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"Wer wird uns denn heute mit einer Tafelaufgabe beglücken?"
Unsere Lehrerin sah in die Runde und dann in das Klassenbuch. Sie fuhr mit dem Finger, an der Namensliste auf und ab und stoppte zufällig irgendwo. "Mister Rodriguez kommen Sie bitte an die Tafel."

"Das können sie aber sowas von vergessen" erwiderte Dieser.
Jason war ein Arsch. Der Badboy schlechthin. Es war eigentlich ein Wunder das er überhaupt in dem Klassenzimmer saß. Meistens waren er uns seine Kumpels im dritten Block immer in den Toiletten rauchen. Die Mädchen himmelten ihn an, auch wenn er sie alle schlecht behandelte.

Seine Noten waren aber gar nicht so schlecht, wie man annehmen könnte. Leider schien ihm Schule sehr leicht zu fallen, sodass sein Verhalten nur allen anderen schadete, ihm selbst aber nicht. Auch mir fällt die Schule, zum Glück, sehr leicht sonst würde diese Geschichte vielleicht anders verlaufen.

Frau Pfau wähle einen neuen Namen von ihrer Liste. Meinen. So ein Dreck.
"Miller.. äh... " Sie sah sich im Raum um und wieder auf den Namen. Man sah ihr an, das sie keine Ahnung hatte welches Gesicht zu dem Namen gehörte. "Äh.. Fräulein Miller, würden sie bitte an die Tafel kommen?"
Um die Peinlichkeit nicht zu wissen, zu wem dieser Name gehörte, zu überspielen blickte sie einfach an die Tafel.

Ich erhob mich und trat vor. Erwartungsvoll sah ich Frau Pfau an, welche mir verblüfft eine Stück Kreide reichte. Diese Frau hatte mich scheinbar noch nie in diesem Klassenzimmer wahr genommen. Heimlich lächelnd verschwand ich hinter der Tafel und löste die Gleichung, wobei ich extra langsam schrieb, damit nicht auffiel, dass es eine Kleinigkeit für mich war. Nicht auffallen, das war meine Taktik zu überleben.

Nach fünf Minuten, in denen die Anderen die gleiche Aufgabe auf Papier lösen sollten, signalisierte ich, dass ich fertig war. Die Meisten hatten nicht mal angefangen und die, die es versucht hatten, waren nur zu einem Teil fertig. Aber noch länger zu warten würde an meinem Stolz kratzen.

Einen kleinen Fehler hatte ich eingebaut und ich bekam eine 2. Mein Plan bestand darin einen guten Mischmasch an Einsen, Zweien und Dreien zu schreiben, bei dem ich am Ende noch eine 1 auf dem Zeugnis hatte. Die letzten 3 Schuljahre hatte das super funktioniert erst nächstes Schuljahr würde es Problematisch werden. Denn ob 15 oder 13 Punkte machte für mich einen Unterschied.
Ich war jetzt 15 und in der 10. Klasse des Gymnasiums. Noch 2 weitere Jahre und ich wäre fertig. Aber was heißt schon fertig. Auch nur das man dann eine Ausbildung beginnen oder Studieren müsste. Aber gut. Auch diese Zeit würde ich überstehen.

Ich setzte mich wieder und verschwand somit sichtbar aus dem Gedächtnis aller Anwesenden. Wie man es schaffte unsichtbar zu sein? Einfach überdurchschnittlich normal sein. Nicht zu gut, nicht zu schlecht. Nicht zu hübsch, nicht zu hässlich. Einfacher nicht beachtenswerter Durchschnitt.

Die restliche Stunde verging wie im Flug, ich war wieder unsichtbar und konnte über andere Dinge nachdenken. Meine Smartwatch zeigte eine Nachricht von Tobi. Es gab etwas zu tun heute Nacht und ich sollte mich vorbereiten. Vorbereiten hieß für mich, meine Kleidung zu wechseln, mich zu schminken und meine Frisur zu ändern. Schon würde mich niemand wiedererkennen.

Aber erstmal gab es noch eine Doppelstunde Sport zu bewältigen. In der Umkleide schlüpfte ich in meine lange Sportkleidung und schlich mich dann in die Halle. Es war wichtig das ich die Letzte war, das ich alleine war in der Umkleide, dass niemand meinen Körper sah.

Erwärmung, Spiel, Hochsprung. Da unsere Lehrerin krank war hatten wir mit den Jungs zusammen Sport. Ätzende Sache. Ich könnte sie alle in Grund und Boden stampfen, aber nein. Ich verhielt mich brav, verweigerte beim Hochsprung höher als 1,16 für ne 2 zu springen und tat so als hätte ich Angst mich zu verletzen. Ja, weil ich auch voll klein und zerbrechlich war. Jeder durfte gehen, nachdem er seine Note bekommen hatte. Ich trödelte jedoch und wartete bis alle raus waren. Die letzten hatten getestet wie hoch sie kamen, ich legte die Latte noch ein Stück höher und sprang.

Es war wie fliegen und ich hatte keine Probleme. Noch 2 Mal sprang ich jeweils 5 cm höher, denn es war berauschend seine Grenzen zu testen ohne sich zurück zu halten. Ich stoppte als ich Geräusche von der Eingangstür hörte wo die nächste Klasse schon darauf wartete in die Turnhalle gelassen zu werden, ich musste mich sputen.

"Hey! Miller? richtig?" Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte mich um.
Es war einer von Jasons Jungs, mit einer Jacke in der Hand, die er wohl in der Halle vergessen hatte. Er hatte breite muskulöse Schultern, kurze hellbraune Locken und wahnsinnig schöne, hellbraune Augen. Die Art in der man sich verlieren konnte.
"Ja, ich hatte nur meine Flasche vergessen." Ich zeigte auf die Wasserflasche, die an der Wand stand und tat wie ein kleines Unschuldslamm.

Hatte ich etwas zu befürchten? Mehr als das alle erfahren das ich doch besser in Hochsprung war, konnte doch nicht passieren, oder?
"Und dafür musst du erst noch... 1,40 hoch springen? Da war noch ganz schön viel Platz. Ich denk die 1,50 schaffst du locker auch noch." Er musterte mich, ich fühlte wie er versuchte die Muskeln unter meiner weiten Kleidung zu erkennen und dann seinen Blick zurück in mein Gesicht wandern ließ. Es war mir unangenehm in meiner 'normalen' Gestalt beobachtet zu werden und drehte mich leicht weg. Hier war ich doch nur Lia, Lia die durchschnittliche graue Maus.

"Hey, hey. Du brauchst dich doch jetzt nicht vor mir verstecken." Er kam einige Schritte auf mich zu.
Ich wich drei Schritte zurück, bis ich die Wand in meinem Rücken spürte.

"Keine Angst Babe, ich will dich doch nur mal ansehen." Er hob mein Kinn an und sah mir in die Augen. Reflexartig wollte ich ihn zu Boden werfen, doch ich konnte mich gerade so zurückhalten. Seit Jahren hatte ich mich nicht mehr so verletzlich gefühlt. Es hatte auch nie jemand Lia bedroht, sondern immer nur Shad, meine andere Seite, mein zweites Leben.

"Lass mich los." Ich zappelte ein wenig herum und versuchte mich halbherzig aus seinem Griff zu winden.
"Warum sollte ich" hauchte er in mein Ohr und kam noch ein Stück näher. "Wie heißt du kleine Maus?"
"Miller..." Es wurde Zeit andere Waffen zu ziehen. Auf Kommando zu heulen hatte ich zwar schon lange nicht mehr versucht, aber es funktionierte. Die ersten Tränen liefen mir schnell über meine Wange.

"Nicht weinen." Er machte einen Schritt zurück und sah mich erschrocken an. "Warte, dein Vorname! Wie ist der?" rief er mir noch hinterher, doch ich hatte schon die Tür zur Umkleide geschlossen. Mann... was ist blos mit mir los...

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Hey ihr Lieben!
Nach über einem halben Jahr meld ich mich auch mal wieder mit einer neuen Geschichte. Ich bin motiviert, ich habe Ideen und ich hoffe ihr unterstütz mich in der Umsetzungen. Ideen sind natürlich immer gerne gesehen!

Edit: wegen Rechtschreibung

White ShadowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt