#9 || Puppenspieler

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Wachsam lasse ich meinen Blick über die Umgebung schweifen, während ich auf dem Ast eines Baumes stehe. Inzwischen ist es tiefe Nacht, dunkle Schatten liegen zwischen den Gewächsen des Waldes und das dichte Blattwerk schirmt auch das Licht von Mond und Sternen ab, was die Gegend noch finsterer macht.
Es ist still.
Lediglich das leise Knistern des kleinen Lagerfeuers unter mir sowie das sachte Rascheln der Blätter, wann immer ein wenig Wind aufkommt, sind zu hören und werden hin und wieder durch kaum zu vernehmendes Klicken ergänzt. Ich werfe einen Blick nach unten und beobachte einen Moment lang Kitty, die neben dem Lagerfeuer sitzt und an einer Marionette vor sich arbeitet. Die Puppenspielerin scheint die Scharniere und Waffen zu überprüfen. Konzentriert sind ihre Lippen aufeinandergepresst und ihre Augenbrauen etwas zusammengezogen. Der Ausdruck ihrer dunklen, braunen Augen ist ruhig während ihre Finger geübt die feinen Mechanismen der Puppe prüfen und nachjustieren.
Ich seufze leise als das Bild von Sasori in meinem Kopf erscheint, wie er konzentriert an seiner Werkbank steht und seine Arbeit tut, und ich frage mich automatisch, ob es wohl irgendwann aufhören wird so weh zu tun, wann immer ich an ihn denke.
Lautlos lasse ich mich von dem Baum nach unten fallen und lande neben dem Mädchen, welches noch immer völlig vertieft ist.
"Du solltest schlafen. Es ist spät.", lasse ich sie wissen und abwesend nickt Kitty.
"Gleich..."
Ich lege den Kopf leicht schief, betrachte die Puppe vor ihr. Sie hat große Ähnlichkeit mit einer erwachsenen Frau. Das Material ist aus dunklem Holz, lange schwarze Haare fallen in leichten Wellen über ihre Schultern und braune Augen starren leer und ausdruckslos in die Ferne. Ihre Glieder sind zart und gut verarbeitet. Besser als manch andere Marionetten, die ich bisher bei einigen meiner vorherigen Puppenmeistern zu Gesicht bekommen habe. Ihr Anblick gefällt mir.
"Sie ist schön.", flüstere ich ruhig und nun hebt Kitty den Blick, um mich anzusehen.
Ein breites Lächeln liegt auf ihren Lippen und ihre Augen funkeln fröhlich.
"Die Schönste, die ich je gemacht habe.", lässt sie mich stolz wissen bevor sie sich wieder an die Arbeit macht.
"Suki hier war meine erste Marionette. Ich investiere viel Zeit und Mühe, um sie immer weiter zu verbessern. Mit ihr kämpfe ich am liebsten.", erklärt Kitty noch immer lächelnd und ich nicke knapp auch, wenn sie es nicht sehen kann.
"Wie viele hast du gefertigt?", will ich wissen.
"Dreiundzwanzig aber ich baue meine Sammlung weiter aus. Es ist nur nicht so einfach in Ruhe zu arbeiten, wenn man ständig irgendwelche Missionen bekommt. Doch ich brauche das Geld für die Materialien und außerdem die Erfahrungen, die mir jeder Kampf liefert. Nur mit genug Erfahrung kann ich irgendwann absolut perfekte Marionetten herstellen."
"Verstehe."

Perfektion ist also ihr Ziel.
So wie auch Sasori immer weiter gearbeitet, immer mehr Wissen gesammelt und seine Sammlung weiter ausgebaut hat, um irgendwann Vollkommenheit zu erreichen.

Wahre Kunst, ewige Schönheit.
Ich frage mich, ob sie sich doch ein wenig mehr ähneln, als ich anfangs dachte.
Kopfschüttelnd verdränge ich diesen Gedanken, wende mich von dem Mädchen ab.

Sie ist nicht wie er.
Sie wird nie wie er sein.

《》

"Kitty, wach auf."
Leise murmelnd vergräbt das Mädchen ihr Gesicht in ihren Armen während sie auch die Beine näher an ihren Körper zieht. Die Sonne geht bereits über uns auf, die warmen Strahlen mogeln sich hier und da an den Blättern der Bäume vorbei und das leise Zwitschern der Vögel verdrängt die Stille der Nacht.
"Kitty, wir sollten weiter.", spreche ich die Rothaarige erneut an, die sich laut seufzend schwungvoll von der Seite auf den Rücken rollt.
"Ich bin so müde...", flüstert sie leise und legt einen Arm über ihre Augen.
"Dann hättest du auf mich hören und früher schlafen gehen sollen. Komm jetzt. Ich kann nicht ewig auf dich warten."
Erneut murmelt sie irgendetwas, was ich jedoch nicht verstehen kann, bevor sie sich aufsetzt und mich prüfend betrachtet.
"Was ist?", will ich von ihr wissen und das Mädchen zuckt kurz mit den Schultern.
"Du sagtest dein Meister war sehr ungeduldig aber selbst bist du kein bisschen besser, Rabiya."
Ich nicke langsam und bedächtig.
"Ich weiß. Scheint so als würde ich mich vor allem in letzter Zeit ein wenig verhalten wie er.", gebe ich zu.
Es ist wahr...
Ich verstehe es nicht, doch diese unerträgliche Ungeduld in meinem Inneren genau wie die Bilder, die ich vor allem in Suna-Gakure gesehen habe, gehören nicht zu mir. Zumindest nicht wirklich zu mir.
Vielmehr scheint es so, als wäre ein Stück von Sasori in meinem Unterbewusstsein, welches in manchen Situationen Empfindungen oder Einstellungen mancher Dinge gegenüber beeinflusst.
Es ist merkwürdig und dennoch fühle ich mich so weiterhin mit ihm verbunden.

Wir setzen unsere Reise fort und für ungefähr 2 Stunden ist Kitty still neben mir. Vielleicht liegt es an ihrer Müdigkeit, doch sie scheint sehr ruhig und in sich gekehrt zu sein.
Es stört mich nicht, im Gegenteil. Ich empfinde es als äußerst angenehm, dass sie mich nicht mit Fragen löchert oder weitere Annahmen über meine Beweggründe stellt.
Dennoch ist es merkwürdig, dass sie nichts sagt, und nach einer weiteren Stunde seufze ich leise.

"Was ist los?", frage ich ruhig und durchbreche so das Schweigen.
"Nichts."
"Du weißt, dass du ein miserabler Lügner bist."
"Ja."
Erneut breitet sich Stille zwischen uns aus bevor Kitty sich leise räuspert.
"Es ist nur...", beginnt sie und richtet ihren Blick nachdenklich nach oben.
Ich gebe ihr einen Moment Zeit ihre Worte zu wählen auch, wenn ich es hasse darauf warten zu müssen.
"Weißt du, Rabiya. Es ist total bescheuert aber ich frage mich, weshalb dein Meister einen solchen Einfluss auf dich gehabt haben kann, um dich zu verändern. Emotional gesehen."
Ich sehe sie von der Seite an, ziehe meine Augenbrauen ein wenig zusammen.
Was redet sie da?
Worauf will das Mädchen hinaus?
Kitty vermeidet es mich anzusehen, richtet ihren Blick nach vorne auf den Weg.
"Puppenspieler erschaffen Marionetten nach ihrem persönlichen Ideal. Sie rüsten sie mit allem möglichen aus, kontrollieren ihre Bewegungen im Kampf. Du hast gesagt, dass du schon vor der Begegnung mit deinem letzten Meister gelebt hast und das ist schon wirklich ein absolutes Mysterium für mich. Aber dieser eine Mann hat dich fühlen lassen. Nichts für ungut aber ich frage mich, wie man eine quasi emotionslose Marionette dermaßen verändern kann und wie es dazu gekommen ist, dass du auch Charaktereigenschaften deines Meisters übernommen hast. Mir fällt keine plausible Erklärung dafür ein. Keine einzige."
Nun...
Sie hat Recht. Auch ich habe keine Erklärung dafür. Ich weiß nur, dass Sasori es geschafft hat.
Dass er und alles was ihn betrifft mir näher geht als ich es je für möglich gehalten hätte.
Selbst nach seinem Tod fühle ich ihn. Er ist ein Teil von mir.

Ich hätte niemals ein leeres, verlassenes Haus betreten und mich den Räumen darin so verbunden gefühlt.
Ich hätte niemals Tränen vergossen vor einem kalten Stein auf dem ein Name steht.
Ich hätte niemals ungeduldig mit dem Fuß gewippt und die Sekunden gezählt, bis Kitty endlich wach ist und wir die Reise fortsetzen können.

Ich nicht.

Es war viel mehr Sasori's Sehnsucht nach seinem Zuhause.
Es war Sasori's Trauer um seine Großmutter.
Es war Sasori's Ungeduld und seine Eigenschaft es zu hassen warten zu müssen.

Ich weiß nicht, wieso er noch immer diese Wirkung auf mich hat und erst Recht nicht, wieso ich mich seit seinem Tod noch viel mehr mit ihm verbunden fühle.

Vielleicht kann Kitty dieses Rätsel lösen, wenn sie mich untersucht...
Ich schiebe diesen Gedanken beiseite, da er mir immernoch missfällt, und atme tief durch.

"Ich habe keine Ahnung. Ich habe Jahrzehnte damit verbracht mit verschiedenen Meistern zu kämpfen. Männer und Frauen haben mich kontrolliert, Entscheidungen für mich getroffen und ich habe immer gehorcht. Ich bin eine Marionette und es ist meine Aufgabe, den Befehlen meines Meisters Folge zu leisten. Aber dieser Mann..."
Ich mache eine kurze Pause, erinnere mich zurück an den Moment, als er mich gefunden hat. Erinnere mich daran, wie er mich repariert und stundenlang auf mich eingeredet hat. Wie er mich untersucht und es geschafft hat, dass die Berührung seiner Finger in mir ein Gefühl ausgelöst haben.

"Ich weiß nicht wieso, aber er war anders als alle vor ihm. Ich wollte ihn beschützen, mehr als irgendjemand anderen."

"Ich bin Sasori vom roten Sand. Ich brauche keinen Schutz."

Seine Worte hallen durch meinen Kopf und ich erinnere mich nur zu gut an den strengen Ausdruck in seinen rehbraunen Augen.

"Sasori hat es geschafft, dass ich fühle und dass ich mich in ihn verliebe."

Kitty neben mir bleibt aprubt stehen und ich tue es ihr gleich, wende mich ihr fragend zu. Große braune Augen starren mich schon fast schockiert an während sie den Mund öffnet und eine Hand ein wenig anhebt.

"Moment. Sasori? So wie: Sasori vom roten Sand? Ernsthaft? Er war dein Meister?"

Püppchen, Püppchen - Die Rache [Wird überarbeitet]Where stories live. Discover now