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Dared

Dared hatte das Gefühl, als würde gleich etwas in ihm zerbrechen.
Ihre dunkelbraunen, ja fast schwarzen Augen waren so wunderschön, aber auch so misstrauisch, traurig und voller Angst. Ihre Gestalt war nicht sehr groß, eher zierlich, klein und zart, mit langem braunem Haar und vollen, naturroten Lippen, in einem gerade schneeweißen, ovalen Gesicht. Unglaublich, dass dieses schöne, zarte Menschenmädchen wirklich nun seine Mate war.
Eigentlich hatte er Menschen ja immer verachtet, weil sie in der Regel zu schwach und dumm waren, um es mit den Werwölfen aufnehmen zu können.
Doch im letzten Jahr hatte er alle Werwolf-Rudel, wie auch sämtliche Mate-Bälle, die sie hier in Deutschland hatten, besucht und war sogar in den Territorien herumgereist, nur um sie zu finden.
Den zweiten Teil seiner Seele, der ihm bisher immer gefehlt hatte.

Und sie war ein Mensch.
Nun ja ... bald nicht mehr. Der Biss zeigte bereits Wirkung. Sie fühlte sich schon ein wenig zu ihm hingezogen. Gut so.
Einmal mehr sog er ihren berauschenden Duft ein. Süß wie Schokolade mit einer herben Note, die wohl von ihrem hitzigen Temperament sprach.
Einfach atemberaubend.
Er hatte es sofort gerochen, als er vorhin frustriert aus dem Auto gestiegen war. Denn auf der Suche nach seiner Mate hatte er schon angefangen den weiter gesteckten Umkreis, über den Rand seines Territoriums hinaus, abzusuchen und war nur noch in der Hoffnung auf eine Witterung die Straßen abgefahren.
Und dann war es passiert. Ausgerechnet jetzt, als er eigentlich nur wieder nach Hause gekommen war, um sich noch mehr Geld zu holen und einen anderen fahrbaren Untersatz. Denn der Porsche war dort draußen in den freien Gebieten doch ein bisschen zu auffällig.
Er war nur vier Tage fort gewesen. Doch sein innerer Wolf hatte begeistert und hibbelig wie noch nie aufgejault, als er sie gespürt hatte. Seine Mate ... und sie war hier an der Wolfsschule. Schon kannte er kein Halten mehr und hatte sie vermutlich auch nur deshalb so sehr erschreckt, dass sie vor ihm getürmt war.
Sein Beta war nach anfänglicher Überraschung darüber, dass die neue Luna wirklich nur ein Mensch war, nun aber restlos begeistert von ihrem Temperament.
Seine Mutter jubelte nur noch und hatte gerade eben damit begonnen, ihm seine Lieblingskekse zu backen.
Das hatte sie schon seit über einem Jahr nicht mehr getan, weil sie gedacht hatte, die Götter würden ihn für seine Anmaßung bestrafen, den alten Alpha dieses Rudels und seinen Sohn herausgefordert und getötet zu haben.
Er ... Dared ... ein ehemaliger Beta-Sohn.
Doch Aristo hatte seinen Vater heimtückisch getötet, weil der einen Verrat des Alpha an seinem ganzen Rudel aufgedeckt hatte.
Er hatte gerade noch die Kraft gehabt, es allen zu erzählen, bevor er seinen schweren Verletzungen erlegen war.

Aristos Sohn Hakon hatte daraufhin nur gegrinst und seinem Vater eiskalt vorgeschlagen, jeden zu töten, der gegen ihn protestierte. Angefangen beim Sohn des Beta.
Tja, nur hatte Dared dann in seiner fassungslosen Wut zuerst zugeschlagen und Hakon, der ihm schon immer ein Dorn im Fleisch gewesen war, mit einem gut gezielten Biss in die Kehle schnell getötet.
Seinen Vater, den zornigen Alpha, hatte er dann aber nur mit viel Glück besiegt und nachher viele Tage gebraucht, um sich von diesem zweiten Fight zu erholen.
Beinahe wäre auch er noch den vielen Verletzungen erlegen.
Doch seither fürchteten ihn alle. Seine Härte gegenüber Aristos Befürwortern und dass er die gesamte erste Riege getötet hatte. Ja, er hatte die Werwölfe seines Alters, um die Position der Leader kämpfen lassen und die alten ausgeschlossen, da er sie nach den Ereignissen um Aristo nun für unfähig hielt auch nur das Beste für sein Rudel zu wollen.

Wer sich widersetzt hatte, den hatte er gnadenlos getötet oder als Rogue davongejagt. Es war ihm auch egal gewesen, dass sie ihn alle dafür gehasst und gefürchtet hatten bis heute.
Seine Mutter war gerade zum ersten Mal seit langem wieder ganz normal mit ihm umgesprungen und hatte ihn eben regelrecht begeistert von seiner Mate angefaucht, das jetzt bloß nicht zu versauen. Er sollte nicht die Geduld verlieren oder böse werden, nur weil das Mädchen ein reiner Mensch war und verständlicherweise nun ziemlich Angst vor ihm haben musste ... ihrem Entführer. Es war zwecklos Mahmen zu erklären, dass er das ja gar nicht war, oder dem Mädchen zu sagen, sie sollte aufhören sich zu fürchten, denn das tat sie trotzdem.

Denn seine wunderschöne Luna hielt Werwölfe einzig für einen Mythos und kannte noch nicht einmal den Mate-Biss.
Dared versuchte also schleunigst, seiner gerechten Empörung Herr zu werden, während er ihr kopfschüttelnd aus dem Haus folgte, um sie an der Flucht vor ihm zu hindern. Denn, dass sie ihn auch noch im Beisein seiner Mutter und seiner Anführer im Rudel angegriffen und besiegt hatte, war wirklich eine Schande. Aber anderseits natürlich auch bewunderungswürdig. Sie duckte sich nicht vor ihm, sondern kämpfte. Ganz anders, als er es bisher von Menschen gewohnt war.
Schon schnappte er sie sich und klemmte sie sich wie einen Sack Mehl unter den Arm.
Wohl möglich hatte er dabei aber nicht richtig aufgepasst, weshalb sie nun ihre Hand so schützend umkrampfte und mit Tränen verhangenen Blicken zu ihm hochschaute ... mit heftig bebenden Lippen.
Bei Luna ... Er hatte das Gefühl, gleich kotzen zu müssen. Seine Mate litt gerade Schmerzen und war nun bleich und sogar richtig unterwürfig geworden.
Eigentlich ein Umstand, der ihn erfreuen sollte, doch er hielt es nicht aus.
Denn seine Luna sollte sich nicht so ängstlich vor ihm ducken. Ihm gefiel ihre kratzbürstige Art ... er musste ihr sofort helfen.
Mathias!", brüllte er wieder laut in Richtung Tür. Sein Beta öffnete sie mit dem Handy am Ohr.
„Er fährt gerade vor, Alpha! Er ist drei Mal geblitzt worden und ein Polizist fährt hinter ihm die Auffahrt hoch, soll ich dir von ihm ausrichten...", meinte er ernsthaft.
Dared sah ihn nur aus zornroten Augen an und knurrte mit seiner besten Alphastimme: „Dann kümmere Dich darum! Wozu bist du sonst mein Beta?"
„Sofort, Alpha!" Er verschwand schnell genug, dass er ihm nicht auch noch Beine machen musste.
Schon kam der Rudelarzt Mathias die Treppe hinaufgesprungen. „Bin schon da, Alpha! Ich gratuliere. Wie ich höre, habt ihr eure Mate endlich gefunden ..."
Sie leidet Schmerzen!", herrschte er den etwas älteren Wolf nur knurrend wie ein Höllenhund an.
Der blonde Mathias nickte sofort unterwürfig den Kopf senkend und huschte schnell an seinem Rudelboss vorbei zum Bett hin, auf dem sich Rahel aber nun in die hinterste Ecke geflüchtet hatte.
„Verzeih mir bitte, Luna, wenn ich mich einfach so vorstelle. Ich bin Rudelarzt Mathias. Darf ich mir bitte deine Hand ansehen, die du so fest umklammert hältst?", fragte er sie sanft klingend.
Rahel sah ihn aber nur eingeschüchtert an und schüttelte mit riesengroßen Augen den Kopf.
„Nun gib ihm schon deine Hand! Er beißt sie dir auch ganz sicher nicht ab, schließlich bin ich auch noch hier und werde dich beschützen!", knurrte Dared sie nun ernsthaft ungeduldig an. Er konnte ihre Schmerzen nicht ertragen ... sie wiegte sich sogar schniefend auf dem Bett vor und zurück und ihre wunderschönen dunklen Augen schwammen vor gleich überlaufenden Tränen.
Also stürmte er nun schlicht zu ihr auf das Bett, als sie immer noch stur den Kopf schüttelte und zog sie blitzschnell mit sich nach vorne an die Bettkante, hob sie dort auf seinen Schoß und legte ihr nachdrücklich eine Hand auf den Mund, um ihren sofortigen schrillen Aufschrei zu unterdrücken.
Zugleich hielt er ihr gesundes Handgelenk eisern fest und nickte Mathias grimmig zu.
„Fang an!"

(Ende des ersten Kapitels)

Seelenverwandt, Rahel - Die Mate des Alpha # DreamAward2018 (Teil 1)Where stories live. Discover now