hatte mich aus meinen Gedanken gerissen und auch die Bilder in meiner gelockerten Umklammerung. Mein Blick hatte sich geklärt. 

Die Bilder waren vom Wind fortgetragen worden. 

Fort, aus meinem Blickfeld. 

Und ich hatte mich ertappt wie ich ihnen hinterhergestarrt hatte, als sie zwischen den Klippen verschwunden waren, wie ich kurz davor gewesen war hinterher zu hechten. 

Doch letztenendes hatte ich ihnen nur mit den Augen gefolgt, ihnen nur nach gesehen, den Momenten meines Daseins, in welchen ich gelebt hatte. 

Und ich hatte eine sängende Leere gefühlt, ähnlich, wenn ich den letzten kläglichen Rest meiner Menschlichkeit endgültig abschaltete. 

Doch dieses Mal beruhigte mich das Nichts in mir nicht. 

Denn alles war noch da, alles gleißend von der späten Abendsonne und der Wind auf meienr Haut und das hohe Dünengras an meinen Beinen. Alles war nach wie vor gewesen, ein nahender Sonnenuntergang am Rande der Klippen mit ednlosem Blick aufs Meer.

Es schien als habe Julipa mein Leben auch diesmal ein Stück mehr mitgenommen. Als hätte mir der Wind den Rest des Lebens, der nach ihrem Tod übrig geblieben war gestolen, mir entrissen, wie die letzten Bilder, die mich daran errinerten, dass ich noch da war und sie existiert hatte. Das WIR existiert hatten. Vor so langer Ewigkeit, für viel zu kurze Zeit.

Meine Suche ist vorbei.

Man musste loslassen, wenn man den Schmerz sonst sein Leben lang mit sich tragen würde. Und da ich angestrebt hatte dieses auf die Ewigkeit zu verkürzen, hatte ich praktisch keinen andere Wahl gehabt. Auch wenn es wehgetan hatte mein Versprechen zu brechen, hatte es sein müssen. 

Ich hatte mich gezwungen, mich abzuwenden. Hatte dem Meer, den endlosen Weiten und den Fotos den Rücken zugekehrt. Und Ihr mit ihnen. 

Verloren waren die Fotos und wie sie auch Julipa und ich würde das auch sein, wenn ich es nicht aufgab in jedem Ort in den ich kam, nach dem blonen Mädchen Ausschau zu halten, dass ich nie zu sehen bekommen hatte würden. 

Meine Augen hatten sich geschlossen. Wie von selbst. Und meine Tränen hatten auf meiner Haut gebrannt, wie das Salz des Meeres in den Augen der zwei Kinder die am Strand gespielt hatten. 

Wie die Sonne einst auf meiner Haut gebrannt hatte, vor nun nahezu Jahrhunderten.

Dann hatte ich es eingedämmt, es heruntergeschluckt. Eingesperrt. Ausgeschaltet.

Und als ich die Augen wieder geöffnet hatte war es, als wäre der Tag dunkler geworden, dennoch blasser als zuvor.

Ich war fortgelaufen, wie damals geflohen. Doch nun nicht vor Mikael, oder wie Katharina auf der Flucht vor ihm. Nicht wie die ängstliche Maus vor der hunrigen Katz.

Ich hatte in diesem Moment erfahren, wie es sich anfühlte wenn man vor sich selbst geflüchtet war. Und sich mein Verfolger nicht abschütteln gelassen hatte, bis ich ihn tötete. 

Ich war vor meinen eigenen Errinerungen und von ein paar verdammten Stücken Papier geflohen. Und ich war vor dem endlosen Horizont geflohen, und dem meinem, ebenfalls so endlosem Dasein.

Doch all diese Gedanken waren immer mehr verblasst. Mit jedem  Schritt, den Abhang hinunter. 

Ich war geflohen, ja, seit Anbeginn meines Lebens. Bereits als Mensch immer auf der Flucht vor den Schlägen Mikaels, seit meinem neuen Leben ebenfalls vor meinem totbringenden Vater höchstpersöhnlich.

So war es seit tausend Jahren gewesen, nur mit einem kleinen Abstecher ins Glück. In den Himmel. Um dann ohne einen Aufschub wieder zurück gestoßen zu werden in die gnadenlose Finsterniss der Hölle. 

Doch, wenn man seine Toleranzgrenze etwas nach unten zog, sah man die Hölle in Hülle und Fülle. Und ich hatte mir vielleicht keinen Himmel erschaffen, so jedoch einen haufen voller Pläne die auf die Rückkehr meiner Familie zugeführt hatten.

Die Klippe war hinter mir zurück geblieben. Und die Fotos hatten ihren Weg genommen, als die kleine Kinderhand des blondhaarigen Mädchens sie aus dem Sand gefischt hatte. 

Wäre ich ihnen doch nur gefolgt.

Falling for Humans (Vampire Diaries FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt