30 - ... und ein königlicher Disput zu sechst

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Dana

Nicht gewillt schon aufzustehen, kuschelte ich mich näher an die Wärmequelle neben mir an. Doch als diese sich bewegte, hatte ich keine andere Wahl, als mich kurz — mit immer noch geschlossenen Augen — aufzurichten und mich ganz auf das warme Etwas draufzulegen. Seltsamerweise umschlang mich daraufhin irgendetwas an der Taille. Es war nicht unangenehm, allerdings verwirrte es mich.
    »Schatz, nicht«, hörte ich auf einmal eine tiefe Stimme, während ich mich herumwälzte, »Bleib liegen.«
    Noch zu sehr in meinem Schlaf gefangen, verstand ich nicht ganz, was mir die Person sagen wollte, deswegen fing ich erneut an mich zu drehen um eine bequeme Position zu finden.
    Ein genervtes Brummen war zu hören und ich lag plötzlich auf dem Rücken. Ein schweres Gewicht drückte auf meine Brust und Bauch. Meine Beine waren irgendwo eingezwängt. Murrend versuchte ich mich zu befreien. Das war unbequem.
    »Dana, hör auf dich zu bewegen. Ich will schlafen«, ertönte erneut diese Stimme.
    Nun öffnete ich meine Augen und erblickte dunkelbraune Haare, die beinahe schwarz wirkten. Nicolas lag auf mir. Mit seinem vollen Gewicht und meine Beine waren offenbar zwischen seinen eingeklemmt.
    Als ich meine Überraschung darüber, dass er immer noch bei mir war, obwohl er sonst stets schon längst weg war, wenn ich aufwachte, abgeschüttelt hatte, fiel mir auf, dass mir das Atmen langsam schwerer fiel. Deswegen drückte ich Nicolas an seinen Schultern von mir. Dieser verstärkte seine Griff um mich jedoch, anstatt von mir abzulassen.
    »Schlaf weiter, Schatz«, wies er mich schlaftrunken an.
    Doch ich hörte nicht auf ihn und strampelte stetig weiter. Er musste mich schließlich irgendwann loslassen, wenn es ihm zu schwer fiel mich festzuhalten.
    »Dana!«, rief er plötzlich und ich zuckte aufgrund der lauten Stimme zusammen.
    Er richtete sich auf, sodass er über mir thronte und besah mich mit einem müden Blick aus zusammengekniffenen Augen, der seinen Ärger zum Ausdruck bringen sollte, mich jedoch bloß an Richard, den kleinen Kater, erinnerte. Denn dieser Kniff seine kleinen, eisblauen Äuglein ebenso zusammen, wenn er verbissen versuchte auf etwas hinaufzuspringen, das noch zu groß für ihn war.
    »Schatz, kannst du nicht einfach still liegen bleiben. Nur noch eine Weile, dann muss ich sowieso aufstehen.« Bittend sahen mich diese kristallklaren blauen Augen an. Strähnen seines wirren, ungekämmten Haares hing ihm ins Gesicht und ich fragte mich, ob er sich die langen Strähnen noch vor dem Ball kürzen lassen würde.
    Sein flehender Blick erweichte mich beinahe, doch ich wusste, dass eine Verspätung zum Frühstück beziehungsweise Mittagessen — schließlich wusste ich nicht wie spät es war — ein gefundenes Fressen für die Lästereien der Königin sein würde. Außerdem musste ich noch den Brief zu Ende schreiben und ihr ihn vor den Festlichkeiten überbringen lassen. Deswegen musste ich nun aufstehen und mich so schnell wie möglich zurecht machen. Ich wusste schließlich nicht einmal, wann der Ball beginnen würde und wann die luyeliesche Königsfamilie eintreffen würde.
    Wegen diesen fehlenden Informationen brach bei mir auf einmal der Schweiß aus und ich schüttelte nur wie wild den Kopf, während ich mich abmühte aus Bett zu steigen. Doch Nicolas ließ mich nicht gehen. Als er meine plötzliche Unruhe bemerkte, hielt er mich bloß noch fester in sieben Griff gefangen und ich war kurz davor ihn ins Gesicht zu schlagen um mich zu befreien.
    »Schatz, was ist denn los?«, wollte er besorgt wissen.
    Verzweifelt wand ich mich in seinen Armen. Ich musste mich beeilen, was wenn die Königsfamilie von Luyelie in weniger als einer Stunde eintraf. Die Königin würde mich erhängen lassen.
    »Dana, ich werde dich erst loslassen, wenn ich weiß, weshalb du so aufgebracht bist«, meinte Nicolas mit einem Mal hellwach.
    Seufzend hörte ich auf mich unter ihm zu winden. Wie sollte ich ihm nun die gewünschte Antwort übermitteln?
    Fragend sah ich ihn an.
    »Schreib es auf«, fiel ihm nur ein und er ließ mich los, damit ich mir auf dem Schreibtisch Papier und Stift nehmen konnte.
    In Eile schrieb ich bloß einige Stichworte hin, die ihm jedoch genügend Informationen geben würden um sich den Grund für mein Benehmen zu erklären.
    Ich hielt ihm das Stück Papier hin und er überflog die einzelnen Wörter.
    »Königin, Ball, Ankunft der Königsfamilie«, las er langsam und mit deutlicher Verwirrung, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete.
    Mit gerunzelter Stirn hob er anschließend den Blick und betrachtete mich sekundenlang. Ich hingegen zappelte in meinem Nachtgewand unwohl unter seinem Blick herum und mir wurde noch mulmiger zumute als mir einfiel, dass die Königin bestimmt schon wartete. Oder noch schlimmer: Dass die luyeliesche Königsfamilie bereits eingetroffen war!
    Als ich schon im Begriff war einfach davonzustürzen und gar nicht mehr Nicolas Antwort abzuwarten, sprach er plötzlich leise: »Hab ich dir gar nicht erzählt, dass König Micah und Prinzessin Adrienne bereits mit mir gestern eingetroffen sind? Und dass der Ball um eine Woche verschoben wird, weil wir noch einige Gäste warten müssen?«
    Jene Worte nahmen mir jeglichen Wind aus den Segeln. Ich stand da. Mit wahrscheinlich vor Schock weit geöffneten Mund und Augen so groß wie Untertassen. Das konnte doch nicht wahr sein. Und das sagte er mir erst jetzt?!
    Wütend, dass er mir so eine wichtige Mitteilung vergessen hatte mir mitzuteilen, verschränkte ich die Arme vor der Brust und sah ihn vernichtend an. Zumindest war das meine Absicht, doch anstatt schuldbewusst auf seine Hände zu schauen, unterdrückte er vergeblich ein Grinsen.
    »Schatz«, begann er, doch mein Blick verfinsterte sich zusehends und er korrigierte sich, »Dana.« Wenigstens besaß er den Anstand mich fragend anzusehen, ob ich nun zufrieden war. Ich nickte und nachdem er sich aus dem Bett erhoben und mir seine Hände auf meine Oberarme legte um mich milde zu stimmen, er fuhr fort. »Dana, wir hatten gestern so einen schönen gemeinsamen Abend. Du kannst mir nicht verdenken, dass ich in deiner Gegenwart nicht an jemand anderen gedacht habe. Ich habe Adrienne und den König und all die anderen unbedeutenden Dinge nun mal vergessen. Denn als ich bei dir war, konnte ich nur noch an dich denken. Weil du das einzig Wichtige für mich bist.«
    Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich nah am Wasser gebaut worden war oder dass Nicolas Ansprache tatsächlich so rührend war, doch ich spürte wie mir die Tränen in die Augen schossen.
    Zärtlich nahm mich mein Gefährte in die Arme. »Ist ja gut, mein Schatz, ganz ruhig«, murmelte er, während er mich sanft hin und her wiegte.
    Nachdem wir eine Weile so verharrt hatten, merkte ich wie ich langsam meine Fassung zurückerlangte. Nicolas blieb dies ebenfalls nicht verborgen und er drückte mir noch einen letzten Kuss auf den Scheitel, ehe er mich aus seinen Armen entließ.
    »Ach ja, bevor ich es vergesse«, wandte er nun ein, »Das mit dem böse gucken müssen wir noch einmal üben, bevor wir unser erstes Kind bekommen.« Frech grinsend zwinkerte er mir zu.
    Beleidigt wollte ich ihn auf das Bett schubsen, doch statt einfach nur hinzufallen, packte Nicolas meine Handgelenke und zog mich mit. Quiekend fiel ich auf seine Brust, während diese vor Lachen vibrierte. Und obwohl ich eigentlich auf ihn sauer sein sollte, musste ich kurz darauf ebenfalls lachen.

Die stumme Prinzessin (alte Version)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt