#2 || Das Dorf in der Wüste

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Großmutter...

Sie ist die erste, die ich holen werde. Ich werde mich rächen und zwar nicht nur für Sasori's Tod, sondern auch für den Schmerz in seiner Kindheit.

Er hat mir davon erzählt. Von dem Verschwinden seiner Eltern und den Lügen der Mutter seines Vaters. Er hat mir berichtet von seinem Leid und all seinen Qualen. Es wird Zeit, dass die alte Frau das alles zurück bekommt.
Jedes Wort, mit dem sie ihn verletzt hat...
Jede Silbe, die sein Herz zerrissen hat...
Sie wird leiden. Ich werde höchstselbst dafür sorgen, dass sie es tut.

Großmutter...
Doch wer ist sie genau? Wo kann ich sie finden?
Ich weiß es nicht. Noch nicht.
Mein Meister stammt aus Suna-Gakure, dem Dorf versteckt im Sand mitten im Windreich.
Ob ich sie wohl dort finde?
Vielleicht. Aber selbst wenn nicht kann mir dort bestimmt jemand sagen, wo sie hingezogen ist. Oder es gibt Aufzeichnungen über ihren Verbleib.
Einen kurzen Moment halte ich inne und überlege, ob ich nicht doch mit dem Mädchen anfangen soll, da das Zeichen von Konoha-Gakure deutlich sichtbar auf ihrem Stirnband prangte und das Feuerreich näher ist, aber ich verwerfe diesen Gedanken schnell wieder.
Ich bin geduldig, ich kann warten.
Zunächst die Großmutter, denn ich will nicht, dass die alte Frau mir wegstirbt bevor ich sie finde. Eine Lebensspanne ist begrenzt - zumindest die eines Menschen.

Ich dagegen existiere ewig.
Ich bin wahre Kunst - vollendete Schönheit - nach den Gesichtspunkten meines Meisters.
Mach den Maßstäben von Sasori.

Ohne weiter zu zögern mache ich mich also auf den Weg. Mein erstes Ziel ist Suna-Gakure.
Mich erwartet trockener Staub und erbarmungslose Hitze.

Tage, Nächte bin ich ohne eine Pause unterwegs. Ich durchstreife Wälder und überquere Flüsse. Langsam wird der Boden unter mir trockener, Pflanzen werden seltener und schließlich erstreckt sich die ewige Wüste vor meinem Sichtfeld. Die Hitze nehme ich kaum wahr, während ich stetig über den Sand laufe.
Lediglich der Wind, der ungebremst den Staub umher wirbelt, mogelt auch vereinzelte Sandkörner in meine Gelenke, die dort leise knirschen und meine Bewegungen erschweren.

Und trotzdem lasse ich mich davon nicht aufhalten.
Ich lasse mich nicht irritieren.
Ich tue das für meinen Meister und nichts und niemand wird mich stoppen können.
Niemals.

Sasori...
Ich werde mich beeilen, um seine Rache zu bekommen. Schließlich will ich ihn nicht warten lassen, da ich weiß wie sehr er das hasst.

Gehasst hat...
Mein Meister ist fort. Für immer fort.

Ein weiterer Tag vergeht und als die Sonne am Horizont verschwindet und eisige Kälte über den von ihren Strahlen noch erhitzen Sand kriecht, erscheint etwas in meinem Blickfeld.
Eine riesige Felswand erhebt sich in der Ferne, steigt empor zum Himmel, wo sie mit der Dunkelheit verschmilzt.
Dort vorne ist es - Suna-Gakure.
Mein Ziel.
Warte nur ab, alte Frau. Ich komme, um dich zu holen.
Es vergehen noch ein paar Stunden und als ich schließlich vor der Wand stehe, ist es stockfinster. Wolken haben sich vor Mond und Sterne geschoben, verdunkeln die einzigen Lichter der Wüste.

Doch mich stört das nicht.
Bei Nacht sehe ich sehr gut und so schüttel ich halbherzig meine Gliedmaßen, um den Sand ein wenig los zu werden, und mache mich anschließend daran, die steile Felswand hinauf zu klettern. Unterstützt von ein paar Klingen, die ich aus meinen Handgelenken fahren lasse und Stück für Stück über mir in den Stein ramme, gelingt mir langsam aber stetig der Aufstieg. Kurz bevor ich den Rand erreiche vernehme ich Schritte und halte inne.
Eine Wache...
Gemütlich schlendert sie an mir vorbei, pfeift leise eine mir unbekannte Melodie vor sich her. Der Schein einer Fackel, die der Wachposten mit sich trägt, erhellt den Bereich über mir und zieht langsam weiter.

Jetzt.

Kräftig stoße ich mich mit den Beinen ab, löse die Klingen aus dem Fels und überwinde so das letzte Stückchen Mauer. Schwungvoll lande ich hinter der Wache und verschwinde sofort im Schatten eines Wachturmes, während der Mann sich verwundert umdreht.
Kurz scannt er die Gegend bevor er sich schulterzuckend wieder abwendet und pfeifend weiter geht.
Auch ich setze mich wieder in Bewegung. Möglichst leise, nur begleitet vom kaum hörbaren Knirschen des Sandes in meinen Gelenken, schleiche ich in den Schatten hinab bis zu den kuppelartigen Häusern aus hellem Sandstein. Ich verstecke mich vor patrouillierenden Shinobi und vereinzelten Einwohnern, die um diese Uhrzeit noch unterwegs sind.
Eine Begegnung, egal mit wem, wäre unvorteilhaft für mein Vorhaben. Eine Marionette, die einfach so herum spaziert, ist nicht gerade alltäglich. Auch nicht in Suna-Gakure, das für seine großartigen Puppenspieler bekannt ist.
Nein...
Ich sollte mich versteckt halten...
Ich sollte weiter auf eine Gelegenheit warten, hier in den Schatten...
Während ich mich versteckt halte und die Bewegungen der Wachen analysiere - auf ein Schlupfloch warte, in dem ich mich weiter schleichen kann - macht sich ein merkwürdiges Gefühl in mir breit.
Es erfüllt mich erst langsam, dann immer schneller, bis es schließlich überall in mir zu brennen scheint. Einen Moment lang muss ich überlegen, bevor ich es benennen kann.

Ungeduld.

Ich will weiter.
Jetzt.
Ich will Rache nehmen an der alten Frau und an dem Mädchen.
Sofort.
Hier zu warten ist nicht nur merkwürdig anstrengend, nervenaufreibend...
Ich hasse es.

Ich hasse es zu warten.

Die Stimme meines Meisters hallt durch meinen Kopf...
Es sind seine Worte, ist seine Einstellung.
Verwirrung verdrängt die Ungeduld. Ich hatte noch nie Probleme damit, auf irgendwas warten zu müssen. Ich bin normalerweise sehr geduldig. War ich schon immer.
Wieso? Wieso dann jetzt auf einmal nicht mehr?

Kopfschüttelnd versuche ich mich wieder auf die Wachen zu konzentrieren. Ihre Schritte, ihre Routen, die Reichweite ihrer Sichtfelder in den spärlichen Lichtern...
In einem geeigneten Moment setze ich mich wieder in Bewegung, umgehe die Shinobi und Bewohner, schleiche in den Schatten weiter durch das Dorf.

Großmutter...

Immer weiter dringe ich nach Suna-Gakure ein, meine Beine führen mich wie von selbst die dunklen Straßen entlang, als wären sie diese Wege schon dutzende Male gelaufen. Vorbei an dunklen Häusern und geschlossenen Geschäften.

"Großmutter Chiyo? Kaufst du mir bitte ein paar Süßigkeiten?"
"Aber natürlich, Sasori. Such' dir aus was immer du möchtest."

Großmutter...
Sasori...
Wieso höre ich ihre Stimmen?
Beinahe ist mir als könnte ich die beiden auf der Straße sehen, wie sie nebeneinander stehen und mein junger Meister grinsend zu der alten Frau aufsieht.

Ein Pulsieren in meinem Kopf lässt mich die Hand an meine Stirn heben.
Was ist hier los?
Wieso tut es weh?

Püppchen, Püppchen - Die Rache [Wird überarbeitet]Where stories live. Discover now