Kapitel 1: Bill

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Dezember, 1989. Ein paar Monate ist es schon her. Dass wir Es besiegten. Ich weiß nicht, ob Es wieder kommen wird- aber ich weiß, dass der Club der Verlierer teilweise noch existiert. Freunde sind wir immer noch. Beverly lebt bei ihrer Tante in Portland. Wir haben sie seitdem nicht mehr gesehen. Ich merke, wie sehr ich sie vermisse. Eddie, Richie, Mike, Ben, Stanley und ich leben dennoch unsere Leben. Niemand von uns redet über den Vorfall diesen Sommer. Wie Es einfach das Rohr hinunter gefallen ist, in die unendlich scheinende Tiefe. Was wir alle erlebt haben, blieb unter uns.

Ich sitze auf meinem Bett, in meinen Händen eine Schullektüre, welche wir über die Ferien lesen sollen. Es ist der Tag nach Weihnachten und es schneit. Von unten höre ich meine Mutter, wie sie Klavier spielt. Für Elise. Ich schlucke. Ich muss immer an Georgie denken, wenn sie es spielt. Im Hintergund läuft der Fernseher- mein Vater ist auch zuhause. Da ich mich nicht mehr aufs Lesen konzentrieren kann, stehe ich auf, ziehe meine Hausschuhe an und mache mich auf den Weg nach unten. Die Treppenstufen ächzen unter meinen Schritten. Das Klavier verstummt. Ich komme unten an. Meine Mutter sitzt mit leerem Blick auf die Tasten noch immer am Klavier. Im TV laufen die Nachrichten. Mein Vater ist jedoch im Sessel eingeschlafen. Da klingelt das Telefon. Meine Mutter greift hinter sich und nimmt ab. Ich stehe immer noch leise in der Tür, als sie Eddie am Telefon begrüßt. „Denbro- Oh, Eddie, hallo. – Klar doch, warte mal kurz. Bi..." Sie will meinen Namen rufen, als sie mich in der Tür stehen sieht. Ich gehe auf sie zu und sie drückt mir wortlos den Hörer in die Hand. Sie setzt sich wieder ans Klavier und legt ihre Finger vorsichtig auf die Tasten, spielt jedoch nicht. Ich fange an, zu reden. „He-Hey, Eds..." – „ Bill, magst du zu mir kommen? Ben und Stan sind auch da. Wir machen später noch Pizza." Ich lache kurz auf. „A-Ach, du hat-hattest mich scho-on nach dem ,Bi-Bill'!" Wir lachen beide kurz auf, dann sage ich „Bi-Bis spä-später also." „Okay!", sagt Eddie noch, bevor ich auflege. Meine Mutter sagt, ohne sich umzudrehen: „ Später? Triffst du dich wieder mit deinen Freunden?" Ich nicke. „He-Heute gibt's Pi-Pizza." Sie nickt nur. „Bleibst du über Nacht dort?" Ich nicke. „Bill?" – „Oh, äh-äh, ja." Ich gehe an ihr vorbei und spüre ihre Blicke in meinem Rücken. „Okay.", sagt sie und fängt an, weiter Für Elise zu spielen. Ich gehe die Treppe hoch. Oben am Treppenabsatz angekommen, streift mein Blick die Tür am Ende des Flurs neben dem Badezimmer. Ich schlucke meine Tränen hinunter. Von  unten erklingt weiterhin Für Elise auf Dauerschleife. Über ein Jahr und sein Zimmer ist immer noch unverändert, als würden meine Eltern hoffen, er hätte uns allen nur einen Streich gespielt und sich ein Jahr lang im Keller versteckt. Ich öffne meine Zimmertür und packe meine Sachen in meinen Rucksack. Dann werfe ich einen Blick aus dem Fenster. Es wird dunkel. Schnell schnappe ich mir meine Tasche und laufe nach unten, in die Garage. „Bi-Bis morgen, Mu-Mum!", rufe ich, während ich Silver, mein Rad, aus der Garage schiebe. Es kommt keine Antwort, und ich mache mich auf den Weg zu Eddies Haus.

Ichtrete so schnell in die Pedale, dass ich wie ein Blitz die Straßen entlangschieße. Ich will dort sein, bevor es komplett dunkel wird. Ich bremse vorEddies Haus und schließe mein Rad neben die von Stanley und Ben. Dann betreteich die Veranda und klingele an der Haustür. Mrs. Kaspbrak öffnet und lässtmich wortlos vorbei. Ich nicke nur und gehe nach oben. Ich weiß ja, wie sehrsie es hasst, wenn ich stottere. Also sage ich lieber nichts. Ich klopfe nichtan, sondern betrete einfach Eds Zimmer. Dieser sitzt auf dem Bett, das selbeBuch in der Hand, das ich vorhin gelesen habe. Stan und Ben sitzen auf demBoden und spielen ein Kartenspiel. Ich begrüße alle und geselle mich zu Eddieaufs Bett. „Da-Das Buch ist sch-schrecklich, nich-nicht wahr?", grinse ich.Eddie nickt nur, klappt das Buch zusammen und schmeißt es auf den Boden. Stan und Ben schauen verwundert auf. „ Also ich mochte das Buch...", sagt Ben. Alle grinsen. Dann gehen wir nach unten und machen die Pizza.

Mit vollem Bauch liegen wir nun alle auf Eddies Bett und reden über unsere Weihnachtsgeschenke. Wenig später liegen wir alle mit unseren Decken auf dem Boden und schlafen. Draußen regnet es. Je weiter ich einschlafe, desto klarer wird mir: Es ist noch nicht vorbei. Dann falle ich in einen traumlosen Schlaf.

welcome to the losers' club // abgebrochenWhere stories live. Discover now