i got this icebox where my heart used to be

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es war gerade 06:29 uhr. in einer minute werde ich durch den schrillen, grellen ton meines weckers geweckt werden und mich mühevoll ins bad schleppen. ich werde um 06:33, wenn ich im badezimmer angekommen bin, meine zähne für drei minuten mit einer plastik-bürste für die zähne putzen, um für die restlichen 70 jahre meines lebens weiße zähne zu haben. anstatt meine zeit für sinnvolle dinge zu nutzen. was man alles in drei minuten machen könnte. drei minuten länger schlafen. etwas kochen. lächeln. musik hören. etwas aufschreiben. arbeiten. geld verdienen. aber nicht zähne putzen. wen interessiert es, wenn ich irgendwann sterbe, dass meine zähne einmal weiß waren. dass ich immer schön meine zähne geputzt habe. aber dafür vielleicht 70 jahre jeden tag 3 minuten mehr meines lebens gehabt hätte. ich hätte mich verlieben können. ich hätte alles mögliche tun können. mehr zeit verbringen können, mit genau den menschen, die mich lieben. aber stattdessen putze ich meine zähne. es ist immer dasselbe. aufstehen. zähne putzen. meine haare kämmen. in die küche laufen. mir einen kaffee rauslassen. hinsetzen. kaffee trinken. meinen schlafanzug ausziehen. meine alltagskleidung, die ich am tag zuvor rausgelegt habe, anziehen. meine jacke anziehen. in die schuhe schlüpfen. meine tasche nehmen. mein handy in die tasche werfen. rausgehen. die türe zuziehen und eine sekunde später an mia denken. den schlüssel aus der tasche kramen. die türe wieder aufschließen. reinrennen, weil ich unter zeitdruck stehe. mia essen rausmachen und ihr noch ein paar sekunden zu sehen und sie streicheln. wieder zur tür rennen. rausgehen. ins auto steigen. zur arbeit fahren. und arbeiten. auf der langweiligsten arbeit der welt. jeden tag irgendwelche akten sortieren und ständig hin und her rennen. und, wenn ich irgendwann abends um 18 uhr nach hause darf, kann ich noch joggen gehen. und das war's mit dem tag. ich könnte nicht einmal - abgesehen von dem fakt, dass ich keine habe - freunde einladen. ich hätte keine zeit. mein ganzes leben zieht jeden abend an mir vorbei. und die einzigen, wenigen sekunden, die ich für mich habe, sind die in meinem bett. morgens. um 06:29. weil ich jeden morgen exakt eine minute vor dem wecker aufwache. jeden morgen. gewohnheit. so wie alles in meinem leben. es war gewohnheit ohne eltern aufzuwachsen. es war gewohnheit keine freunde zu haben. es war gewohnheit immer alleine zu sein. es war gewohnheit immer dünn zu sein. und es wird immer gewohnheit bleiben. all diese dinge werden für immer meine gewohnheiten bleiben. und niemand kann etwas daran ändern.
06:30. mein gedankengang wird von meinem tollen wecker unterbrochen. ich greife rechts neben mich, um meinen wecker zu nehmen und ihn auszuschalten. doch anstatt ihn auszuschalten, wie es normale menschen tun und ich normalerweise auch, pfeffere ich ihn auf den boden. er hat meine schönen gedanken zerstört. ich hasse ihn. das einzig schöne des tages hat er gnadenlos unterbrochen. aber ich sehe das als ein zeichen für einen neuen start. vielleicht war das ja ein zeichen dafür, dass dieser tag anders als alle anderen verlaufen wird. ich bemühe mich also, das beste aus dem tag zu machen und springe förmlich aus dem bett. "heute wird ein guter tag. heute wird ein guter tag." versuche ich mir immer wieder selbst zuzureden. ich sollte aufhören selbstgespräche zu führen. ich stelle mich vor den spiegel und betrachte mein gesicht. keine augenringe zu sehen. heute wird ein guter tag. es muss wohl wahr sein.
voller elan putze ich meine zähne innerhalb von einer minute. ich ziehe mir schnell meine kleider an, gebe mia gleich futter und starte somit den tag anders als sonst.
dass dieser tag mein leben für immer verändern wird, konnte ich da ja noch nicht wissen.

cro fanfiction - randomWhere stories live. Discover now