why can't you hold me in the street

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◇ ◇ ◇ p e r r i e ◇ ◇ ◇ 2 3 . 1 0 . 2 0 1 5

Stumm starrte ich auf den Zettel, welcher vor mir auf dem Tisch lag. Es war schon spät am Abend, die Sonne würde gleich untergehen und London in goldenes Licht tauchen. Ausnahmsweise herrschte hier nämlich einmal kein Dauerregen, ausnahmsweise, wo meine Laune doch so gar nicht zu dem strahlenden Sonnenschein passte, der mich die ganze Zeit verfolgt hatte.

Gerade hatte ich mich zum Beispiel in Raum eingeschlossen, dem Schaltpult und den Instrumenten nach zu urteilen ein Tonstudio, und knabberte an einem Stift. Eigentlich sollte sich dieses Blatt vor mir schon mit Zeilen füllen, Refrain und Strophen, die sich aneinander reihten. Eigentlich.

Denn auch heute schien mich meine Muse gründlich verlassen zu haben.

Seit Monaten hatte ich keinen vernünftigen Satz mehr zustande gebracht und ich wusste nicht, wie das funktionieren sollte, wenn ich in eine Band sang. In einigen Monaten wollten wir unser neues Album auf den Markt bringen, sowie einige Musikvideos nachträglich drehen. 'Black Magic' war ja bereits erschienen und es war ein voller Erfolg gewesen, wie ich stolz festgestellt hatte.

Doch leider würde das Album nichts werden, wenn niemand von uns vieren ein ordentliches Lied schreiben konnte.

Wir hätten unser Album fremdschreiben lassen können, doch das wollte keiner von uns und wir hatten und schon im Vorfeld heftig dagegen gewehrt.

Jetzt hatten wir den Salat.

Genervt schmiss ich den Kulli auf den Tisch vor mir und verschränkte die Arme vor meiner Brust. Die Haare hingen mir strähnig ins Gesicht, ich sollte mich dringend einmal hinlegen und unter die Dusche springen. Tatsächlich kam es mir so vor, als würde ich schon seit Tagen in diesem Gebäude festsitzen, dabei war es gerade einmal heute morgen gewesen, als ich in diesen Raum gestürmt war.

Nachdenklich blickte ich aus dem Fenster. Man merkte deutlich, dass der Herbst sich über London ausgebreitet hatte. Der Sommer war vollends verschwunden und die Leute wickelten sich zusehends fester in ihre Schäle und in London herrschte noch schlechteres Wetter als in der Antarktis. Zumindest schien es genauso kalt zu sein, wie dort.

Ich schaltete mein Handy an, dass ich zuvor auf lautlos gestellt hatte und stellte erschrocken fest, dass es bald schon 19 Uhr abends sein würde. Ich sehnte mich nach einem Bett, doch ich hatte mir fest vorgenommen, zumindest ein Lied oder einige Zeilen zu verfassen. Bis jetzt standen allerdings nur Ideen darauf, die ich eigentlich allesamt in die Tonne kloppen konnte. Daraus konnte man keinen Song schreiben.

Meine Freundinnen hatten mir geraten, ein Lied über meine persönlichen Gedanken zu schreiben, doch mein Leben erinnerte momentan wohl eher an einen einzigen Scheiterhaufen und Songs über unsere Freundschaft innerhalb der Band hatten wir schon zu genüge.

Statt mir also weiter den Kopf über 'falsch und richtig' und 'oben und unten' zu zerbrechen, scrollte ich nun durch meine Kontakte und überlegte, wen ich anrufen und von meiner misslichen Lage berichten konnte.

In letzter Zeit hatte ich viele dieser Gespräche geführt. Statt mich zu verschließen, suchte ich einfach jemanden, mit dem ich sprechen konnte, bei dem ich alles von meiner Seele reden konnte. Sei es nun eine wichtige Sache oder minder wichtige Kleinigkeiten. Ich merkte, dass es half und irgendwie war es wie eine Art Therapie, die ich mir verordnete.

Denn eine Mauer um sich bauen, das hatte noch niemandem geholfen.

Als ich Sophias Namen auf meinem Display erscheinen sah, da zögerte ich keine Sekunde und nahm das Gespräch an. ,,So ein Zufall", lachte ich, ,,Ich hatte gerade auch überlegt, dich anzurufen.

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