07 - Ausgetrickst

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Kian fiel wie ein Stein ins Bett, nachdem er endlich zu Hause angekommen war. Als sein Wecker um 13 Uhr klingelte, wachte er nur mühsam auf. Sein Körper sehnte sich nach Erholung, doch in zwei Stunden würde er sich erneut intensivem Training aussetzen müssen, noch dazu eine Stunde länger als bisher. Seine lädierte Seite sah zwar schon wesentlich besser aus als gestern Abend, das Blau ging langsam in Grün über, aber die Rippen waren noch ziemlich empfindlich. Ein Treffer und er würde vor Schmerz zu Boden gehen. Und wie sollte er vorgeben, ein normaler Student zu sein, wenn er weiter täglich trainieren musste? Seine Kommilitonen hielten ihn ohnehin bereits für einen Freak, der von Mixed Martial Arts völlig besessen war und nichts anderes im Kopf hatte. Seine Tage waren so verplant, dass es quasi unmöglich war Freundschaften zu schließen, geschweige denn aufrecht zu erhalten. Und jetzt hatten sie ihm täglich noch eine Stunde länger aufgehalst, wobei ein Großteil der Zeit unerfreulicher Weise dafür drauf ging, sich mehr oder weniger verprügeln zu lassen. Dass er atemberaubende Fortschritte gemacht hatte und inzwischen stärker und schneller war als alle anderen Mitglieder der Bruderschaft half ihm wenig, da er inzwischen stets gegen zwei oder drei Gegner gleichzeitig kämpfen musste.

Mit seinem Pensum für die Uni lag er mittlerweile weit zurück und hatte die letzten Prüfungen nur bestanden, weil er seine schriftlichen Aufgaben bei der Bruderschaft abgab und rechtzeitig erledigt zurückbekam. Die Ergebnisse reichten stets für gute Noten, nur fehlte ihm selbst inzwischen einiges an Wissen. Er kam sich vor wie ein Betrüger, der er ja auch war, was ihn umso mehr wurmte, weil er wusste, dass er allein bessere Resultate erzielen könnte, wenn er nur die Zeit hätte, sich wie früher selbst um sein Studium zu kümmern. Er versuchte sich einzureden, dass die ungewöhnlichen Umstände das Vorgehen rechtfertigten, aber ein schlechtes Gewissen blieb. Er bemühte sich ja am Ball zu bleiben, aber es wurde zunehmend schwieriger und er fühlte sich hin und her gerissen. Noch dazu hatte er niemanden, dem er sich anvertrauen konnte. Außerhalb der Bruderschaft durfte niemand wissen, was er trieb, und seine Mitstreiter hatten sich der Sache mit Leib und Seele verschrieben, worüber sie die alltäglichen Probleme normaler Menschen völlig aus dem Blick verloren hatten.

Was, wenn dies alles nur das Hirngespinst eines Haufens von Verrückten war? Es fühlte sich nicht so an und immerhin hatte er seit zwei Jahren Fähigkeiten, die unerklärlich wären, wenn die Geschichte nicht stimmte. Und doch wäre alles so viel einfacher, wenn nichts von all dem der Wahrheit entspräche. Seit er Roya wiederbegegnet war, wünschte er sich nichts mehr als morgens aufzuwachen und festzustellen, dass alles nur ein irrer Traum war, denn diese Mission bedrohte sein privates Glück. Wegen ihr hielt er die Frau, die er von Kindesbeinen an geliebt hatte, auf Abstand. Und doch konnte und wollte er nicht gänzlich auf sie verzichten. Er wog die Phiole in seiner Hand. Wenn die Bruderschaft nur ein Haufen Spinner war, drohte Roya keine Gefahr. Wenn sie Recht hatten, könnte er sie damit retten, was immer geschah und er würde keine Sekunde zögern, seinen Schwur zu brechen.

Er beschloss, seine Grübeleien zu vertagen und wählte Royas Nummer, doch sie nahm nicht ab, weshalb er ihr eine Nachricht textete.

„Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich heute in aller Frühe verschwunden bin und hast meine Nachricht gefunden. Nochmal DANKE, dass du mich vorm Erfrieren gerettet hast. Das werde ich dir nie vergessen. Du bist die Beste!"

Eine Weile wartete er gebannt, hoffte auf eine schnelle Antwort von ihr. Doch als sie nach einer Viertelstunde noch nicht reagiert hatte, gab er es auf und steckte das Handy weg. Vermutlich war sie in der Uni und schaltete ihr Handy, gewissenhaft wie sie war, solange aus.

Nach einer Schüssel Müsli, packte er seine Sporttasche und wollte sich gerade auf den Weg zum Training machen, als ihm noch etwas einfiel. Er würde in den nächsten Stunden für niemanden erreichbar sein, also schrieb er Roya eine weitere Nachricht: „Bin dir für letzte Nacht noch was schuldig, deshalb hast du hast einen Wunsch frei. Denk dir was Schönes aus! Muss jetzt los, rufe dich heute Abend an. Dein Kian."

Die Krieger von Arash  (pausiert)Where stories live. Discover now