5 - Nur etwas Ablenkung

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Stumm nickte ich, kniff meine Augen zusammen und hielt die Luft an. Dann spürte ich, wie Nero seine Hand langsam senkte und den Kragen meiner Bluse etwas auseinanderzog, um besser sehen zu können. Anschließend fanden seine Finger den Weg in meinen Ausschnitt, und, obwohl er sich Mühe gab, vorsichtig zu sein, kitzelte mich die Berührung und brachte mich gleichzeitig in Verlegenheit. Letztendlich aber atmete mein frischgebackener Nachbar erleichtert aus und ich wagte es, zögernd ein Auge zu öffnen.

„Hab ich dich, mein kleiner Freund", sagte er zu der Spinne, die er nun in dem Hohlraum zwischen seinen aufeinandergelegten Händen hielt. Ich stieß erleichtert die Luft aus. Ich war gerettet! Dennoch saß ein Kribbeln in meinem Nacken und überall auf meiner Haut fühlte es sich an, als würde etwas auf mir herumkrabbeln.

„Willst du sie sehen?", fragte er mit einem frechen Grinsen auf den Lippen.

„Seh ich so aus?", erwiderte ich giftig und schüttelte entschlossen den Kopf. Nero lachte mit verschlossenen Lippen bösartig, doch dann wendete er sich zum Glück von mir ab.

„Ich bring ihn eben in den Garten", entschuldigte er sich und, während er sich von mir entfernte, hörte ich noch, wie er die Spinne dafür rügte, ein Aufreißer zu sein, der auf Brüsten fremder Frauen rumhüpfte. Es war irgendwie süß, dass er sich so mit diesem Insekt beschäftigte und mit ihm sprach, als könne es ihn verstehen. Ich kannte nicht viele Männer, die eine Spinne lebendig gefangen und auch noch nach draußen gebracht hätten. Nicht mal ich hätte das getan und es zeugte von einem unglaublich großen Respekt vor dem Leben. Einen Respekt, den Liam so nie gehabt hatte. Er wäre vor zwei Jahren beinahe über Leichen gegangen. Er war schon über Leichen gegangen. Als mir dies wieder bewusst wurde, schluckte ich den Kloß, der sich in meinem Hals bildete hinab.

Plötzlich ertönte ein Klingeln und Vibrieren und ich zuckte erschrocken zusammen. Auf der Suche nach der Quelle, entdeckte ich ein schwarzes Smartphone auf der Küchenzeile, auf welchem ein Anruf von „Papa" einging. Ich schmunzelte, als ich das las und spielte mit dem Gedanken, den Anruf entgegenzunehmen, da Nero noch dabei war, die Itzi Bitzi im Garten auszusetzen. Doch ich wollte nicht, dass sein Vater merkwürdige Sachen dachte. Vielleicht hatte Nero ja auch eine Frau oder Freundin, die bald hier einziehen würde und dann war sein Papa sicher nicht begeistert, wenn eine Fremde an das Handy seines Sohnes ging.

„Oh, das ist sicher mein alter Herr", hörte ich Nero rufen, der sich mit großen Schritten auf den Rückweg gemacht hatte.

„Hallo? Papa?", meldete er sich, als er das Handy an sein Ohr hielt, welches in seinen Händen irgendwie merkwürdig klein aussah, „ja, ich hab alles reingetragen. Du brauchst nicht mehr helfen kommen. Ich habe ohnehin gerade Besuch" Das Wort „Papa" von einem Mann seiner Statur und seines Alters zu hören, war irgendwie sonderbar. Es klang so unschuldig und ließ ihn direkt viel jugendlicher wirken.

Nero warf mir ein entschuldigendes Lächeln zu, welches ich mit einem Nicken erwiderte. Obwohl ich vielleicht anfangen sollte, die Sauerei zu beseitigen, die mein Wasser und sein Kaffee angerichtet hatten, war ich von dem Muskelspiel seines Rückens abgelenkt, als er mir diesen zudrehte.

„Meine neue Nachbarin", sagte Nero, der daraufhin wohl einer Standpauke auf der anderen Seite lauschte, denn er sah mich über die Schulter augenrollend an und formte „blablabla" mit seinen Lippen.

„Wie? Schaffst du das nicht alleine?", fragte er gespielt empört und lachte, „Ist gut, Papa. Ich komme gleich. Gib mir 15 Minuten. Ich muss mich erst mal wieder anziehen."

Ich schlug mir die Hand auf den Mund und weitete die Augen. Hatte er das gerade wirklich zu seinem Vater gesagt? Oh Gott.

„Bleib ruhig. Ich erzähle dir später von meiner charmanten Nachbarin. Also, ich zieh mich jetzt an, dann komme ich und wir bringen das Bett noch rüber... Ja... Ja... dann bis gleich", dann legte er auf und drehte sich mit einem Seufzen zu mir. Ich schlug meinen Blick nieder, damit ich seinen nackten Oberkörper nicht zu auffällig anstarrte. Dennoch spürte ich seinen ruhigen Blick und das Lächeln, welches seine Mundwinkel umspielte, nahezu auf mir.

BEFREIE MICHWo Geschichten leben. Entdecke jetzt