Kapitel 4 / Tag 2

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Wir kommen noch vor dem HPD an dem Lagerhaus an. „Kono und Emma, ihr sichert die Flanke. Chin und ich gehen vorne rein", verteilt Steve die Aufgaben. Es geht los. Kono und ich laufen an der Seite der Lagerhalle entlang und bahnen uns einen Weg an verschiedenen Kisten und Mülltonnen vorbei. Dann entdecken wir einen Seiteneingang. Lautlos verständigen wir uns. Ganz leise öffnet Kono die Tür und wir treten unerkannt ein. Vor uns stehen ein paar Lagerkisten und dahinter können wir eine Stimme hören. Bernd Michaels. Er telefoniert. Den Gesprächsteilen, die wir mitbekommen können, nach sucht er gerade eine Möglichkeit die Insel verlassen. Dazu wird es aber leider nicht mehr kommen, denke ich. Er hat ja keine Ahnung. Schon bricht Steve das Tor zur Lagerhalle auf und brüllt: „Five-0, Hände hinter den Kopf. Sie sind fest genommen". Kono und ich kommen von der Seite. Er erblickt uns und er scheint auf Chin und Steve schießen zu wollen, doch ich stelle ihn mit einem Schuss in die Schulter kalt, bevor er nur irgendwas tun kann. „Scheiß Bullen!", brüllt er vor Schmerz, als er auf den Boden sackt und sich Schmerz verzerrt die Schulter hält. Nun geht alles ganz schnell. Bernd Michaels wird von Chin Handschellen angelegt und er wird abgeführt. Das HPD erreicht gerade die Halle und er wird abgeführt. Medizinische Versorgung wird in der Zentrale auf ihn warten. Er wird vor Gericht kommen und er und der Rest werden eine gerechte Strafe erhalten. Kono und ich gehen zu Steve und Chin. Steve nickt uns zu. „Gute Arbeit Leute". Wir klatschen uns alle ab und umarmen uns. Es ist jetzt ein Verbrecher weniger auf offenen Straßen unterwegs. Es ist zwar nur ein Tropfen im Ozean, aber viele Tropfen bilden auch eine Pfütze. Nachdem alles mit dem HPD geklärt ist, wollen wir uns mit Danny, Grace geht es mittlerweile schon besser, bei Kamekona treffen. Wer das ist, werde ich dann ja herausfinden.

Kamekona stellt sich als freundliches Kraftpaket und enger Vertrauter des Teams heraus. Wir sitzen alle vor seinem Shrimp Truck, welcher unverkennbar seiner ist, weil sein Gesicht riesengroß drauf abgebildet ist. Ich sitze neben McGarrett und Kono und Chin sitzen uns gegenüber. Dann tritt Kamekona an uns mit vier Tellern heran. „Aloha. Wer ist denn diese Schönheit? Gehört sie zu dir McGarrett?", fragt er die Augenbrauen wackelnd und alle fangen an zu lachen. „Nein, brah. Sie arbeitet seit gestern bei 5-0", antwortet Chin immer noch lachend. Kamekona reicht mir die Hand und ich stelle mich lachend vor. „Na dann kann ich sie ja haben. Sie ist schön und scheint intelligent. Auf sie habe ich die ganze Zeit gewartet", scherzt er. Im Hintergrund sehe ich Danny mit einem kleinen Mädchen, anscheinend Grace, ankommen. „Hallo Onkel Steve", kommt sie angestürmt und umarmt McGarrett. „Hallo Gracie", begrüßt er sie und mein Herz erwärmt sich bei diesem Anblick. Danny tritt auf uns zu und wir begrüßen ihn. Er ist super freundlich zu mir, wie schon gestern. „Ich habe gehört der Fall ist gelöst. Wie habt ihr das denn ohne mich hinbekommen?", fragt er zwinkernd. „Wir hatten ja tatkräftige Unterstützung", weist Kono auf mich hin. Steve fügt grinsend ein: „Und sie jammert auch nicht so viel wie du" hinzu. Wieder brechen wir alle in Gelächter aus. Kamekona bringt noch zwei Teller mit Shrimps für Danny und Grace. Grace ist mega nett und sehr höflich. Sie erzählt mir, während wir Essen, viele Geschichten über ihren Dad, welcher sie anscheinend unglaublich liebt. Ich muss dazu erwähnen, dass die Shrimps unglaublich lecker sind und ich nichts anderes mehr essen muss, wenn ich das jeden Tag haben könnte. Als ich das kundtue, stelle ich fest, dass es bei den anderen genauso aussieht. Danny fragt nach dem Ende des Falls und ich beschließe mit Grace an den Strand zu gehen, weil es für sie nicht spannend wird und Danny, glaube ich, auch nicht möchte, dass sie so etwas hört. „Wollen wir eine Sandburg bauen gehen, Grace?", frage ich sie und ihre Augen fangen sofort an zu strahlen. „Jaa", antwortet sie und ist schon aufgestanden. „Sei aber nett zu Emma Äffchen und mach keinen Unfug", meint Danny zu ihr und sie antwortet ungeduldig: „Ja Danno". Schon machen wir uns auf den Weg. Am Strand angefangen machen wir uns sofort daran eine phänomenal große und wunderschöne Sandburg zu bauen. Ich muss zugeben, dass das Kind in mir wieder raus kommt und dass das wahrscheinlich nicht zu übersehen ist. Grace und ich haben unbeschreiblich viel Spaß und während wir darüber diskutieren, ob die schöne Muschel, die wir gefunden haben, auf die Spitze soll oder über das Tor tritt Steve zu uns. „Also ich finde, sie gehört über das Tor", gibt er seine Meinung kund. „Siehst du Emma? Ich habe Recht". „Zwei gegen eins. Da muss ich mich wohl geschlagen geben", meine ich gespielt enttäuscht. „Aber die andere Muschel kommt dann ganz nach oben", verlange ich kindlich und Grace akzeptiert diesen Deal. „Gracie, Danno möchte dich nach Hause bringen, weil er will, dass du dich noch ausruhst", gibt Steve den Grund seines Aufenthaltes bekannt. „Och manno!", sagt sie enttäuscht. „Was hältst du davon, wenn wir ein andermal eine noch größere und schönere Burg bauen?", frage ich sie, um sie wieder aufzuheitern. Sofort leuchten ihre Augen wieder. „In Ordnung. Bis dann, Emma", sagt sie und umarmt mich. „Es hat mich gefreut dich kennen zu lernen. Bis bald", antworte ich und erwidere ihre Umarmung. Dann läuft sie in die Richtung, wo ihr Vater schon auf sie wartet. Zum Abschied winken die Beiden nochmal, bevor sie in den Camaro einsteigen und wegfahren. Lächelnd bleiben Steve und ich zurück. „Du siehst sehr glücklich aus", merkt er an und ich nicke. „Das bin ich auch, schon wie seit langem nicht mehr", antworte ich, „Grace ist ein nettes Mädchen". „Ja, das stimmt". Glücklich schauen wir uns im Sand sitzend das Meer und den Sonnenuntergang an. Es ist wunderschön. „Hast du vielleicht Lust Morgen die Kunst des Surfens zu lernen?", fragt Steve mich grinsend nach einer Weile. „Ja, klar. Was steht Morgen sonst noch an?", frage ich. „Morgen ist für den Rest des Teams erstmal ein freier Tag. Schließlich haben wir die letzten beiden Tage durchgearbeitet, aber wir beide müssen zu dem Gouvenor und ihm von dem Ermittlungen und wie du dich gemacht und eingearbeitet hast berichten. Anschließend haben wir dann noch ein Telefonat mit Leonies Eltern, um ihnen von den Ermittlungen zu berichten. Der Rest des Tages sollte dann aber auch frei sein", erzählt er. „Also haben wir genug Zeit um zu surfen", grinse ich. „Oh ja", antwortet er lächelnd. „Also hole ich dich ab, wir erfüllen unsere Verpflichtungen und dann geht's zum Surfen?", fragt er und ich nicke. Von hinten kommen Chin und Kono zu uns an den Strand. Sie haben uns ein Bier mitgebracht und wir stoßen alle an. Ich muss zugeben, dass ich mich wohl fühle. Die Anwesenheit der Leute, welche um mich herumsitzen, lässt mich entspannen und ich kann wieder vollkommen losgelöst und frei lachen. Steve erzählt gerade eine Geschichte und ich beobachte ihn heimlich. Was ich bis jetzt von diesem Mann kennen lernen durfte ist nahezu perfekt. Er ist eigentlich ein Traummann, wenn ich so drüber nachdenke. Seine Stimme und sein Lachen sind so schön anzuhören. Ich könnte seinen Erzählungen stundenlang folgen. Bevor ich zu verträumt werde, wende ich mich schnell ab und witzle ein bisschen mit Chin rum. Als ich wieder Steve angucke, liegt sein Blick bereits auf mir und ich erwidere ihn. Ein wohliges Gefühl breitet sich in mir aus. Chin und Kono grinsen und nicken sich wissend zu und schnell wende ich meinen Blick ab. Verdammt! Was hat dieser Mann für eine Wirkung auf mich? So eine Wirkung hatte noch nicht einmal anfangs... Nein Emma. Denk nicht an ihn. Zu spät. Ein schmerzhaftes Gefühl breitet sich in mir aus und ich spüre Tränen in mir hochkommen. Erinnerungen kommen wieder hoch. Gedanken daran, was er mir angetan hat. Kono stupst mich an und formt ein wortloses „alles in Ordnung?" mit ihren Lippen und ich schüttle kaum merkbar meinen Kopf. Wo ist denn meine Selbstbeherrschung hin? „Ich geh mal ein bisschen ans Meer", entschuldige ich mich und Kono guckt mich mitleidig an. Ich zeige ihr, dass sie bleiben soll, wo sie ist. Zügig sage ich ihr noch „danke", bevor ich aufstehe und schon fast davon sprinte. Am Meer angekommen stelle ich meine Füße ins Wasser und lasse meine Gedanken mit den Wellen treiben. Langsam rollt mir eine Träne über die Wange. Ich fühle mich so taub. Es ist, als wäre jemand anderes in mir. Als eine zweite Träne sich stumm den Weg nach unten bahnt, bemerke ich, dass sich jemand neben mich stellt. Es ist Steve. Er soll mich nicht weinen sehen, denke ich. Nachher hat er einen komplett falschen und schwachen Eindruck von mir. Schnell wische ich die verdächtig nassen Spuren weg und schluchze im nächsten Moment auf. Er nimmt mich einfach wortlos in seine Arme und drückt mich ganz fest. Er ist einfach da. Ich merke all diese Herzenswärme, Freundlichkeit und Wärme, die er ausstrahlt, und lasse meine Tränen einfach laufen. Alles was sich in der letzten Zeit, eigentlich in den letzten 6 Jahren angestaut hat, bricht jetzt aus mir heraus und ich klammere mich noch mehr haltlos schluchzend an den starken Körper, der mich festhält und mir den Rücken streichelt. Er legt seinen Kopf auf meinem ab und drückt mich einfach. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich einfach in den Sand gesackt. Nach einer Ewigkeit reiße ich mich zusammen. Es kann ja nicht sein, dass ich nach zwei Tagen gleich einen Nervenzusammenbruch erleide. Das mit dem guten Eindruck hinterlassen ist jetzt zu spät. Sonst bin ich doch auch nicht so! Zögernd löse ich mich von Steve und blicke ihn an. „Es ... Entschuldigung!", bringe ich total verzweifelt heraus. „Hey, dass muss dir nicht leid tun. Alles ist gut", antwortet er zärtlich und seine Stimme klingt sehr weich und zutraulich. Er streicht mir eine Strähne, die sich gelöst hat, hinter mein Ohr und seine Hand verweilt dort einen Moment. Ich korrigiere meine Gedanken von eben: Dieser Mann ist perfekt und ich heule erstmal sein Shirt voll. „Sorry wegen deinem Shirt", sage ich und zeige darauf. „Das trocknet wieder", wendet er ein und lächelt verhalten, „geht es dir besser?". Fragend schaut er mir in die Augen. Diese Augen! „Ein bisschen", gebe ich zu. „Ich weiß auch nicht, woher das kommt", gebe ich zu. Nachdenklich schaut er mich an und wir gehen langsam wieder zu den anderen. Steve hat einen Arm um mich gelegt. Wahrscheinlich traut er meinen wackeligen Beinen gerade genauso wenig wie ich. Ich bin gerade sehr dankbar, dass er da ist und fühle mich ihm tief verbunden, obwohl ich ihn noch nicht mal eine halbe Woche kenne. Als wir bei Kono und Chin ankommen, stehen beide auf und umarmen mich so herzlich, dass mir fast wieder die Tränen kommen. „Danke", flüstere ich aufrichtig. „A'ole Pilikia", antwortet Chin und Kono guckt mich halb mitleidig halb liebevoll lächelnd an. Während Chin und Kono wieder ein Gespräch aufnehmen, wofür ich den Beiden mehr als dankbar bin, da mir die Ablenkung von meiner Wenigkeit ganz angenehm ist, schaue ich in die flackernden Flammen des Lagerfeuers, welches Kamekona während Steves und meiner Abwesenheit errichtet hat. Steve sitzt ganz nah neben mir und ich lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Meine Gedanken driften wieder zu dem Mann, wegen dem ich diesen Ausbruch hatte. Ich schüttle meinen Kopf und sehe auf. Nicht jetzt. Es kann nicht sein, dass dieser schreckliche Mensch so einen starken Einfluss auf mich hat. Ich bemerke, dass Steve mich die ganze Zeit beobachtet hat und ich lehne mich mehr an ihn. Ich lächle zerknirscht und sein Blick ruht immer noch auf mir, als ich mich in das Gespräch von Chin und Kono eingliedere. Er gibt mir Sicherheit.

Eine geraume Zeit später, beschließen wir alle, uns auf den Weg nach Hause zu machen. Mittlerweile ist es schon stockdunkel, aber die Finsternis macht mir nichts aus. Wiedermal ist die Navy die Begründung. Ich verabschiede mich warmherzig von Kono und Chin, welche in ihre Wagen steigen und wegfahren. Steve und ich machen uns auf dem Weg zu seinem Wagen. Die Fahrt zu meinem Haus verläuft relativ ruhig. Ich schaue abwesend aus dem Fenster und Steve hängt auch seinen Gedanken nach. Wir klären kurz ab, wann Steve mich abholt und wann wir surfen gehen wollen. Wieder fällt mir auf, wie wohl ich mich bei ihm fühle. Während er den Pickup sicher zu meinem Haus geleitet, beobachte ich ihn ab und zu. Vor meinem Haus angekommen, habe ich das Gefühl noch etwas sagen zu müssen. „Steve? Du hast jetzt wahrscheinlich einen ziemlich schlechten Eindruck von mir. Ich habe mich so wohl bei euch gefühlt und mich seit langem mal wieder entspannt. Irgendwie kam dann meine Vergangenheit hoch und du hast ja gesehen was das für Auswirkungen hatte. Ich weiß auch nicht, wieso ich es nicht stoppen konnte. Ich kann mich da jetzt sowieso nicht mehr raus reden. Deswegen will ich einfach nur danke sagen. Danke, dass du einfach da warst und mich bis jetzt nicht merkbar verurteilt hast. Außerdem danke, dass du keine Fragen stellst", teile ich ihm mit. Wir steigen aus und er umarmt mich nochmal kräftig. „Schlaf gut, Emma". Schon fährt er vom Hof. Nachdenklich lässt er mich zurück. Was war das denn jetzt? Verwirrt ziehe ich mich einfach nur noch um und lasse mich in mein Bett fallen. Weinen ist kräftezerrender als ich mich daran erinnern kann. Die letzten Tränen, die hilflos meine Augen verlassen haben, sind aber auch schon fünf Jahre her.

'A'ohe loa i ka hana a ke aloha - Liebe kennt keine GrenzenWhere stories live. Discover now