Kapitel 39

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Ginger wälzte sich in ihrem Bett hin und her. Ihre Hand schmerzte und sie fühlte sich so schrecklich alleine wie schon lange nicht mehr. Einen Moment lang dachte sie, sie müsste aufstehen und in den Behandlungsraum stürmen. Dort, wo ihre Schöne auf sie wartete. Ginger wollte wieder ihre Haare schneiden. Ihre Augen färben. Sie schön anziehen. Doch da fiel ihr wieder ein, dass Scarlett Silverstone lebte und nicht mehr auf sie wartete. Wenn sie das Mädchen sehen wollte, musste sie zu ihr gehen. Und genau das, würde sie jetzt auch tun. Die Summerin stand auf und zerrte wahllos Kleidung aus ihrem Schrank. Das kleine Zimmer auf dem Personaltrakt war dunkel. Doch es war Winter, womöglich brach der Morgen dennoch schon an. Und tatsächlich, ihre Armbanduhr schlug gerade sechs Uhr in der Früh. Der Gang war leer und Ginger fröstelte und wie so oft, wenn sie keine Emotionen in ihrem welkem Herzen spürte, summte sie. Die tödliche Melodie schallte an den Wänden entlang und borg sie in Friede. Nicht lange brauchte sie um zu den Zimmern der Coaches zu gelangen. Prüfend lugte sie durch jedes Schlüsselloch, bis schließlich ein Lichtblick sie zum lächeln brachte. Im Zimmer war die Lampe angeschaltet und sie konnte eine schmale Silhouette erkennen. Erfreut stellte sie fest, dass es tatsächlich ihr Mädchen war. Die Schöne. Sie zog sich gerade an. Ihr langes Haar fiel ihr sanft um die Taille und Ginger‘ s Herz flatterte, als sie die dünnen Linien an ihrem Körper erblickte. Das Tattoo begann sich zurück zu kämpfen. Die Schöne zog sich gerade einen Pullover über, da bemerkte sie die ungewohnten Streifen an ihrem Körper. Mit Genugtuung bemerkte die Summerin die Furcht in dem Gesicht der Goldenen. Bald, oh ja bald, würde sie zur Krankenstation eilen und dann, dann würde Ginger sie endlich wieder sehen. Dann würde sie endlich wieder ihre Haut berühren dürfen. Dann würde sie endlich wieder leben können. Seufzend löste sie sich von der Tür und schwebte förmlich davon. Sie musste zu ihrer Kammer und auf das Mädchen warten. Eilig hastete sie die Treppen herab und gerade als sie auf der Station angekommen war, kam ihr von der Seite des anderen Traktes ein Junge und ein Mädchen entgegen. Er schob sie in einem Rollstuhl. Ginger betrachtete kurz ihr Gesicht. War sie nicht dieses Gör, das ihr auf dem Friedhof gefolgt war? Eindeutig. Und wieder erkannt hatte sie Ginger auch als eine Schwester ihre Hand verbunden hatte. Die Summerin knirschte mit den Zähnen. Mit erhobener Nase verschwand sie auf dem Flur und ignorierte das plötzliche Aufkeuchen hinter sich.

Als Hailey, die immer noch sauer war, weil Adam sie in den Rollstuhl gezwungen hatte, die blonde Frau sah, zuckte sie zusammen. „A…Adam.“, keuchte sie. „Beruhig dich, Babe.“, flüsterte der aber nur und schob sie weiter. „Sie ist es wirklich. Ich habe sie doch gesehen.“, keuchte sie und unterdrückte ein Würgen. „Wir sind ja gleich wieder weg, ich bin bei dir, okay?“ Stumm nickte Hailey. Ihre Finger gruben sich in die Armlehne und sie richtete sich krampfhaft auf. „Entspann dich.“, murmelte Adam und strich ihr über das Haar. „Ah Hailey Rose, kommen Sie doch gleich rein. Dann fangen wir sofort an.“ Der Hamster schien komischerweise immer fetter zu werden. Wo zur Hölle bekam die ihr Essen her? Vollkornnudeln und Eintopf konnten es ja wohl nicht sein. Hailey war neidisch. „Legst du dich hin?“ Ihre dicken Backen leuchteten wie ein praller Apfel, als sie auf die Liege wies. Adam half Hailey auf und sie tat was der Hamster sagte. Der desinfizierte seine Hände und zog dann Handschuhe über. Wie unlogisch. Erst begutachtete sie Hailey‘ s verbundene Hände, doch die waren schnell versorgt. Vorsichtig zog der Hamster Hailey‘ s Shirt hoch und betrachtete die Naht. „Das sieht so rot aus. Vielleicht eine Infektion. Hast du immer noch Fieber?“ Erschrocken schüttelte Hailey den Kopf, doch der Hamster schob eine Hand auf ihre Stirn und zog dann die Augenbrauen hoch. „Ich bin gleich wieder da.“, sagte sie und verschwand aus dem Behandlungsraum. Adam meinte ein leises „Das hat man davon, wenn man keine Antibiotika nimmt.“ zu hören. „Ist das, weil ich keine Infusion wollte?“, fragte sie. Adam nahm ihre Hand. „Du brauchst ihre Drogen nicht. Du bist stark, Babe, du heilst dich selber. Auch wenn es länger dauert.“ Ohne Vorwarnung öffnete sich die Tür und ein Arzt kam vom Hamster gefolgt herein. „Hailey Rose.“ Er nickte ihr zu und zog sich Handschuhe über. Ohne Vorwarnung tastete er die Naht ab und Hailey schrie vor Schmerz auf. „Es hat sich entzündet. Hailey, Sie müssen Antibiotika nehmen. Und zwar ab sofort!“ Hailey traute sich nicht zu widersprechen. „Ist das wirklich notwendig?“, fragte Adam für sie. „Ohne Zweifel, Adam. Wenn wir ihrem Körper jetzt nicht helfen, schafft sie es vielleicht nicht.“ Gänsehaut kroch Hailey die Wirbelsäule hoch. „Sie bleiben hier. Das Antibiotikum muss alle acht Stunden verabreicht werden.“ Der Arzt half Hailey hoch und schob sie zum Rollstuhl. Sofort schob er sie in das ihr vertraute Zimmer, wo schon ein frisch gemachtes Bett wartete. Murrend ließ Hailey sich darin nieder. Als der Arzt jedoch ihr Handgelenk nahm und es begann zu desinfizieren schaltete Adam sich wieder ein. „Was machen Sie da?“, fragte er misstrauisch. „Ich bereite ihren Einlauf vor.“ Unbeirrt stach er eine Nadel in das zarte rosa Fleisch. Hailey zuckte nicht. „Wir verabreichen ihr begleitend Kochsalzlösung um sie zu stärken.“ Adam schüttelte den Kopf. Der Arzt ließ sich vom Hamster einen Infusionsbeutel reichen und steckte alles zusammen. „Das braucht sie doch gar nicht. Machen Sie das sofort ab.“, knurrte Adam. „Adam, ich bitte Sie. Wir wollen hier doch keine unschöne Szene. Hailey braucht Ruhe, Aufregung ist jetzt das Letzte für ihren Körper.“ Fassungslos klappte Adam der Mund runter und unwissend, dass genau diese Szene sich so ähnlich schon einmal mit anderen Personen abgespielt hatte, drängte er den Arzt bei Seite und hielt Hailey‘ s Blick fest. „Ich mach das für dich, ja?“, flüsterte er. Sie nickte auch wenn sie nicht sofort verstand was er meinte. Sie verstand erst, als Adam ihr Handgelenk ergriff und ruckartig die Nadel heraus riss. Hailey lächelte. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie lächelte. Erst als mehrere Krieger das Zimmer stürmten und Adam an den Armen ergriffen schrie sie. „Lasst ihn in Ruhe, ihr Penner! Tut ihm nicht weh!“ Tränen und Blut vermischten sich und Hailey versuchte die nahende Ohnmacht abzuwenden, doch als Adam aus dem Zimmer gezerrt wurde, konnte sie nicht mehr an sich halten und stand taumelnd auf. Der Schwindel übermannte sie und in tiefer Furcht spürte sie die Hände des Arztes und des Hamsters an sich, als sie das Bewusstsein verlor.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt