Kapitel 10 / Tag 18+19

2.6K 77 8
                                    


Schreckhaft wache ich auf. Wo bin ich? Langsam setzte ich mich auf. Mein Kopf dröhnt und ich fühle mich wie gerädert. Langsam setzte ich mich auf. Mein ganzer Körper schmerzt. Meine Lippen sind ganz ausgetrocknet woraus ich schließe, dass ich extrem dehydriert bin. Ich liege auf einer alten, grauen Matratze in einem anderen Raum als letztes Mal. Der Raum ist leer bis auf eine Toilette aus Metall, wie man sie aus Gefängnissen kennt. Nur oben in einer Ecke befindet sich wieder die Kamera. Wahrscheinlich soll ich daran kaputt gehen, aufgeben und Logan die Informationen geben, die er will. Vor lauter Sehnsucht. Da kann er lange warten. Plötzlich fällt mir meine missglückte Flucht wieder ein. Das Telefonat. Die Frauenstimme. Steves Stimme. Bei der Erinnerung daran durchfährt mich ein wohliger Schauer. Seine Wirkung auf mich hat definitiv nicht abgenommen. Wegen des Medikaments war ich nicht ich selber. Hat er das merkt? Ich hoffe es. Doch wer war die Frau. Ich muss mich beruhigen und darf nicht verrückt werden. Auf Vorfälle wie diese gibt es meist die simpelsten Antworten. Meine Knie umklammert beobachte ich die grauen Mauersteine und wippe vor und zurück. Vor und zurück.

Gut zwei Wochen ging das so weiter. Jedes Mal wenn ich aufwachte wartete ausreichend Wasser aber bei weitem nicht genug Nahrung auf mich. Das Wasser ist seltsam trüb und ich vermute, dass irgendwelche Mittel darin gelöst sind. Aber was soll ich machen? Ohne Flüssigkeit kann ich nicht überleben. Mittlerweile hab ich ein mehr als stark besorgniserregendes Kaloriendefizit aufgebaut. Ich spüre wie mein Körper gleichmäßig schwächer wird, meine Knochen stärker denn je hervortreten und meine Muskeln verschwinden. Dieses Schwächegefühl kenne ich nur aus meiner Kindheit, wenn ich mal hohes Fieber hatte. Ich habe keine einzige Menschenseele zu Gesicht bekommen. Ich bin ganz alleine und kann mich nur meinen Gedanken hingeben. Mehr gibt es für mich nicht. Diese quälende Routine erlaubt mir kein noch so kleines Entkommen. Selbst die Kamera ist immer gleich. Noch nie ist das rotblinkende Licht, welches zeigt, dass sie aufnimmt und sendet, aus seinem perfekten Rhythmus gekommen und noch nie hat sich nur irgendetwas an ihr verändert. Langsam zweifele ich an allem und denke, dass mich niemand vermisst oder gar sucht. Wahrscheinlich nimmt das Leben auf Oahu seinen gewohnten Lauf, da es eh nicht auffällt, dass ich fehle, da ich noch gar nicht so lange auf der Insel bin. Außerdem hatte ich ferner keine Zeit Vertraute außerhalb meines Arbeitsumfeldes zu finden. Wenn man zu viel Zeit mit sich selber verbringt und nur mit sich selbst, dann kommt man sich irgendwann fremd vor. Als würde man ständig das gleiche, alltägliche Wort wiederholen und irgendwann kommt es einem komisch vor. Die schweren Schritte, die plötzlich näher kamen, habe ich erst gar nicht wahrgenommen. Es scheinen ein paar Leute zu sein, die anscheinend auf dem Weg zu meinem Raum sind. Bereits höre ich wie jemand die schwere Stahltür entriegelt und öffnet. Drei wortwörtliche Schränke betreten den Raum. Zwei von ihnen steuern auf mich zu und packen mich. Dann setzen sie mich auf einen Stahlstuhl, wie er mir schon bekannt ist und fesseln mich. Doch diesmal sind sie doppelt so gründlich, sodass ich nur noch meinen Kopf bewegen kann. Sie sagen kein Wort, tragen versteinerte Mienen und auch ich lasse das einfach über mich ergehen, da ich nicht in der körperlichen Verfassung bin mich zu wehren. Als sie fertig sind gehen sie einfach. Die Schritte verhallen wieder und durch die Tür, welche sie offen stehen lassen haben, kann ich sehen wie auch die Beleuchtung im gar endlos scheinenden Flur ausgeht. Nach einem kurzen Routineblick zur Kamera, die immer noch blinkt, fange ich an nachzudenken. Doch ich werde relativ schnell wieder aus meinen Gedanken gerissen, als ich ihn höre. Seinen Gang. Wie könnte ich ihn nicht erkennen? Logan Turner ist auf dem Weg zu mir. Da in meinem Raum das Licht brennt, aber im Gang nicht, kann ich ihn nicht sehen, dennoch würde ich ihn immer wieder identifizieren. Mit einem teuflischen Grinsen betritt er den Raum. Er führt eine Gießkanne, einen Lappen und einen Elektrostab mit sich. „Hallo Emma", begrüßt er mich. Dass ausgerechnet er es sein muss, den ich nach Wochen als Erstes höre, macht mich sauer. Dennoch bleibt mein Blick versteinert und stark. Ich strahle es einfach aus, dass ich mich nicht unterkriegen lasse. „Also noch eine letzter entgegenkommender Vorschlag meinerseits, bevor es fies wird: Du sagst mir wo der ‚Black Panther' ist und du musst das Folgende nicht erleben", zwitschert er förmlich. Was zur Hölle ist in ihn gefahren und wieso freut er sich so. Anscheinend bereitet ihm der Gedanke mich zu foltern so eine enorme Freude. „Fahr doch zur Hölle", zische ich nur. „Na na na!", sagt er gespielt traurig mit erhobenem Zeigefinger. „Aber du willst es ja nicht anders", flötet er heraus, bevor er sich den Lappen und die Gießkanne schnappt. Den Lappen legt er über mein ganzes Gesicht, sodass er Augen, Nase und Mund bedeckt. Dann schüttet er Wasser über mich. Waterboarding. Die Foltermethode des simulierten Ertrinkens. Augenblicklich schnappe ich nach Luft, welche ich nicht bekomme. Das Wasser scheint überall zu sein. Ich kann nicht mehr atmen. Wasser. Überall ist Wasser. Ich keuche und winde mich in meinen Fesseln, welche dadurch nur tiefer in meine Haut einschneiden. Doch kurz bevor ich in Ohnmacht falle reißt er den Lappen von mir. Ich keuche nach Luft wie eine Ertrinkende, atme mich geweiteten Augen tief ein und schon landet der Lappen wieder auf mir und das Wasser raubt mir jeden klaren Gedanken. Luft. Ich brauche Luft. Ich fange an Sternchen zu sehen doch wieder kurz vor der Ohnmacht werde ich befreit und so geht es viele Male quälend weiter. Genau genommen 23 Mal. Verkrampft habe ich mitgezählt. Das Wasser, welches all die Zeit mein Freund war, wird zum Feind. Ich werde immer erschöpfter, lauge nach und nach total aus und fange an zu gurgeln. „Möchtest du mir jetzt etwas mitteilen?", fragt Logan. Langsam scheint auch ihm der Spaß zu entgehen. „Niemals", kann ich noch hustend antworten, bevor mir vor lauter Kraftlosigkeit einfach die Augen zufallen.

Wieder wache ich auf. Dieses Aufschrecken nach meinem nicht erholsamen Schlaf ist in den letzten Tagen – vielleicht auch Wochen – zur Gewohnheit geworden. Mein Herz rast und ich schaffe es nur mühsam mich aufzusetzen. Irgendetwas ist anders dieses Mal. Die Kamera. Sie blinkt nicht mehr. Was hat das zu bedeuten? Fahrig stehe ich auf und halte sofort inne, da mein Kreislauf beinahe versagt. Als ich endlich fest stehe, setze ich langsam einen Fuß vor den anderen und laufe zu der Wandecke, an welcher sie befestigt ist, strecke mich und klopfe auf die Linse. Nichts passiert. Das blinkende Licht bleibt aus – die Kamera ist aus. „Nein", entfährt es mir verzweifelt. Jetzt wurde mir auch noch das Letzte genommen. Ich bin endgültig alleine. Obwohl für mich persönlich die Kamera nicht gebracht hat, brachte sie mir Hoffnung. Hoffnung, dass jemand zusieht, mich sucht oder auch nur ein bisschen in Bewegung setzt, irgendetwas ins Rollen bringt. Ich würde mich keineswegs als egoistisch einschätzen und ich bin auch nie jemand der etwas von anderen verlangt oder fordert, aber ich komme ohne fremde Hilfe hier nicht raus. Ich brauche Unterstützung.

'A'ohe loa i ka hana a ke aloha - Liebe kennt keine GrenzenWhere stories live. Discover now