03 - Beichtstunde

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Am Sonntagnachmittag traf Roya sich mit ihren Studienfreundinnen Emma und Alice. Eigentlich um ihre Referate durchzugehen und eventuelle Schwachstellen auszumerzen, doch war Roya noch immer nicht über die Hälfte hinausgekommen und bekam langsam Panik, da sie es am Donnerstag würde halten müssen und es hasste, schlecht vorbereitet zu sein. Genau genommen, war das noch nie zuvor vorgekommen. Entsprechend erstaunt reagierten ihre Freundinnen, als sie es ihnen auf dem Boden von Emmas winzigem und wie stets leicht chaotischem Studenten-Wohnheimzimmer sitzend, beichtete.

„Warst du krank?", erkundigte sich Emma sofort besorgt, der das die einzige logische Erklärung zu sein schien, da Roya die gewissenhafteste der drei Freundinnen war. Wie so oft drehte sie eine ihrer langen roten Locken um ihren Zeigefinger und blickte Roya mitfühlend an.

„Nein, eigentlich nicht", gab Roya zögernd zu.

„Wie heißt er?", antwortete Alice aufs Geratewohl, die ständig Kerle im Kopf hatte und deswegen schon den ein oder anderen Kurs hatte wiederholen müssen.

„Kian", antwortete Roya zur Überraschung beider, da nicht einmal Alice ernsthaft damit gerechnet hatte, dass es auf dieser Welt einen Mann geben könnte, der ihre durch und durch verantwortungsbewusste Freundin aus dem Konzept bringen könnte. Emma riss ihre ohnehin riesigen braunen Rehaugen Augen so weit auf, dass Roya schon befürchtete, sie würden ihr jeden Moment aus dem Kopf fallen und Alices Mund stand so weit offen, dass eine ganze Armada von Kampfflugzeugen mühelos darin hätte landen können. Roya musste unwillkürlich schmunzeln, obwohl sie die Situation alles andere als belustigend fand.

„Kriegt euch wieder ein. Es ist ganz anders, als ihr denkt", versuchte sie den beiden den Wind aus den Segeln zu nehmen und bereute schon, Kian überhaupt erwähnt zu haben.

„Du hast seinetwegen dein Referat verschlampt, aber es ist ganz anders als wir denken ... Ja klar, verarsch uns nicht und erzähl", fand Alice als Erste ihre Sprache wieder.

„Ihr seid solche Idioten! Womit habe ich Freundinnen wie euch verdient?", fragte Roya halb belustigt, halb genervt und verdrehte ihre Augen.

„Lenk nicht vom Thema ab", mischte sich jetzt auch Emma ein.

„Die Geschichte ist nicht annähernd so spannend, wie ihr sie euch vermutlich gerade ausmalt", setzte Roya beschwichtigend nach, obwohl das natürlich gelogen war. Aber den Teil mit ihren Albträumen und der Vision würde sie ganz sicher nicht preisgeben.

„Fang an und überlass uns die Beurteilung. Wer ist Kian? Ist er so heiß wie der Name klingt?", setzte Alice nach.

Roya bemühte sich, den ihrer Meinung nach völlig unpassenden Kommentar zu ignorieren und legte endlich los.

„Kian war mein bester Freund als ich noch ein Kind war, also vor der Sache mit meinen Eltern."

Wie immer wich sie dem schmerzhaften Thema weitgehend aus. Sie hatte ihren Freundinnen zwar schon vor längerer Zeit erzählt, dass ihre Eltern früh gestorben waren und sie deshalb bei Adoptiveltern aufgewachsen war, aber nie von den näheren Umständen berichtet. Dabei wollte sie es auch belassen. Doch allein die vage Erwähnung reichte aus, um einen mitleidigen Ausdruck in den Augen ihrer Freundinnen hervorzurufen. Roya hasste das, obwohl sie wusste, wie gut die beiden es mit ihr meinten. Wie sollte sie jemanden, der das nicht am eigenen Leib erfahren hatte, erklären, dass sie sich dadurch wie ein Opfer fühlte, was sie um jeden Preis vermeiden wollte, um sich nicht noch erbärmlicher zu fühlen, als es ohnehin oft genug der Fall war. Daher fuhr sie möglichst unbeeindruckt fort: „Wir waren unzertrennlich, obwohl er zwei Jahre älter ist als ich. Seine Schwester Soraya ging mit mir zur Schule und wir freundeten uns in der zweiten Klasse an. Sie wohnte ganz in der Nähe meines Elternhauses in Ipswich und als wir uns das erste Mal bei ihr zum Spielen verabredeten, traf ich Kian. Zunächst war er furchtbar zu mir, zog mich die ganze Zeit auf und doch lief ich ihm von Anfang an hinterher wie ein dummes Maultier. Keine Ahnung wieso, ich konnte nichts dagegen machen. Ich denke, zunächst fand er das alberne kleine Mädchen, das ich war, irgendwie lustig, doch ich war beharrlich und bald darauf waren wir die besten Freunde und Soraya das dritte Rad am Wagen. Sie ertrug es heroisch und wir ließen sie zumeist teilhaben, obwohl Kian und ich uns innerhalb kürzester Zeit viel näher waren. Es war, als seien wir die wahren Geschwister und Soraya ein Eindringling von außen."

Die Krieger von Arash  (pausiert)Where stories live. Discover now