Bücherstaub

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Die Tür fällt mit einem lauten Krachen zu, wovon ich erschrecke. Ich schaue auf und kann nur die Augen verdrehen, als ich sein unschuldiges Schulterzucken sehe.

Er hält ein Tablett mit Keksen und Tee in den Händen, dass er mit einem Stapel weiterer Bücher jongliert. Ich schaue ihm eine Weile wenig begeistert dabei zu, bevor ich das Interesse an ihm verliere und erneut auf mein Notizbuch herunterschaue, dass inzwischen nicht wenig voll ist.

»Also, Kleine, ich finde, du kannst dich jetzt mal eine Weile zurücklehnen und entspannen«, sagt er und stellt das Tablett auf meine herausgenommenen Schriftrollen, Bücher und vollbeschriebenen Zettel, sodass ich nichts mehr davon erkennen kann. »Zeit für eine Pause.«

Ich sehe zu ihm auf, verenge meine Augen und kneife die Lippen zusammen. »Ich kenne über ein dutzend verschiedener Varianten von Kampfsportarten«, sage ich dann.

Er hebt eine Augenbraue. »Und?«

»Nenn mich nie wieder Kleine, du Penner«, erwidere ich mit drohender Stimme. »Ich bin keines dieser kleinen schickimicki Häschen.«

Fionn sieht zuerst überrascht aus, dann tritt jedoch ein amüsiertes Schmunzeln in seine Mundwinkel. Er nickt, als würde er meine Wort aufnehmen und akzeptieren, dann nimmt er das Tablett erneut zu sich und stellt es etwas abseits beiseite, als hätte er begriffen, dass ich alleine entscheide, was ich wann tue.

»Mal eine Frage ganz nebenbei«, sagt er dann, ganz unbefangen. Sein Plauderton geht mir jetzt schon auf die Nerven, denn er klingt für mich einen Ticken zu vertraut. Mir missfällt der Gedanke, dass wir einander auf freundschaftlicher Basis gegenübertreten.

»Was sagen eigentlich deine Eltern dazu, dass du hier bist?«

»Ich bin einundzwanzig und meine Eltern müssen nicht alles wissen, was ich mache«, erwidere ich und hoffe, dass es angemessen angepisst klingt, damit er mich wieder in Ruhe weiterarbeiten lässt.

Ich wünschte, er würde gehen. Ich kann mich nicht konzentrieren wenn so ein Dummschwätzer hier rumsitzt und einen dämlichen Spruch nach dem anderen klopft.

Er pfeift in einem nervigen Singsang durch seine halbgeschlossnen Lippen, dann stellt er seine Füsse auf die Lehne eines Stuhles gleich vor ihm und scheint es sich auf seinem eigenen so richtig bequem zu machen. »Das heisst dann wohl, dass wenigstens deine Mutter so richtig ausrastet... Na, das hört man doch gerne.«

Ich seufze und lasse den Schreiber fallen, sehe ihn ergeben an. »Was. Willst. Du. Mckenzie?«, frage ich ihn, weil ich will, dass er so bald wie möglich wieder verschwindet und offenbar gelingt mir das nur, indem ich mich wenigstens für einen kurzem Moment mit ihm unterhalte.

»Was konntest du bereits herausfinden?«, will er mit einem Lächeln wissen, dass mir zu verraten scheint, ich solle mir keine allzu grossen Hoffnungen machen.

Und leider hat er Recht, denn egal wie viele geschichtlichen, unfassbaren Fakten hier drin auch vergraben sein mögen, die wirklich geheim bleiben sollten. So lange kann ich auch noch nach der Wahrheit um Freya Sinclair, ihrem Geliebten und das mysteriöse Baby suchen von vor 200 Jahren, denn entweder hat er mich belogen und dass was ich gesehen habe, habe ich falsch verstanden oder man hat wirklich alles daran gesetzt, dass niemand jemals davon erfährt.

»Nichts«, erwidere ich also ganz ruhig, weil wir die Antwort darauf beide bereits kennen. »Ich habe auch eine Frage an dich, da du ja offensichtlich mehr über meine Familie zu wissen glaubst, als ich: Hat die verbotene Tat von Freya Sinclair, die wir seit Generationen zu kitten versuchen, auch nur im entferntesten etwas damit zu tun, dass sie ihre Familie und Zeitreisegesellschaft verraten hat?«

Fionn antwortet nicht gleich, kneift die Lippen zusammen, denkt einen Moment gut darüber nach, bevor er den Mund aufmacht.

Und da fällt mir zum ersten Mal auf, dass er einer der wenigen Menschen ist, die ich kenne, die so etwas tun. Sie überlegen sich, wie sie etwas sagen, bevor sie es sagen.

Ich bin mir sicher, dass er nicht über die Wahrheit, noch über die Klarheit seiner Antwort nachdenkt, noch was diese zu bedeuten hat... Viel mehr vermute ich, überlegt er sich ganz genau, wie er sie einem anderen Menschen vermittelt, um grösstmöglichen Schaden zu verhindern. Das ist eine bewundernswerte, sehr einfühlsame Eigenschaft, die von Menschenkenntnis und Erfahrung zeugt.

»Doch schon, aber nicht so wie du denkst. Freya passierten diese Dinge aufgrund einer sehr selbstlosen Tat und nicht aufgrund von Egoismus und Verliebtheit, so wie deine Familie es immer glaubte. Sie wollte auch keine Macht erlangen, oder Unsterblichkeit, wie es einige weitererzählten. Es ging immer nur um dieses Kind«, erklärt er mir.

Noch immer bin ich verwirrt. »Was? Aber wieso?«

»Es ist nicht einfach nur ein Kind, Emma. Es ist nicht einfach nur der Erbe von Frankreich, Schottland und England gewesen, verstehst du? Sie hätte vieles zum Guten wenden können, viele Kriege verhindern, viele Nationen vereinen können. Es gab Menschen damals, die auf dieses Kind gebaut haben. Und sie war eine Zeitreisende gewesen«, sagt er dann, »sie hatte grosse Macht und deine Vorfahrin fühlte sich verpflichtet, diese Baby zu beschützen, es zu retten.«

»Eine Zeitreisende«, wiederhole ich ehrfürchtig und kann es kaum glauben.

Shadow of Past - Band IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt