Kapitel 66

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Hailey hatte diese Nacht in ihrem eigenen Zimmer verbracht. Bis Mitternacht hatte sie nämlich noch mit Ava geredet und es wäre schlichtweg nicht möglich gewesen, nochmal zum Jungentrakt zu gelangen. Außerdem glaubte sie, dass sie Lauren langsam ziemlich auf die Nerven ging und beschloss, ab sofort wieder bei sich „einzuziehen“. Irgendwann, war Ava gähnend, aber scheinbar sehr dankbar über diese Vertrautheit ins Bett gegangen. Und Hailey, Hailey war nur noch schnell duschen gegangen und weg gedämmert. Die letzten Stunden Schlaf spendeten ihr herzlich wenig Kraft und das, obwohl sie diese dringend brauchen würde. Als sie aufwachte, war es immer noch finster draußen. Als wäre die Sonne beleidigt, weil man sie anscheinend aufgegeben hatte. Hailey öffnete die Vorhänge, schloss sie dann aber schnell wieder. Es war, als würden die Schneeflocken draußen ihr jegliche Wärme aus dem Körper ziehen. Sie fröstelte und zog sich dann eine Jacke über. Draußen kamen ihr nur noch einige Nachzügler entgegen, die wohl auch etwas zu lang gepennt hatten und sie schlängelte sich an ihnen vorbei. Stöhnend fiel ihr ein, dass sie ihre Zahnbürste im Zimmer vergessen hatte. Nachdem sie ihre alte am Tag von Mar' s Beerdigung im Klo versenkt hatte, musste sie sich eine neue besorgen und den irritierten Blick Amelia' s hinnehmen, als sie auf ihre Frage hin, wo ihre alte denn sei „Sie ruhet in Frieden in der Kanalisation, zwischen Scheiße und Ratten.“ geantwortet hatte. Keine Ahnung, was sie da geritten hatte, aber es hatte gut getan. Hailey sollte viel öfter so sein. Viel öfter. Als sie nun zum zweiten Mal an diesem Tag ins Bad kam, beeilte sie sich mit duschen und Zähneputzen. Nur mit einem Handtuch bekleidet, beugte sie sich über das Waschbecken und spuckte das Wasser zum Auspülen in den Ausguss. Als sie sich wieder aufrichtete, fiel ihr etwas auf, auf das sie eine ganze Weile nicht geachtet hatte. Sehr lange. Der schmale Schriftzug, das blaue „R“ an ihrem Hals war kaum noch sichtbar. Es schien allmählich zu verblassen. Oder war das schon immer so gewesen? Hailey konnte sich erinnern, dass es noch nicht ganz ausgeprägt gewesen war, aber nun existierte es ja beinahe nicht mehr. War das ein Zeichen?

„Gibt' s hier was umsonst, oder was glotzt du so in den Spiegel?“, gähnte plötzlich Chloe hinter ihr. Hailey lächelte und drehte sich schnell um.

„War das schon immer so?“, fragte sie ihre Freundin und deutete auf ihren Hals.

„Keine Ahnung, das muss noch deutlicher werden. Wie bei den Offizieren. Den Säcken.“ Chloe schlang die Arme um ihren Oberkörper und fröstelte im kurzen Pyjama. Hailey wollte noch etwas erwiedern, doch Chloe ergriff ihr Handgelenk und zog sie aus dem Bad.

„Wir sehen uns gleich.“, murmelte sie noch einmal und beide verschwanden in Richtung ihrer Zimmer. Hailey schüttelte verwirrt den Kopf, Chloe hatte sie überhaupt nicht verstanden, oder hatte sie am Ende Recht? Eilig zog sie sich lange Sportklamotten an und machte sich auf den Weg zum Frühstück.

„In beide Hände, Hailey. Mach einen Ausfallschritt, du brauchst Standfestigkeit.“, verbesserte Morgan. Hailey mühte sich gerade mit einer Axt ab, die ihr scheinbar einfach nicht gefallen wollte. Warum mussten sie auch mit den Dingern kämpfen? Die waren doch total unhandlich. Gut, man konnte damit locker jemanden den Schädel mit einem Wisch aus dem Handgelenk spalten, aber die besten Freunde eines Soldaten waren sie wohl nicht. Warum konnten sie nicht mit Speeren und Dolchen anfangen? Oder einfach so eine Art Selbstbedienung machen? So nach dem Motto „Man nehme sich was man wolle – Frohes Köpfeeinschlagen!“.

„Morgan, wann sind wir mit dem Scheiß endlich fertig?“, maulte nun Chloe.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt