Kapitel 1 - Das mit dem Selbstmitleid und dem hinvegetieren ...

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»Marie, bitte. Du musst einfach mitkommen!« versuchte mich meine beste Freundin Lizzy zu überreden. »Es ist so lange her, dass wir das letzte Mal zusammen los waren. Seid mit Noah schluss ist, bekommt man dich kaum noch aus dem Haus. Die gesamte Clique kommt doch so selten zusammen.« Damit hatte sie recht - leider. Mit Noah, meinem Exfreund, war es seit dreieinhalb Monaten vorbei. Ich war in einem Punkt in unserer Beziehung angelangt, wo ich einfach mehr wollte. Darunter verstand ich heiraten, vielleicht eine kleine Familie gründen. Noah jedoch eher daran unser Sexualleben aufzupolieren. Also hielt ich es für das Beste die Beziehung zu beenden, bevor ich nach weiteren drei Jahren vor einem riesigen Trümmerhaufen namens "Mein Leben" stand. Und das mit demselben Ergebnis wie jetzt.

Ich habe Noah geliebt, sehr sogar. Und nach dem es vorbei war, hatte ich mich in mein Schneckenhaus zurückgezogen, ging nur noch zum arbeiten außer Haus und suhlte mich in meinem Selbstmitleid. Natürlich hatte meine beste Freundin recht. Ich konnte nicht den Rest meines Lebens vor mich hinvegetieren und alles dem Schicksal überlassen. Schließlich bekam mich Lizzy doch dazu mitzukommen. Nach dem sie mir hoch und heilig versprechen musste, dass es nur bei einem Drink bleibt. Man musste es nicht gleich überstürzen. Wir verabredeten uns für 19:00 Uhr in unserer Stamm-Bar. Es war ein merkwürdiges Gefühl sich nach so langer Zeit wieder hübsch zu machen. Die größte Frage war: Was ziehe ich an? Letztendlich entschied ich mich für meine Lieblings-Jeans, die nicht mehr ganz so stramm an meinen Hüften saß wie noch vor zwei Monaten. Aber dies versuchte ich zu ignorieren. Außerdem die cremefarbene Bluse, die mir meine Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich legte etwas Make-Up auf, Schmuck an und schlüpfte in meine schwarzen Wildleder-Pumps. Zu guter letzt noch meine Lieblingsjacke und fertig war ich.

Da ich kein eigenes Auto besaß, nahm ich gegen 18:30 Uhr die U-Bahn in die Innenstadt. Die letzten paar Meter zum "Chaplin" legte ich zu Fuß zurück und war pünktlich zur vereinbarten Zeit dort. Lizzy war bereits da und als sie mich erblickte fingen ihre blauen Augen an zu strahlen. »Marie, du bist wirklich da!« fiel sie mir regelrecht um den Hals. »Dachtest du wirklich ich versetze dich? Wenn man so unnachgiebig ist wie du, gibt man irgendwann ja doch nach.« Selbstverständlich wusste sie, was ich meinte. In all den Jahren die wir uns jetzt schon kannten wusste sie immer, wie sie ihren Willen durchzusetzen hatte. Solch eine Starrköpfigkeit versetzte mich immer wieder in Faszination.

»Los, lass uns rein gehen. Es freuen sich alle dich endlich wiederzusehen.« Zusammen betraten wir das "Chaplin", was dem Namen Bar wirklich alle Ehre machte. Links vom Eingang säumte eine riesige Theke die komplette Länge des Raumes, was bestimmt gute sechs Meter in Anspruch nahm. Hinter dem Tresen zierte in derselben Länge ein beleuchtetes Regal, was sämtliche Gläser und Spirituosen in allen Varianten zur Auswahl hatte. Im Rest des Raumes waren vereinzelte Tische und Stühle arrangiert, an der Fensterfront luden gemütliche Ledersofas zum verweilen ein. Obwohl es gerade mal 19:00 Uhr war, herrschte schon reges Treiben. Es sprach sich schließlich herum wo es die besten Cocktails der Stadt gab.

Die Clique war bereits vollständig, als wir an unseren Stammtisch traten. Zu meiner linken saßen Paul und Sophie, die schon seit der High-School ein Pärchen waren und letztes Jahr geheiratet haben. Daneben Nathalie und Michael. Beide trieben seit circa einem halben Jahr eine Art Katz und Mausspiel miteinander. (Wobei die Betonung wirklich auf "treiben" lag!" Donny, unser liebster, wenn auch stock-schwuler Freund und ein junger, unheimlich attraktiver Mann, den ich allerdings nicht kannte. Vielleicht Donny's neuste Flamme? Hach, wieso mussten alle gut aussehenden Männer immer schwul sein?

»Hey Lizzy, möchtest du uns nicht deine neue Freundin vorstellen? Ich muss wirklich sagen, sie hat ziemliche Ähnlichkeit mit einer Frau, die ich kannte. Wie war ihr Name noch gleich?« Ich versuchte vergeblich Michael einen bösen Blick zu zuwerfen, konnte aber nicht anders als in das Lachen der anderen mit einzustimmen. »Nein mein lieber, du darfst deinen Augen trauen.« kicherte ich, bevor alle aufstanden, selbst der mysteriöse Fremde und wir in stetes umarmen, drücken und »Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt, Marie?« verfielen. Zeitgleich stellte Donny Lizzy und mir den gut aussehenden Mann zu meiner rechten vor. »Mädels, das ist Matt McCormick. Er ist seit Jahren mein Geschäftspartner und in den letzten Monaten ein guter Freund geworden.«

»Matt, das hier sind Lizzy und Marie.« Er reichte meiner besten Freundin zuerst die Hand, was mir die Gelegenheit gab Matt McCormick genauer unter die Lupe zu nehmen. Er war groß, schlank, hatte schwarzes, mittelkurzes Haar und ich vermutete dunkle Augen. In dem schummrigen Licht der Bar konnte ich das nur schwer erkennen. Sein T-Shirt spannte über seine breiten Schultern und muskulösen Oberarme. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse konnte man erkennen, dass seine Haut braun gebrannt war. Ich unterbrach meine Analyse als er sich mir zu wandte und seine Hand reichte. »Hi Marie. Schön dich kennenzulernen.« Als sich unsere Finger berührten durchfuhren mich kleine Blitze und etwas lag in seinem Blick, was mir die Knie weich werden ließ. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, weil ich so überwältigt von diesem Mann war, aber ich hatte das Gefühl, als wenn sich unsere Blicke länger begegneten, als es üblich gewesen wäre.

Da sich Lizzy bereits zu Paul und Sophie gesetzt hat, blieb nur noch ein winziger Platz neben Matt übrig. Bei acht Personen an einem Tisch wurde es doch schon ein wenig eng. Ganz Gentleman ließ er mich jedoch zu Donny durch rücken und fragte mich, was ich trinken wolle. »Ein Wodka-Cranberry bitte.« Als Matt auch Lizzys Getränkewunsch aufnahm, machte er sich auf den Weg zum Tresen und ich konnte Donny über ihn ausquetschen. »Don, wenn du lieber neben Matt sitzen möchtest, können wir auch die Plätze tauschen...« Dieser brach in schallendes Gelächter aus, ich jedoch sah ihn nur fragend an. »Schätzchen glaub mir, ich würde alles geben, damit Matt schwul wäre.« Also ist er hetero? »Redet ihr etwa über mich?« Ohh nein. Bitte Erdboden, tue dich auf! Hatte er das etwa mitbekommen? Während er uns die Getränke reichte, sank ich tiefer in die Couch und versuchte meine vor Peinlichkeit roten Wangen zu verbergen...

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