Chapter 34

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Seoul, 12:10
Jays Mutter verschwand und blieb erst einmal weg.
Völlig verwirrt ließ sie uns beide am Esszimmertisch sitzen. Ich räusperte mich: "ehm.... also.... weißt du von irgendwas?"
Er schüttelte den Kopf und starrte weiter geradeaus. Es war keine unangenehme Stille, aber wir beide saßen einfach nur da und dachten nach.
Ein paar Minuten später hatte ich keine Lust mehr zu Denken und begann den Tisch ab zu räumen. Als ich alles in die Küche getragen hatte und gerade einem Teller in die Spülmaschine stellte, umarmte mich plötzlich jemand von hinten und lachte mir ins Ohr. "Du siehst verdammt gut aus in meinem Pulli."
Ich verdrehte die Augen: "Liegt nur an der Küche, glaub mir."
Ohne dass ich mich wehren konnte, hatte er meine Handgelenke gepackt und mich umgedreht. "Das hab ich nie behauptet....", sagte er und sah mich mit einem unverständnisvollen Blick an.  Ich musste wieder lachen. Er war tatsächlich nicht so das Klischee von Mann, das sich in Amerika in meinen Kopf gebrannt hatte. Asien war wirklich eine komplett andere Welt.
Seine Hand fuhr hoch zu meiner Wange und er drückte mir einen Kuss auf den Mund. Und noch einen. Dann war ein Schlüssel im Schloss zu hören und er ließ von mir ab, hatte aber immer noch die andere Hand auf meinem unteren Rücken und drückte mich seitlich an ihn. "Okay Kinder! Seid ihr bereit?", rief es aus dem Flur.
Irgendwie fühlte ich mich wie in einer Show für Kleinkinder, wo man vor dem Fernseher saß und nicht einmal hätte antworten müssen, es trotzdem tat.
"Klar!", schrien wir beide gemeinsam. Amerikanische Teenager hätten jetzt wohl ein Auto mit Schleife, ein eigenes Haus oder eine verspätetes Prom- Date erwartet, aber ich hatte gar keine Ahnung was uns erwartete. Vielleicht eine alte Zeichnung, die Jay und ich zusammen gezeichnet hatten oder sowas ähnliches.
Mühsam quälte sich die ältere Frau mit einer schweren Kiste in den Raum. Jay sprang ihr zur Hilfe, aber sie nahm sie nicht an. "Passt schon, Jae. So alt bin ich auch noch nicht."
Mit diesen Worten ließ sie die Kiste auf den Tisch plumpsen, den ich gerade zum Glück abgeräumt hatte. Die Box war aus Pappe, sah aus wie ein gewöhnlicher Umzugskarton.
"Komm doch rüber", lud sie mich ein und winkte zu sich. Als ich nah genug war, drückte ich mit meiner Hand vorsichtig gegen die Box. Nichts bewegte sich. Ein gutes Zeichen, denn für einen Hund hätte ich nicht noch Zeit gehabt um ehrlich zu sein. Ich sah sie mit einem "darf-ich?"-Blick an und sie nickte mir zu. Langsam klappte ich die Seiten der Kiste auf und alte, verstaubte Bücher kamen zum Vorschein, aber es waren nicht nur gewöhnliche Schriftstücke. Nein. Es waren Fotoalben.
"Jay hat mir erzählt, wie das mit dem Unfall passiert ist und dass er dich eigentlich hier her gebracht hat um deine Erinnerungen zurück zu bringen. Er war wirklich besorgt um dich. Also bin ich, an dem Tag, an dem du plötzlich vor meiner Tür standest, rüber in dein Elternhaus. Es ist nicht das erste Mal, dass ich dort drin war, nach eurem Unfall. Um ehrlich zu sein habe ich Jahre lang eure Blumen gegossen, manchmal gebetet. Habe gehofft, dass mein bester Freund, seine Frau und seine wunderschöne Tochter zurückkommen. Und tatsächlich...."
Dann umarmte sie mich. Ich war mit den Nerven komplett durch. Ich hätte niemals damit gerechnet! Echte Erinnerungen! Ich dachte sie wären inzwischen alle kaputt, verloren oder geklaut worden. Ich konnte nicht anders und musste heulen. Die Emotionen hatten sich einfach zu lange angestaut. Jay war schon beim ersten Schniefen bei mir und stimmte in die Umarmung ein. Irgendwie gab es mir wieder ein Gefühl von Familie. Meine Familie. "Alles ist gut.", flüsterte er mit seiner tiefen Stimme in mein Ohr. "Ich habe dir versprochen, dass wir deine Erinnerungen zurückkriegen, auch wenn es nicht ich bin, der sie dir zurückgibt."
Auch seine Stimme bebte und irgendwie hatte ich plötzlich Angst vor den Bildern, denn sie waren nicht wie die paar, die ich mit mir in New York hatte. Es waren die verlorenen, die, die über 10 Jahre lang im Keller oder hinter geheimen Wänden in unserem Haus gelagert hatten. Erinnerungen, die wenn nur noch Jays Mutter kannte.

The Job (Jay Park FF), K-popWo Geschichten leben. Entdecke jetzt