Kapitel 27

5.3K 421 10
                                    

Lustlos stocherte Hailey in ihrem Auflauf herum. Sie hasste den Brokkoli, sie hasste die fettarme Creme Fraiche und sie hasste es, dass nicht einmal eine verdammte Portion Kartoffeln in dieser Beleidigung von Mittagessen vorhanden war. Ihre schlechte Laune rührte natürlich nicht einzig und allein von dem Gratin, die Beisetzung beschäftigte sie immer noch und der einzige Ausweg der sich ihr bot schien über alles andere wütend zu sein. „Hey, das Essen kann doch nichts dafür!“, belehrte Lauren sie. Seine Stirn zierte mittlerweile eine Beule im Ausmaß eines Straußeneis. „Aber es wehrt sich nicht!“, knurrte Hailey und vernichtete die grüngelbliche Pampe jetzt vollständig. „Sieht aus wie Rotze!“, stellte Chloe angewidert fest. „Super Beitrag Chloe, das macht uns alle bestimmt richtig Bock auf essen.“, murrte Adam. Ja, man konnte sagen, dass ausnahmslos jeder eine Laune wie sieben Tage Regenwetter hatte. Die Tatsache, dass Liverpool, Coach auch noch für alle Schüler zur Strafe für ihr Fehlen ein Extratraining am Nachmittag angesetzt hatte, ließen den Regen zu Tischtennisballgroßen Hagelkörnern werden. Plötzlich setzte sich eine weitere Person zu der Gruppe. Morgan hatte einen Teller mit Steak und Kartoffeln mit, doch er sah nicht so aus, als hätte er vor es zu essen. Er sah Hailey‘ s sehnsüchtigen Blick auf die dampfende Köstlichkeit. Wortlos schob er ihr den Teller hin und sofort sammelten sich Chloe, Ava und Lauren um Hailey. Adam rutschte gerade noch so aus ihrer Laufbahn und musterte Morgan. „Wie läuft‘ s, Mann?“, fragte er. Morgan gab sich nicht die Mühe ein Lächeln zu erzwingen. „Momentan bin ich noch im Loch. Keine Ahnung, wird wohl eine Weile so bleiben.“ Lustlos zuckte er mit den Schultern. „Habt ihr heute Training?“, fragte er und musterte die gierige Meute, die untereinander mehr schlecht als Recht das Steak aufteilte. „Du kennst dieses Weib besser als ich!“, antwortete Adam und Morgan musste leise lachen. „Ich werde mitmachen.“, meinte er dann. Adam zog die dunkelblonden Augenbrauen zusammen. „Sicher?“ Morgan nickte. „Zu sterben macht sie auch nicht wieder lebendig.“

Mittlerweile liefen sie die zehnte Runde durch die Kälte und Liverpool, Coach schien noch lange nicht an dem Punkt angelangt, sie pausieren zu lassen. Wie ein giftiger kleiner Teufel stand sie in der Mitte des Hofes zwischen Turnhalle und Wohngebäude und pfiff alle paar Sekunden in ihre grässlich nervige Pfeiffe, wenn ein Schüler weniger als zwanzig Kilometer die Stunde lief. Selbst Chloe‘ s Wangen waren rot angelaufen und ihre Lunge schien sich langsam von innen einzufrieren. Als Kühlschrank könnte sie nun sehr gut fungieren. Perfektes Gegenstück wäre Liverpool, Coach. Es schien, als würde sie innerlich explodieren vor Schadenfreude und sie ließ jeden einzelnen in der Hölle schmoren. Morgan lief ohne einen Kommentar zu hinterlassen mit, doch auch er schien sichtlich erleichtert, als sie endlich einen abschließenden Seufzer durch die Pfeife tosen ließ und alle in die Halle krochen. Keuchend saßen sie am Boden, doch keiner wagte es, das Wasser auch nur anzusehen. „Das war doch ganz nett. Cadence, Chloe!“, brüllte Liverpool, Coach den Namen und Chloe, die platt auf dem Boden lag hob leicht den Kopf. „Sie und ihre reizende kleine Freundin werden uns eine Demonstration ihrer erlernten Techniken mit den Rouladenspießen vorführen.“ Chloe zuckte zusammen. Wusste Liverpool, Coach von ihrer Beziehung? Nein, das war nicht möglich. Trotzdem warf sie Hailey einen verwirrten Blick zu, doch diese schüttelte konsequent den Kopf. Dann war es wohl einfach eine unglückliche Wortwahl. Ava zog Chloe hoch und die beiden holten sich jeweils ein Messer. „Und seien Sie nicht sparsam mit ihren Fähigkeiten!“, knurrte das Weib. Chloe und Ava warfen sich einen neutralen Blick zu und dann sprangen sie aufeinander zu. Das Ratschen von Kleidung und das Klirren der Klingen tönte durch die Turnhalle und oft waren die beiden in ein Wirrwar aus Körperteilen verhakt. Trotzdem schien alles so dynamisch. „Das reicht!“, herrschte Liverpool, Coach sie nach einer Weile an. Sofort hielten die beiden Mädchen inne. Fassungslos musterte der Coach sie von oben bis unten. Ihre Kleidung war zerfetzt und die Klingen abgestumpft, doch nirgendwo war auch nur eine Stichwunde zu erkennen. Hailey kicherte leise. „Finden Sie das witzig, Rose, Hailey?“, fauchte Liverpool, Coach. „Sie sind der nächste. Lie, Lauren! Sie sind ihr Partner.“, ordnete sie an und Hailey wurde kreidebleich. Adam schubste sie vor, doch nicht zuletzt mussten sich alle ein Grinsen verkneifen, als sie Lauren‘ s Nachnamen zum ersten Mal hörten. Verängstigt warf Hailey ihm einen Blick zu, den er direkt richtig deute. „Ich kämpfe nicht gegen Mädchen!“ Er verschränkte die Arme und setzte ein divenhaftes Gesicht auf. Er war ein guter Schauspieler. „Wenn Sie später für den König kämpfen können Sie davon ausgehen, dass Ihnen nicht nur testosterongesteuerte Idioten in den Weg kommen werden, sondern auch Frauen!“ Liverpool, Coach‘ s Gesicht war rot angelaufen und sie spuckte beim Sprechen. „Jetzt bewegen Sie sich!“, schrie sie weiter und Hailey zuckte dabei so sehr zusammen, dass sie sich an Lauren‘ s Arm klammerte. Trotzdem er erst fünfzehn, also ein Jahr jünger als sie, war, überragte er sie um einige Zentimeter. Stur schüttelte den Kopf. Ein dreckiges Grinsen lief über Liverpool, Coach‘ s Gesicht. „Wenn Sie so ein Gentleman sind, Lie, dann werden wir wohl eine andere Lösung für die vorlaute Miss Rose finden müssen.“ Sie grinste immer noch. „Setzen!“, brüllte sie und starrte dabei Lauren an. Der bekam es jetzt doch mit der Angst zu tun und tat was sie sagte. „Gegen Mädchen kämpfen Sie nicht? Nun, dann werde ich mich wohl zur Verfügung stellen. Schließlich bin ich ja auch ein Mädchen. Bin ich im Recht mit dieser Annahme?“, meinte sie süffisant. Hailey riss die Augen vor Schreck auf. „S…Sie?“, fragte Hailey. „Ja ich.“ Und Hailey spürte schon jetzt jeden einzelnen Knochen in ihrem Körper schmerzen. Die Trauer um Mar war nun gänzlich vergessen, zumindest für diesen Augenblick. „Das können Sie nicht machen!“, regte Adam sich auf und stellte sich vor Hailey. Doch Liverpool, Coach schob ihn wie einen ekligen Nachtisch beiseite. „Bewaffnen Sie sich, Rose!“ Spucke landete auf Hailey‘ s Brust und sie musste sich ein Würgen verkneifen. Zitternd nahm sie sich ein Messer und Liverpool, Coach zog wie zuvor bei Adam ihr eigenes aus der Schwertscheide. Wie in einem schlechten Film knackte sie mit ihrem Nacken und stellte sich schulterbreit auf. „Fangen Sie an!“ Quikend schüttelte Hailey den Kopf und Liverpool, Coach rollte mit den Augen. Ohne Vorwarnung ging sie auf Hailey zu und holte aus. Den ersten Stoß konnte Hailey entkommen und beim zweiten Angriff duckte sie sich unter Liverpool, Coach‘ s Messer hinweg. Kreischend sprang sie zur Seite und rannte um ihr Leben. Erst stürmte sie nur kopflos durch die Turnhalle, die Kampfsau war ihr dicht auf den Fersen. „Rennen Sie nicht weg wie ein kleines Mädchen!“, brüllte sie wütend. „Ich will nicht sterben!“, heulte Hailey und fuchtelte mit den Armen in der Luft. Adam war so fassungslos, dass er sich nicht bewegen konnte und auch der Rest war unfähig irgendetwas zu tun. Bei Hailey‘ s dritter Runde bog sie scharf ab und stieß die Tür nach draußen auf. Der Coach folgte ihr und die Tür fiel ins Schloss. „Bleiben Sie stehen, Sie Memme!“, hörte man sie noch tosen, doch dann verschluckte der Schneesturm draußen ihre Stimmen. „Was machen wir jetzt?“, fragte Lauren. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Hätte er doch nur gegen Hailey gekämpft. Er hätte es wie Chloe und Ava machen können. Doch nein, er musste den Helden spielen. Sekunden schienen sich in Stunden zu verwandeln bis Adam aufsprang und zur Tür stampfte. Gerade als er sie aufreißen wollte kam Liverpool, Coach ihm entgegen. Entgeistert betrachtete er sie, wie sie ihr Messer mit einem Taschentuch abwischte. „Was haben Sie getan?“ Liverpool, Coach zuckte mit den Achseln. „Halb so wild. Ist nicht allzu tief. Ich würde mich allerdings beeilen, draußen ist es wirklich sehr kalt!“ Nun die Fassung verlierend ließ Adam sie stehen und rannte hinaus. Schon aus der Ferne konnte er sie durch das Schneetreiben sehen. Hailey lag auf der Erde flach auf dem Rücken. Sie hielt sich die Seite und stöhnte leise. Adam war sofort bei ihr. „Scheiße Hailey!“, quetschte er hervor. „Dieses Miststück.“, ächzte Hailey und Tränen rannen in den Schnee. Vorsichtig löste Adam ihre Hände von ihrer Taille und versuchte das Blut an ihren Fingern zu ignorieren. In ihrer Trainingsjacke war ein tiefer Riss und darunter erkannte er einen noch tieferen Schnitt in ihrem Fleisch. Mindestens zehn Zentimeter lang. „Tut mir leid.“, murmelte Hailey. Und dann waren auch Chloe, Ava und Lauren da und hockten sich alle zu ihr herab. „Dir muss das nicht leid tun!“ Hailey schluckte und schrie leise auf, als Adam den Stoff nun noch mehr auseinander riss um die Wunde besser betrachten zu können. „Doch. Ich bring mich immer in so bescheuerte Schwierigkeiten.“ Adam ging nicht auf ihr schlechtes Gewissen ein. „Lauren? Hilf mir sie reinzubringen!“ Lauren nickte und stützte Hailey, als Adam sie hochhob. Ihr wurde schwindelig und immer mehr Blut tropfte in den Schnee. Das kannte sie doch. Der Blutverlust machte sie schläfrig und noch ehe sie am Gebäude angelangt waren wurde sie bewusstlos.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt