Chapter Zero

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Anmutig ging ich über den dunklen Marmorboden, sodass der gesamte Raum von dem lauten Geräusch meiner Schritte erfüllt war. Jeder an dem ich vorbeikam, senkte den Blick und trat gleich zur Seite, um mir Platz zu machen.

Augenblicklich fühlte ich diese Macht, die Autorität, die ich selbst besaß und musste mir ein Lächeln verkneifen. Jedes Mal war es ein Gefühl, welches ich nur zu gerne verspürte. Das Gefühl, jeden in meiner Nähe einzuchuchtern und sie das machen zu lassen, was auch immer ich verlangte. Das Gefühl von Kontrolle.

Mit einem kühlen Gesichtsausdruck kam ich an der großen Doppelür aus Holz an und deutete dem davorstehenden alten Mann diese zu öffnen.

Eingeschüchtert von meinem Blick, zuckte er zusammen und zog den rechten Türflügel auf, damit ich endlich eintreten konnte. Sofort roch ich diesen sterilen Geruch, den man eigentlich nur aus den Krankenhäusern kannte. Das gleichmäßige Piepen der Maschinen erfüllte den Raum und jagte mir gleich eine unheimliche Gänsehaut über den gesamten Körper.

Mich von dem Geruch nicht beirrend, betrachtete ich streng die blonde Frau, die dabei war den Tropfen zu überprüfen. Als sie meinen starren Blick bemerkte, richtete sie sich auf und drehte sich sofort zu mir, nur um kurz darauf ihre Augen auf den Boden zu richten.

>>Lass uns allein<<, befahl ich ihr. Die Blondine zuckte zusammen und nickte gehetzt, ehe sie fluchtartig das riesige Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss. Nun waren wir allein.

Tief durchatmend ging ich zu dem großen Bett rüber und betrachtete den blassen und dürren Mann, der darin lag. Die Schatten unter seinen Augen schienen noch dunkler zu sein.. seine Haare grauer und dünner. An diesen Anblick konnte ich mich nicht gewöhnen.

>>Ich habe dir gesagt, dass du netter zu Sasha sein sollst<<, krächzte er mit einer rauen und schwachen Stimme. Ohne zu antworten, schnalzte ich nur missbilligend mit der Zunge und setzte mich in den Stuhl, der neben dem Bett stand.

Vorsichtig streckte ich meine Hände aus und legte sie auf seine. Die Haut unter meinen Fingern war rau und ich konnte jeden einzelnen Knochen zählen, so spürbar waren sie. Abgenommen hatte er seit dem letzten mal auch wieder.

>>Zeig deinem alten Herren nicht die kalte Schulter.<< Er bemühte sich dazu zu lächeln, doch ich bemerkte, wie schwer es ihm fiel und wie viel Kraft er dafür aufwenden musste.

>>Würde ich nie tun, Papa<<, erwiderte ich schließlich und streichelte mit meinem Daumen über seinen Handrücken. Heute hatte er anscheinend einen seiner schlechteren Tage.

Nachdenklich schaute ich mich im Zimmer um, sah die unzähligen Medikamente, die auf dem Nachttisch standen. Seit dem letzten mal schienen sie mehr geworden zu sein. Das ließ nur auf eines schließen.. >>Der Doc hat dir einen neuen Pillencocktail zusammengestellt, oder?<<

Schwer atmete er ein und wieder aus, ehe er schließlich nickte. Bedauernd biss ich mir auf die Unterlippe. Dieser Raum, war der einzige, in dem ich das Gefühl der Kontrolle verlor. Dieser Raum brachte vollkommen andere Gefühle in mir zum Vorschein, die ich überhaupt nicht leiden konnte.

>>Denk nicht zu viel darüber nach, Marshmallow.<<

Bei dem Spitznamen sackten meine Schultern ab. >>Du sollst mich nicht so nennen, Papa. Ich bin keine sechs mehr.<<

>>Du wirst immer mein kleiner Marshmallow bleiben.<<

Ich seufzte und lehnte mich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Stuhl zurück. >>Papa, wieso hast du mich zu dir gerufen?<<, fragte ich und lenkte von dem unangenehmen Thema ab.

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