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 Es war ein hübsches Städtchen. Die breiten Straßen mit der hübschen Architektur machten einen sehr einladenden Eindruck langsam fuhr ich durch Bellefonte und musterte die Häuser. Sie waren alle auf ihre eigene Art einzigartig. Manche waren groß, manche klein, manche waren gestrichen andere wurden aus Backsteinen gebaut. Der Anblick dieser Häuser ließ mich träumen. Wäre es nicht toll auch so ein Haus zu haben? Mit seiner eigenen kleinen Familie. Die Kinder würden mit dem Hund im Garten spielen, während man selber mit einem Glas Wein in einem Gartensessel sitzt und die Sommerbriese genießt.

Ein lautes Hupen unterbrach meinen Traum und ließ das Bild des Gartens platzen wie eine Luftblase.

Ich war an einer roten Ampel stehen geblieben und hatte nicht bemerkt, wie sie grün wurde.

Mit festem Griff fuhr ich weiter. Der Wagen hinter mir überholte mich.

„Frauen können nicht fahren!“ schrie der Fahrer aus dem offenen Fenster.

„Ach, sei leise!“ rief ich ihm hinterher und bog ab.

Ein paar Straßen weiter fand ich das erste Motel und parkte ein. Und nur um mal festzuhalten, ich hatte gut eingeparkt und ich war auch eine gute Fahrerin.

Ich hatte nur eine Reisetasche mit, denn ich brauchte nicht viel. Das meiste war eh nur Tarnung und Waffen.

Ich öffnete die Tür zum Motel und ging an die Theke. Eine müde aussehende Frau mit fettigen blonden Haaren telefonierte gerade lautstark. Sie würdigte mich nicht mal mit einem Blick. Ich stellte mich ein bisschen abseits von ihr und wartete.

Sie schien aber gar nicht zu bemerken, dass jemand reinkam. Also stand ich weiter dort.

Die Frau sprach eine Sprache die ich nicht verstand, es klang wie Bulgarisch oder so und sie klang nicht sehr glücklich.

Auch ihr Anblick war nicht sehr strahlend. Ihre Hände waren faltig und sie hatte ungepflegte Nägel. Das deutete wohl darauf hin, dass sie alles im Haushalt machte. Sie trug keinen Ring, aber man sah den Abdruck, also war sie unglücklich verheiratet. Hinter ihrer Brille lagen tiefe Augenringe und müde Augen, die jetzt wütend blinzelten. Ihrem Anblick nach zu Urteil hatte sie bestimmt auch Kinder. Ein kleiner Funke Mitleid glomm in mir auf, der aber sofort wieder erlosch als ich mir vorstellte, dass sie ihren Frust vielleicht an ihren Kindern ausließ, so wie meine Mutter…

Jetzt wo mir dieser Gedanke kam, fiel mir auf, dass die zwei Frauen gar nicht so unterschiedlich waren.

Meiner Mutter sah man eindeutig das Alter an und auch die Müdigkeit. Sie konnte einfach nicht zur Ruhe kommen. Ihre Depression war dazu auch nicht gerade hilfreich. An Tagen, an denen sie mental besonders unstabil war nahm sie ihre Tabletten und weinte sich in den Schlaf. Ich hatte dies oft mitbekommen, obwohl sie das vermeiden wollte. Sie war überfordert mit dem Leben. Doch all diese Gründe, all diese schrecklichen Gründe rechtfertigen nicht, was sie getan hatte. Sie war egoistisch, dachte nur an sich, überlegte sich nicht, was für Folgen ihre psychischen Probleme auf Joyce und mich hatten. Wenn ich sie jetzt beschreiben sollte, würde ich ignorant sagen. Nie hat sie etwas getan, immer nur weggeschaut und so getan als ob sie es nicht bemerkt. Weggeschaut, als unser Vater gewalttätig wurde. Weggeschaut als ihre Töchter geweint haben. Weggeschaut als alles den Bach unterging, als meine Welt zusammenbrach, als Joyce ermordet wurde…

Jäh unterbrach ich mein Gefühlsstrom und sah wieder hoch. Ein Anblick von Tränen glitzerte in meinen Augen. Tränen der Wut. Eine kalte und tief in mir vergrabene Wut. Mit einer Handbewegung, wischte ich sie weg.

Ich holte tief Luft und fasste mich wieder. Die Frau hatte inzwischen aufgehört zu telefonieren und tippte aggressiv auf ihrer Tastatur. Der PC konnte auch nichts dafür, dachte ich mir.

Aber sie hatte mich immer noch nicht bemerkt. Langsam wurde es mir zu viel.

Doch gerade als ich ihr mal ordentlich erklären was Umgebung wahrnehmen und Kunden bemerken war, öffnete sich die Eingangstür und ein Junge kam herein.

Er war groß, sehr groß. Er war mindestens 1,90 groß und in meinem Alter. Seine aschblonden Locken standen ihm verwuschelt vom Kopf. Ich erkannte sofort die Ähnlichkeit mit Mrs.Aggro und dem jungen Mann. Im Gegensatz zu seiner Mutter, musste ich aber zugeben, dass er durchaus besser aussah.

Er musterte kurz de Situation, sah mich an, dann sah er zu seiner Mutter.

„Mum!“ er klang genervt.

Also taub war sie also auch nicht, denn sie sah sofort auf.

„Ja?“ fragte sie, als ob nichts wäre. Der Mann zeigte mit einem Kopfnicken zu mir.

Verdattert schaute sie mich an. „Wer ist das? Deine Neue?“ meinte sie abfällig.

„Nein.“ Sprach ich für mich selber. „Ich war eine potentielle Kundin, Da ich aber schon seit 10 Minuten hier stehen und warte, denke ich, dass ich mir ein anderes Motel suche.“

Ich drehte mich und wollte schon zu Tür gehen, doch der Junge stellte sich mich in den Weg.

Ich war wütend und war nun kurz davor ihm seine hübsche Nase zu brechen.

„Halt!“ er sah mich flehend an „Bitte“ sagte er weich. „Bitte geh nicht. Ich entschuldige mich so sehr für meine Mutter. Wir  geben dir ein gutes Zimmer und eine Nacht gratis.“

Er sah mich an und Mann, das war echt schwer nein zu sagen, wenn er mit so einem Hundeblick ansah.

Ich seufzte tief und er lächelte triumphierend. Gemeinsam gingen wir zur Theke und seine Mutter war raus gegangen um Zigaretten zu holen.

„Wie heißen Sie?“ Er lächelte.

„Lisa Parker.“ Sagte ich und lächelte zurück. Ich war kein Fan von einfachen Namen, aber die sind für die Tarnung am besten. Je auffälliger die Namen sind desto mehr werden sich die Leute diesen merken.

Ich checkte also ein und nahm gerade meine Tasche und wollte das Treppenhaus hochgehen, als der Junge, der, wie ich herausgefunden habe, David Graeson hieß, zurückrief.

„Lisa?“

Ich drehte mich um. „Hm?“

„Ähm…“ Ich traute meinen Augen nicht. Er lief rot an! „Hättest du vielleicht Lust… ähm essen zu gehen?“

Ich verstand nicht. „Ich esse in meinem Zimmer später“

Er lachte kurz. „Nein, ähm“, er fuhr sich durch die Haare, „Ich dachte du wolltest vielleicht mit mir essen gehen…“

Wow, das kam unerwartet.  War das ein Scherz? Ich sah ihn an. Oh, nein. Er meinte es ernst.

„Oh…“ Ich hatte keinen Plan, was ich machen sollte. Aber ich musste meine Tarnung aufrechterhalten. Es ist schon leicht verdächtig, wenn ich den ganzen Tag im Zimmer hocke und dann abends aus dem Haus gehe und spät nachts wieder komme.

Ich setzte ein charmantes Lächeln auf. „Also… ich denk ich hätte Lust.“

Man sah regelrecht, wie die Spannung von ihm fiel. Schon irgendwie süß…

„Cool. Heute, um 18 Uhr?“ fragte er.

Ich nickte.

„Dann bis später. Ich hol dich bei deinem Zimmer ab.“ Er strahlte mich an und ich lächelte unsicher zurück.

Dann drehte ich mich um und mein Lächeln erstarb. Was hatte ich mir nur eingebrockt?

I cannot sleepWhere stories live. Discover now