81. Kapitel

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81. Kapitel - ... und falsche Wahrheit

I'm breaking free from these memories
Gotta let it go, just let it go
I've said goodbye
Set it all on fire
Gotta let it go, just let it go
-Avril Lavigne (Let me go)

Ich lief neben Vincent die Stufen des Treppenhauses hinunter. Der Rest der Einheit war direkt hinter uns. Keiner Sprach ein Wort, lediglich unsere donnernden Schritte hallten von den weißen Wänden wieder. Im Erdgeschoss angekommen gingen wir zum Eingang, nahmen unsere Jacken und abgegebenen Gegenstände entgegen und verließen anschließend das Hauptgebäude. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu und sah mich dann um. Wir standen alle in einer Art Halbkreis und schauten uns nacheinander an. Noch immer herrschte Schweigen, doch man konnte sehen, dass jeder für sich gerade erst realisierte, dass es wirklich ein Ende hatte. Die Vermissten waren gefunden worden und würden ihren Familien übergeben werden, damit die Särge nicht länger leer blieben.

Mein Blick blieb an Jenkins hängen, der neben mir stand. Fragend ruhte sein Blick auf mir. Ich begann leicht zu nicken und lächelte sogar kurz. Es war komisch, irgendwie krank, aber ich fühlte mich befreit. Ich wusste endlich mit Sicherheit, dass Leo tot war. Es würde keine weitere Nacht vergehen, in der ich mich fragte, ob er nicht doch irgendwo da draußen war und darauf wartete, dass man ihn fand. Kein Tag würde an mir vorübergehen, an dem ich mich nur damit beschäftigte, ihn endlich nach Hause zu bringen. Ich hatte mein Leben wieder. Zumindest einen Teil davon.

Ohne Worte des Abschiedes, Handschläge oder Umarmungen löste die Truppe sich auf. Jeder lief in eine andere Richtung, die Meisten zum Parkplatz, andere zu den Kasernen oder dem Ausgang. Dean und ich gingen langsam zum Haupttor und schlenderten schweigend die Straßen entlang, bis wir bei dem Café ankamen, in dem Hanna auf uns wartete. Ich entdeckte sie in einer der hinteren Ecken. Dean zog mir einen Stuhl zurück, auf den ich mich dankend setzte. Er selbst nahm neben mir Platz und bestellte uns zwei Tassen Kaffee. Abwartend sah Hanna erst ihn, dann mich an. Fragen traute sie sich nicht. Sie wartete einfach darauf, dass einer von uns ihr sagte, was Sache ist.

„Das war's", sagte ich und schaute meine Freundin an.

Ein kurzes Lachen kam über meine Lippen, ehe ich ein Kribbeln in meiner Nase spürte und mir klar wurde, dass mir Tränen in den Augen standen. Ich richtete meinen Blick auf Dean, der nach meiner Hand griff und sie leicht drückte. Hanna tat dasselbe mit meiner anderen Hand. Sie nickte leicht und sagte, was mir die ganze Zeit auf den Lippen lag:

„Gut."

„Es war an der Zeit", ergänzte Dean, ehe er meine Hand losließ und einen Arm um mich legte.

Ich bettete meinen Kopf an seiner Schulter und weinte still ein paar Tränen. Die letzten, die ich wegen Leos Tod je vergießen sollte.

Eine halbe Stunde später klingelten wir bei Julia. Sie öffnete uns mit einer weinenden Lillyan auf dem Arm, die wild strampelte und ihre kleinen Fäuste in die Luft reckte.

„Oh, hey Leute. Kommt herein. Geht schon einmal ins Wohnzimmer, ich versuche die kleine Maus in der Zwischenzeit zu beruhigen", erklärte sie gestresst.

Sie sah müde und leicht überfordert aus. Vermutlich würde es auch noch eine Weile dauern  bis Lillyan die Sache mit dem Durchschlafen heraus hätte. Lächelnd ging ich zu meiner Freundin und hielt auffordernd meine Hände in ihre Richtung. Dankbar legte sie mir ihre Tochter in die Arme.

„Oh wow, du bist ganz schön groß geworden. Das hast du bestimmt von deinem Daddy, der war auch ein wirklich großer Mann", sagte ich leise und strich dem Bündel in meinen Armen über die Backen. Nach und nach beruhigte sie sich, während wir uns im Wohnzimmer auf die Sessel und das Sofa verteilten.

The New MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt