63. Kapitel

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63. Kapitel - Die Macht über einen Anderen

Die Gesellschaft ist eine Welle. Sie selbst bewegt sich vorwärts, nicht aber das Wasser, woraus sie besteht.

- Ralph Waldo Emerson

Alex und ich verabschiedeten uns nach zwei Stunden, da wir beide müde waren und Julia etwas Luft zum Atmen geben wollten. Auch wenn ihr das mit Sicherheit schwer fiel, bei dem vollen Zimmer. Ich verabschiedete mich auch von allen Anderen, nur nicht von meinen Eltern. Es war nicht richtig, aber ich konnte mich einfach nicht überwinden. Meine Wut auf sie war einfach noch zu groß.

Wortlos liefen Alex und ich zu seinem Wagen. Er schien über etwas nachzudenken und ich freute mich noch immer über die angebotene Patenschaft und natürlich über Lillyan. Als wir im Auto saßen, sah ich Alex so lange an, bis er es endlich bemerkte und an einer Ampel seinen Blick in meine Richtung wandte.

„Du bist schon wieder ganz woanders", stellte ich lächelnd fest.

„Du auch", erwiderte er.

„Wohl wahr. Julias Angebot hat mich überwältigt. Aber ... das ist es nicht", sagte ich und sah finster aus dem Fenster.

„Deine Mum?", hakte Alex nach und fuhr an, kaum dass die Ampel auf grün gesprungen war.

„Meine Eltern. Sie haben es nicht einmal geschafft, aufzuräumen. Es ist wieder alles an mir hängen geblieben. Ich weiß, das ist vielleicht etwas kleinlich, aber ...", setzte ich an, wurde aber von Alex unterbrochen.

„Das ist überhaupt nicht kleinlich. Seit dein Bruder verschwunden ist, musstest du dich um alles kümmern, obwohl sie deine Eltern sind und nicht umgekehrt. Ich kann verstehen, dass dich das wütend macht. Würde es mich auch."

Nachdenklich lehnte ich mich zurück und drehte den Kopf zurück in Alexanders Richtung. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Er brachte mir soviel Verständnis entgegen, obwohl wir unseren Streit, jedenfalls meiner Meinung nach, nicht wirklich beigelegt hatten.

„Aussteigen", sagte Alex plötzlich, zog den Schlüssel ab und stieg ebenfalls aus.

Verwundert tat ich, was er sagte, nur um festzustellen, dass wir nicht bei mir zu Hause waren. Wir waren bei Alex.

„Ich dachte mir, dass du bestimmt nicht nach Hause willst", erklärte er und lief zum Hauseingang.

Widerstandslos folgte ich ihm nach drinnen und hoch zum Penthouse. Wie Recht er doch hatte. Alex kannte mich manchmal besser als ich mich selbst.

In seiner Wohnung angekommen, stellte ich meine Tasche wie gewohnt auf die Arbeitsplatte, meine Schuhe unter die Garderobe, zu seinen. Barfuss lief ich über den kühlen Boden zum Kühlschrank. Wie selbstverständlich, nahm ich eine Flasche Wasser heraus, während Alex schon aus einem der Schränke Gläser nahm. Er stellte sie auf der Arbeitsplatte ab und sah mir dabei zu, wie ich einschenkte. Alex nippte an seinem Glas, ich tat es ihm gleich und musterte ihn dabei.

„Hast du mir eigentlich verziehen?", fragte ich nach einer Weile des Schweigens.

Verwundert sah er mich aus seinen grünen Augen an.

„Ich meine die Sache mit Kyle. Du hast nichts mehr dazu gesagt, seit ich dir davon erzählt habe", erklärte ich mich und stellte mein Glas ab.

„Wir hatten nicht wirklich die Zeit zum Reden", meinte Alex nur und lief zum Sofa.

Ich folgte ihm und setzte mich im Schneidersitz auf den Boden. Alex setzte sich auf die Couch und sah zu mir herunter. Er stützte die Unterarme auf den Unterschenkeln ab und beugte sich vor, während ich meinen linken Arm auf das Polster legte und das Kinn darauf abstützte.

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