Kapitel 52 - Die Generalprobe

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Stanfour ~ Wild Life

Drei Monate waren vergangen seit dem Schulausflug nach Frankreich, seitdem ich mit Taylor zusammen gekommen war und seitdem ein genauer Termin für meinen großen Kampf feststand.

Fünf Tage waren es noch bis zum 18. März, meinem großen Tag. Die Aufregung kam mit der Zeit immer mehr in mir durch, auch wenn Danny und Cassie mich immer wieder beruhigten, mich ermutigten mir gut zuredeten. Ich hatte viel trainiert, insbesondere in den letzten Monaten, seit ich wieder aus Paris zuhause war.

Ich joggte sehr viel, auch am Strand, im Sand, bei gutem Wetter; nicht immer alleine, oft war ich in Begleitung. Ich stemmte Gewichte, immer mehr und mehr. Ich sprang Seil, vorwärts, rückwärts und überkreuzt. Ich schlug auf den Boxsack ein, der neuerdings in meinem Zimmer hing. Meine Mutter hatte sich tatsächlich damit abgefunden, dass ich nun mal keine Turnerin, Balletttänzerin oder Cheerleaderin war, sodass sie mir zu meinem 18. Geburtstag einen neuen Boxsack gekauft hat, da der alte in Salt Lake City zurück geblieben war.

Die mini Krise, in die ich meine Mum und Kenneth scheinbar durch meine Anwesenheit und die Streitigkeiten, aber auch die ganze Sache mit Lewis gebracht hatte, war überstanden. Nachdem Kenneth und Mum zusammen auf einer Geschäftsreise gewesen waren, wirkten die beiden verliebter als ich sie je zuvor gesehen hatte. Sie wirkten fast so verliebt, wie meine Mum und mein Dad damals.

Spätestens seit meinem Geburtstag am 11. Februar verlief mein Leben ohnehin ganz ohne Probleme. Ich hatte eine vollkommen typische Überraschungsparty bekommen. Alle waren da gewesen: Cassie und Ryan, Kyle und Ben, Taylor und zu meiner Überraschung auch Alex und Mike.

"Es tut mir echt leid, wie das alles gelaufen ist," hatte meine Stiefschwester gesagt, "die Sache mit Lewis, ich weiß, dass du nichts dafür kannst, genauso wenig, wie du etwas dafür kannst, dass dein Vater gestorben ist und du hier her kommen musstest, du hattest ja selbst keine Wahl. Die Sache mit Mike tut mir auch fürchterlich leid, aber dafür konntest du natürlich ebenfalls nichts. Verstehst du, Liz, du bist zu einer Zeit in mein Leben getreten, als sowieso alles nicht so nach Plan lief und ich habe einfach diese bescheuerte Gelegenheit genutzt, um dich als Sündenbock zu nehmen, vor allem weil du eben einfach etwas anders bist, als wir anderen, aber das habe ich jetzt akzeptiert und würde mich freuen, wenn wir beide Frieden schließen könnten."

Ja dieses Mädchen war offensichtlich zur Vernunft gekommen. Mike hatte ich nicht ganz verziehen, dass er mich ausgenutzt hatte, um Alex zurückzubekommen, aber ich akzeptierte ihn nun als den Freund meiner Stiefschwester und das tat auch meine Mum endlich.

Was mich betraf, meine Beziehung zu Taylor lief immer besser. Wir verstanden uns ohne Worte und vertrauten uns blind. Er war immer für mich da gewesen in den letzten Monaten, unterstützte mich zusammen mit Cassie beim Training und war einfach nur ein unheimlicher Rückhalt für mich.

Auch Cassie war natürlich immer an meiner Seite in den letzten Wochen und Monaten. Wenn Pressetermine oder Meetings mit meiner Gegnerin oder deren Management anstanden, war Cassie immer da, um mir zu helfen oder peinliche Fragen geschickt umzudrehen, sodass ich sie für die Presse optimal beantworten konnte.

Nun stand ich vor dem immer noch unfassbar riesigen Tor unserer Hofeinfahrt und wartete darauf, dass Cassie mich abholen und mit zum Training in den Boxclub nehmen würde. Als ihr roter, mittlerweile verbeulter Kleinwagen in der Einfahrt stehen blieb, riss ich sofort die hintere Tür auf und schmiss meine Sporttasche auf den Rücksitz.

Ich kletterte auf den Beifahrersitz und begrüßte meine beste Freundin mit einer herzlichen Umarmung. Zwar war dies nicht mein letztes Training vor meinem großen Kampf, aber es war ein sehr wichtiges, denn heute würde ich gegen die kleine, hübsche Asiatin neben mir kämpfen. Meine Generalprobe sozusagen.

***

Im Boxclub angekommen, zogen Cassie und ich uns um und halfen uns gegenseitig, uns fertig zu machen und unsere Handschuhe richtig anzuziehen.

Wenige Minuten später fand ich mich in dem Boxring in der Mitte des großen Raumes wieder. In der roten Ecke ich und in der blauen Ecke Cassie. Unser Coach Danny mimt den Ringrichter und leutet die imaginäre Glocke zur ersten Runde.

Der Kampf beginnt.

Cassie und ich kamen vorsichtig aufeinander zu. Ich wartete zunächst ab, was sie tat, denn das hatte ich genauso von Danny gelernt. Sofort auf vollen Angriff zu gehen ist nicht gut, da man zunächst abwarten sollte, was die Gegnerin tut. Das Risiko, sich gleich zu Beginn zu verletzen, wenn man zu schnell in den Kampf eingreift, wäre zu hoch.

Da allerdings Cassie den selben Coach hatte wie ich, tänzelten wir beide für eine Weile nur im Kreis herum, bis ich es irgendwann einfach nicht mehr ertragen konnte und den ersten Schlag setzte. Cassie war meine Freundin, natürlich, aber im Ring zählte so etwas nicht und ich war mir sicher, dass sie das genauso sah wie ich.

Cassie schlug zurück, nicht nur in der ersten Runde, nein, es ging noch einige Runden so weiter. Doch ich konnte ihr anmerken, dass sie nicht 100 % gab. Sie wirkte nicht angestrengt, sie schlug nicht mit voller Kraft zu.

"Was soll das, hm?," keifte ich sie also in der Pause zwischen Runde 3 und 4 an.

"Was soll was?," fragte sie und nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche.

"Willst du mich eigentlich verarschen?," erwiderte ich also und machte einige Schritte auf sie zu.

"Liz, lass das sein. Kämpfe weiter und es ist alles gut," mischte sich nun auch noch unser Trainer ein.

"Nein, Danny nichts ist gut. Ich sehe doch, dass sie nicht alles gibt, was sie kann. Ich merke das und ich will das nicht, sie soll alles geben, ich will eine richtige Gegnerin, sonst könnte ich auch mit einem Boxsack trainieren."

"Liz ich...," begann Cassie sich zu erklären, doch wurde augenblicklich von Danny unterbrochen.

"Liz, ich habe ihr..."

"Nein!," schrie Cassie förmlich, "Lass es mich ihr selbst erklären, bitte."

Danny nickte und Cassie deutete mit ihrem Kopf in Richtung der Kabinen. Ich folgte ihr und blieb unmittelbar hinter der schweren Kabinentür stehn.

"Also?," fragte ich erwartungsvoll und verschränkte die Arme vor dem Körper.

"Liz, du weißt doch, dass ich nicht besonders viel Geld habe," erzählte sie und schaute dabei unter sich auf den Boden.

"Ja und was hat das jetzt damit zu tun?"

"Also Danny, naja, er hat m-mir möglicherweise einen Anteil der Kampfprämie versprochen, wenn ich dich heute gewinnen lasse und mich generell in den letzten Monaten beim Training nicht besonders anstrenge, damit du denkst, du würdest immer besser werden..."

"Das ist nicht dein ernst," fauchte ich und machte ein paar Schritte nach hinten in Richtung Tür.

"Du musst mich verstehen, ich wollte doch nur helfen und dachte, dass würde dir mental gut tun," entschuldigte sich Cassie und sah mir dieses Mal in die Augen.

"Wers glaubt! Du hast eben selbst gesagt, dass du das Geld brauchst. Du hast mich für Geld wochenlang verarscht und für dumm verkauft! Danke, wirklich, vielen Dank, so genannte beste Freundin!"

Ich drehte mich ab und schlug mit aller Kraft, oder besser gesagt mit ausreichend Wut im Bauch gegen den grünen Spind neben mir. Dann streifte ich mir die Handschuhe ab, schnappte mir meine Tasche und verließ den Boxclub und somit auch meine beste Freundin und unseren Trainer, von denen ich beiden zu tiefst enttäuscht war.

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Nach langer, langer Zeit ist hier das vor- oder vorvorletzte Kapitel!

Vielen Dank für eure Geduld, es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich habe Abi geschrieben und war danach im Skiurlaub, wo ich nur schlechtes WLAN hatte.

Wünsche euch eine schöne Woche und vielleicht gibt es an Ostern noch das letzte Kapitel! :)

Eure Franzi

Fight for it! - Der Kampf meines LebensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt