03 - Beichtstunde

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„Oh wie süß, eine echte Sandkastenliebe und nun seid ihr euch wieder begegnet", schwärmte Alice mit leuchtenden Augen und malte sich vermutlich bereits die heißesten Geschichten aus.

„Hast du denn gar nicht zugehört?", entgegnete Roya empört und schmiss Alice ein Kissen an den Kopf, das sie von Emmas winzigen Sofa gegriffen hatte. „Wir waren wie Bruder und Schwester oder Seelenverwandte."

„Ich nehme Letzteres. Ein heißer Seelenverwandter würde dich dein Referat vergessen lassen, der lang vermisste Bruder eher nicht", prustete Alice lachend, der Royas Kissenattacke nicht wie gewünscht den Wind aus den Segeln genommen hatte. Ganz im Gegenteil, die unerwartet heftige Reaktion bestätigte sie nur in ihrer Vermutung.

„Alice, jetzt lass sie doch mal in Ruhe erzählen", versuchte Emma Ordnung ins Chaos zu bringen, doch weder diese noch Roya beachteten ihren Einwand.

„Ich habe nie erwähnt, dass Kian heiß ist", schimpfte Roya.

„Ha, also ist er es! Hab ich's doch gewusst", triumphierte Alice.

„Er ist der mit Abstand attraktivste Mann, den diese Welt je gesehen hat, wenn du es genau wissen willst", gab Roya endlich zu, „aber das heißt gar nichts. Auf diese Weise sehe ich ihn nicht."

Von einer Sekunde zur nächsten wurde Alice ernst. Zwar war sie stets zu Späßen aufgelegt, aber sie hatte auch ein feines Gespür für das, was in ihren Mitmenschen vorging, auch wenn sie es häufig ignorierte, weil sie diese Gabe ebenso sehr hasste wie Roya ihre Opferrolle. Doch Roya war ihre Freundin und ihr gegenüber nie zuvor so offen gewesen. Alice spürte, dass es auch jetzt eher aus Versehen passiert war, doch sie war entschlossen, die Gelegenheit beim Schopf zu greifen und endlich etwas weiter zu ihr vorzudringen. Nicht weil sie furchtbar neugierig war, sondern weil sie schon seit langem spüren konnte, dass Roya viele Geheimnisse in sich verbarg. Selbst das hätte sie akzeptiert, wenn es nicht mit dem Gefühl einherginge, dass Roya diese mehr zu schaffen machten, als sie zugeben wollte. Sie hatte das dringende Bedürfnis eingreifen und helfen zu müssen und musste an ihre Großmutter denken, die eine geachtete Voodoo-Priesterin in New Orleans gewesen war und stets behauptet hatte, dass auch Alice außergewöhnliche Fähigkeiten besäße. Sie maß diesem Teil ihrer Familiengeschichte nicht allzu viel Bedeutung bei, verleugnete ihn sogar, soweit es ging, wobei es ihr viel weniger um den afroamerikanischen Teil als um den ihrer Meinung nach unsinnigen Zauberkram ging. Voodoo, Magie, Zauberei, wie man es auch nannte, das alles war ausgemachter Blödsinn mit dem die Menschen in früheren Zeiten versucht hatten, Unerklärliches zu deuten. In der heutigen Zeit hatte das keinen Platz mehr. Rassismus zu Alices Leidwesen dagegen immer noch. Sie hatte mehr als einmal leidvoll erfahren müssen, dass Menschen sie plötzlich anders behandelten, wenn sie erfuhren, dass sie nur aufgrund eines seltenen Gendefekts hellhäutig, weißblond und blauäugig war. Allein das krause Haar war typisch für ihre Ethnie, doch trug sie es relativ kurz und färbte es ständig in neuen grellen Farben. Momentan war es leuchtend blau mit einigen längeren Strähnen in knallpink. Die Vorurteile, mit denen viele Menschen ihrer Abstammung auch heute noch begegneten, erzürnten sie und hatten sie äußerlich abgehärtet, doch tief im Inneren verletzte es sie.

Erst als Roya betreten zur Seite blickte, fiel Alice auf, dass sie sie die ganze Zeit über musternd betrachtet hatte, obwohl sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen war.

„Schnapp ihn dir, Kätzchen! Sollte ich jemals auf den attraktivsten Mann dieser Welt treffen, der noch dazu mein Seelenverwandter ist, würde nichts und niemand ihn aus meinen gierigen Klauen befreien können", grinste sie Roya an und hoffte, sie damit aus der Reserve zu locken.

„Du bist unmöglich, Alice! Er sieht mich genauso als Schwester wie ich ihn als Bruder." Sie machte eine kurze Pause. „Aber er hat auch gesagt, dass ich umwerfend aussehe und er hat keine Freundin", setzte sie beinahe flüsternd nach und in ihre Augen trat ein verdächtiger Glanz.

Die Krieger von Arash  (pausiert)Where stories live. Discover now