06 - Gefahr im Anmarsch

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Schlecht gelaunt und mit höllischen Kopfschmerzen stapfte Kian morgens um kurz nach Sieben erneut durch den Schnee. Seit er vor gut zwei Jahren der Bruderschaft der „Krieger von Arash" beigetreten war, hatte sich sein Leben von Grund auf verändert. Zunächst hatte er geglaubt, es mit einem Haufen irrer Verschwörungstheoretiker zu tun zu haben. Welcher Mensch, der bei klarem Verstand war, zog schon ernsthaft in Erwägung, dass das Ende der Welt, wie wir sie kennen, unmittelbar bevor stand? Er jedenfalls nicht. Und doch deutete alles darauf hin.

Hinzu kam, dass sie ihn oder er sie oder sie sich gegenseitig, wie auch immer man es betrachten wollte, sich auf höchst merkwürdige Weise gefunden hatten. Seit seinem 21. Geburtstag hatte er eine innere Unruhe gespürt, die er sich nicht erklären konnte, die allein jedoch kein Anlass zur Sorge gewesen wäre. Nur hatte er damals obendrein begonnen schlafzuwandeln, was ihm nie zuvor passiert war. Wiederholt hatte er sich mitten in der Nacht in Londons Straßen wiedergefunden und nicht die geringste Ahnung gehabt, wie er dorthin gekommen war. Er war abends ganz normal ins Bett gegangen, eingeschlafen und Stunden später komplett angezogen draußen in Gegenden erwacht, in denen er nie zuvor gewesen war. Nach dem dritten Mal hatte er vorm Zubettgehen alle Türen verschlossen, die Schlüssel abgezogen und in Schubladen versteckt, doch selbst das hatte nicht geholfen. Wieder war er auf der Straße erwacht. Er war kurz davor gewesen, einen Arzt aufzusuchen, um das Problem in den Griff zu bekommen, als er bei einer seiner nächsten Schlafwanderungen Kontakt zur Bruderschaft bekommen hatte, genau genommen zu Kourosh, ihrem Anführer.

In jener Nacht war er nicht draußen auf der Straße erwacht, sondern auf einem altmodischen Ledersofa inmitten einer Art Bibliothek und blickte verwirrt in das zerknitterte Gesicht eines alten Mannes, den er nie zuvor gesehen hatte, zu dem er aber dennoch eine tiefe Verbundenheit spürte.
„Sei unbesorgt, du bist in Sicherheit", hatte dieser mit ruhiger Stimme auf ihn eingesprochen und trotz der absurden Situation hatte er ihm geglaubt, instinktiv gespürt, dass der Alte aufrichtig war.
„Wo bin ich?", hatte Kian wissen wollen.

„Endlich an deinem Ziel. Von nun an können wir dich schützen und ausbilden, aber dazu kommen wir später. Beginnen wir wie zivilisierte Menschen damit, uns einander vorzustellen. Ich heiße Kourosh, wie ist dein Name junger Auserwählter?"

Verdutzt hatte er sich ebenfalls vorgestellt, doch die Ausführungen, die sich anschlossen, hatten ihn dermaßen aus dem Konzept gebracht, dass er Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit seines Gegenübers bekommen hatte.  Je mehr er erfuhr, umso seltsamer wurde die ganze Sache und er hatte eine Weile gebraucht, um sie zu akzeptieren. Vieles sprach allerdings dafür, dass Kourosh die Wahrheit sagte, so unwahrscheinlich es zunächst auch geklungen hatte und so hatte sich Kian der Bruderschaft angeschlossen.

Die Telepathie-Sache war nach wie vor das wohl unerklärlichste Phänomen, mit dem er es seitdem zu tun hatte. Einerseits war die Gedankenübertragung ungemein praktisch, andererseits konnte sie ziemlich nerven, wenn in den unpassendsten Momenten einer seiner Brüder versuchte, ihm etwas auf diesem Weg mitzuteilen. Hinzu kam, dass es unglaublich anstrengend war und er Ewigkeiten gebraucht hatte, um es zu lernen. Als Kourosh begonnen hatte, es ihm beizubringen, war es zunächst nur ein fürchterliches Dröhnen in seinem Kopf gewesen, das ihn beinahe wahnsinnig gemacht hatte, doch sein Lehrer hatte darauf bestanden, dass er es lernen müsste und ihn monatelang so geduldig wie beharrlich unterrichtet. Das Gefühl, das ihn durchströmte, als er zum ersten Mal einen von Kouroshs Gedanken verständlich in seinem Kopf empfangen hatte, war überwältigend gewesen. Danach hatte er schnell Fortschritte gemacht und es einige Tage später bereits geschafft, auch seine eigenen Gedanken an Kourosh zu übertragen. DieEntfernungen, über die es funktionierte, waren mit der Zeit immer größergeworden, aber es war immer noch ein Kraftakt, der seine ganze Konzentrationerforderte und es passierte ihm noch recht häufig, dass er die Worte, die erübertragen wollte, gleichzeitig leise vor sich hin murmelte. Daran musste erdringend arbeiten. Außerdem bereitete es ihm nach wie vor jedes Mal übleKopfschmerzen, die eine Weile brauchten, bevor sie abklangen. Zum Glückbeherrschten die Gabe der Telepathie abgesehen von Kourosh und ihm selbst nurwenige andere in der Bruderschaft, sodass nicht jeder nach Belieben eine Kirmesin seinem Kopf veranstalten konnte.

Die Krieger von Arash  (pausiert)Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang