Kapitel 15

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Will P.o.V.

Scarlett war hier. Sie war tatsächlich in die Verhandlung gekommen. Ein kleiner Teil in mir freute sich noch immer sie zu sehen, ein anderer Teil in mir wollte aufspringen und laut rufend eine Erklärung fordern. Doch ich blieb ruhig. Ich versuchte das Gefühl der Erleichterung, dass mich unweigerlich überkam auszublenden. Ich war ihr immer noch verfallen.
Als die Beweisaufnahme begann und Scar vereidigt wurde, versuchte ich irgendwie hinter ihren Plan zu kommen. Was sie mit ihrem Auftauchen hier bewirken wollte. Sie hatte sich zumindest stark verkleidet. Mit der blonden Kurzhaarperücke, den biederen hellen Klammotten, der fülligeren Körperform und der falschen Nase war sie kaum wiederzuerkennen. Sie sah einige Male zu mir herüber, aber keine Regung verließ ihr Gesicht. Langsam mischte sich ein unbehagliches Gefühl unter meine Erleichterung.

"Kennen Sie diesen Mann?" fragte der Staatsanwalt, ein Typ der wirklich unsympathischen Sorte. Zögerlich nickte Scar.

"Woher?"

"Wir haben uns eher zufällig in einer Bar kennen gelernt." Ich unterdrückte ein ungläubiges Augen aufreißen und beschloss abzuwarten.

"Haben Sie sich gut verstanden?" Scar errötete etwas. Ich wusste, dass sie schauspielerte, aber hätte ich das nicht gewusst, hätte ich ihr ihre Darbietung zu einhundert Prozent abgenommen. Dabei machte es mir Angst sie so überzeugend in einer anderen Rolle zu sehen. Es war nicht unwahrscheinlich, dass sie auch vor mir eine solche Rolle gespielt hatte.

"Ja... also... ja. Schon." stammelte sie unsicher.

"Dann stimmt es vermutlich auch, dass sie später in dieser Nacht mit dem Angeklagten in sein Motelzimmer gefahren sind." fuhr der Staatsanwalt fort.

So langsam wurde mir die Sache doch etwas suspekt. Was versuchte sie hiermit zu bezwecken?

"Erklären Sie, was dann passiert ist, Miss Walden."

"Der Angeklagte und ich..." Ihre Wangen waren mittlerweile in tiefes rosa getauscht und sie bis knetete ihre Hände unter dem Tisch.

"Also... ich verbrachte die Nacht mit dem Angeklagten und als ich dann am nächsten Morgen aufwachte..." Sie stockte erneut, was ihren Worten mehr Gewicht verlieh.

"Ehm... da fand ich etwas in dem Motelzimmer." Sie schluckte schwer, als würde es ihr schwerfallen, an diesen Moment zurückzudenken.

Das ging gehörig in die falsche Richtung. Ich krallte meine Hände am Stuhl fest und fixierte Megan. Was hatte sie nur vor?

Sogleich zog der Staatsanwalt etwas aus seiner Tasche hervor. Ein Raunen ging durch den Gerichtssaal. Es war eine Plastiktüte in deren Inneren sich eine Pistole befand - Scars Pistole. "Die Zeugin Walden fand eine nicht zugelassenen Handfeuerwaffe sowie -" er unterbrach und zog einen weiteren Plastikbeutel heraus "-eine beachtliche Menge Sprengstoff und Drähte."

Wenn vorher Menschen gemurmelt hatten, so war nun jeder Laut erstorben und eine bedrohliche Ruhe hatte sich über den Raum gelegt. Was tat Scar nur? Wieso tat sie mir das an?

"Was haben Sie dann gemacht?" fragte der Staatsanwalt, nachdem der Richter und die Geschworenen beide Beweisstücke ausgiebig betrachtet hatten. Noch immer starrte ich Scar fassungslos an, doch sie wich meinem Blick konsequent aus.

"Ich habe Angst bekommen und mich im Badezimmer eingeschlossen. Irgendwann habe ich mich heraus getraut und mit dem Telefon die Polizei informiert. Danach bin ich geflohen weil ich so schreckliche Angst hatte. Aber irgendwann wurde mir bewusst, dass ich eine Aussage machen muss."

Fassungslos und völlig entgeistert starrte ich Scar an. Sie hatte gerade mein Urteil unterzeichnet. Sie hatte mich gerade endgültig in den Knast gebracht. Mit ihrer Aussage wurde ich einmal mehr als der Terrorist dargestellt der ich nicht war. Es war ja noch nicht einmal meine Waffe. Ich hatte die Pistole zuvor bei Scarlett im Rucksack gesehen. Und der Sprengstoff stammte auch nicht aus meinem Besitz. Wie konnte sie das tun? Wieso nur?

Mein Herzschlag beschleunigte sich vor Wut und meine Hände begannen zu zittern, obwohl ich sie bereits so fest in den Stuhl gekrallt hatte, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich atmete schwer, hatte das Gefühl mich nicht mehr beherrschen zu können. War etwa alles eine Lüge was sie mir jemals erzählt hatte? Eins war klar. Sie liebte mich nicht. Vermutlich hatte sie das nie getan. Sie war der Grund warum mein Leben gerade den Bach runter ging. Es war ihr wohl komplett egal ob ich im Knast vergammeln würde oder nicht. Es schien ihr vollkommen egal zu sein, dass sie mit dieser Aussage gerade meine komplette Zukunft zerstört hatte! Die Wut ließ das Blut in meinem Gehirn pulsieren, ich konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

"Trinken Sie einen Schluck." flüsterte mein Verteidiger neben mir, dem mein klägerischer Versuch meine Wut und Frustration zu verbergen aufgefallen war und zeigte auf das Wasserglas vor mir. Doch ich war nicht in der Lage irgendetwas zu tun. Ich starrte nur auf die Tischplatte vor mir.

Ich ertrug es nicht, sie länger anzusehen. Der Verrat, der Betrug schien mich zu zerreißen.

Ich realisierte nicht das die Gerichtsverhandlungweiterging und Scar weitere Fragen beantwortete - unter anderem auch von meinem Verteidiger. Die Wut, die Trauer vernebelte mir alle Sinne.
Es war endgültig. Es war vorbei. Ich würde ins Gefängnis gehen- denn die Frau, die ich liebte, hatte mich soeben in den Knast gebracht.

Last IdentityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt