Niemand

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Bree

Der schwarze Volvo XC60 rollte beinahe lautlos neben ihnen auf den Bürgersteig. Jake fiel fast das Eis aus der Hand als er voller Staunen das Auto so nah neben sich erblickte. Das getönte Fenster surrte herunter. Bree stockte der Atem. Zur gleichen Zeit begann Julipa zu rennen. Das Fenster war unten, als Julipa die Tür aufstieß und endlich sein Gesicht aus den Schatten trat.

Die Autotür schwang einen Spalt breit auf. Der Himmel verdunkelte sich merklich. Es war zwar bereits früher Abend, jedoch kündigte die Regenwolke lediglich ein weiteres Gewitter an. 

Julipa zog Nick herein.

»Sieht schlecht aus, mhm?«

Aus dem Augenwinkel sah sie Jake beinahe an dem Gefährt kleben.  

»Es wird regnen. Käme doch ein Ritter in schwarzem Volvo...«

Eine reine Feststellung.

Sie kam sich vor wie in Twilight. Sie hatte es in Seattle gelesen. Sie konnte sich gut vorstellen, dass manche Mädchen sich nichts sehnlicher wünschten als diesen Retter. Am besten auch noch einen Vampir. Alles Bullshit. 

Julipa, sie würde bei dem Roman sicher ebenfalls nicht dahin schmelzen. In ihrer Zeit glaubte zwar  jeder an diese Ungeheuer der Nacht, doch lebten in Furcht vor ihnen.

»Komm schon Bree!« kam es sowohl von Jake, als auch von dem Fahrer als sie sich weigerte in das Auto zu steigen.

Jake krabbelte unterdessen in den Kofferraum, den der Mann bereits geöffnet hatte. Neben einer schwarzen Tasche lag nun auch die rote ihres kleinen Profispielers dort.

Jake krabbelte aus dem Kofferraum nach vorne auf den Rücksitz und nutzte die schwarze Tasche als Stufe.

Beinahe lächelte Julipa als er ihr die Haare aus dem Gesicht strich. Seine Hand verweilte in ihrem Nacken wo sich ihre Härchen aufstellten. Die Hand war kalt wie Eis.

Das Kein-Respekt-vor-Material konnte sie Nik aus dem Gesicht ablesen.

Bree Biss sich auf die Lippe. Julipa und Nik verblassten langsam. Die beiden konnte sie gerade wirklich nicht gebrauchen.

Jetzt war sie dran. Bree. Endlich einmal Bree.

Doch sie nahm ihren Bruder an die Hand. Nahm ihn an die Hand und zog ihn mit sanfter Gewalt aus dem Wagen.

Nik konnte nicht hier sein. Wie könnte er? Er war ein Mensch, wie sie auch und müsste seit 200 Jahren mausetot sein. Genau wie Julipa. Genau wie all die anderen. Mein Gott! Sie spürte seine Hand doch geradezu! Die Hand die aussah wie immer, und die nun auf der Wagentür lehnte. Zum erneuten mal erwog sie die Wahrscheinlichkeit eines Traumes. 

War sie wohlmöglich noch in Seattle?

Wie sollte es sonst sein?

Sie sah ihre Beine auf dem Kopfsteinpflaster zittern. 

Doch angenommen es war ein Traum? War es dann nicht der grausam Realste und Schönste den sie jemals gehabt hatte?

»Warum lässt du ihn uns nicht ein Stück mitnehmen, Bree?«, quängelte Jake. »Sieh doch mal nach oben! Bevor wir an der Bahn ankommen sind wir klitschnass!«

Auf der anderen Seite des Autos grinste der blonde Mann.

»Komm schon, Bree.« Diesmal er alleine.

Komm schon, Bree. Scheiß auf Julipa. Sie knickte ein und nahm seufzend auf dem Beifahrersitz Platz. Julipa schickte sie mithilfe ihrer Nägel im Handballen in die kalte Hölle Frankreichs. Dort wo sie und Nick wahrhaftig hingehörten.

Es begann zu regnen, als sie an der Kreuzung standen. Das Wasser prasselte aus dem Himmel als gäbe es keinen Morgen mehr, aber den Fahrer schien das nicht im geringsten zu stören.

»Nächste rechts, dann direkt links. Da ist die Haltestelle.« Ihre Stimme war kühl und ihr Blick wich nicht von der Straße.

Man sollte den Traum ja nicht überstrapazieren. Irgendwas an ihm fand Bree unheimlich. Wie konnte ihr Gehirn ihr nur soetwas vorspielen. So detailgetreu und – sollten Träume nicht unrealistisch sein? 

Bree seufzte und sah aus dem Fenster. Das Gefährt jagte über den Asphalt ohne wirklich ein Geräusch zu machen. In Marises klapprigen Pick-Up hätte das anders ausgesehen, da er die Schlaglöcher vor sich selbst in den Boden zu graben schien und dabei steinerweichend stinkende Abgaswoken produzierte.

Die Konversation lief an ihr vorbei, ihr plappernder Bruder schien sehr angetan von ihrer Gesellschaft.

Die Haltestelle flog an ihrem Fenster vorbei, sie wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Sie schloss die Augen für einen Moment. Sie wollte eigentlich nur Julipa verscheuchen, oder zumindest kurz sehen ob es ihr gut ging. Merkwürdigerweise erschien die Bindung ihr unvollständig, als ob etwas sie abschirmte.

Sie öffnete die Augen, als die Autotür zuschlug. Just im selben Moment wurde die ihre geöffnet und sie plumpste beinahe dem Mann vor die Füße. 

Sie runzelte die Stirn. Sie stand in ihrer Einfahrt. Durch den prasselnden Regen konnte sie die rote Haustür erkennen. Sie schaute Nik an und er zog die Augenbraue hoch. Ihr Herz setzte aus, so schien es ihr, als er seine Hand auf ihre Schulter legte. 

Er nickte mit dem Kopf in Richtung Tür und wie mechanisch folgte sie ihrem kleinen Bruder die Stufen hinauf. 

Mit viel Radau haute Jake seine Tasche im Vorbeigehen an den Türrahmen und Marise konnte nur schwer ausweichen. Er hinterließ ein Rinnsal auf dem Flur, das man bis zu seinem Kinderzimmer verfolgen konnte.

„Komm jetzt raus aus dem Regen!” lachte Marise herzlich und zog sie hinein. 

Als Bree sich noch einmal umdrehte war sowohl Nik, als auch der schwarze Volvo fort. 

„Wer war das denn, Schatz?” Marise Stimme klang besorgt und gleichzeitig etwas heiter.

„Keine Ahnung, niemand.”

Scheiße, Bree. Niemand.

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⏰ Last updated: Nov 24, 2013 ⏰

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Falling for Humans (Vampire Diaries FF)Where stories live. Discover now