Kapitel 7

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7.

Mar warf sich ihre leichte Joggingjacke über und schob Hailey auf ihr Wohngebäude zu. Ava, Chloe und Adam schnatterten für ihren Geschmack zu viel und so überließ sie es ihnen, sich mit Hailey zu unterhalten. Sie war in Gedanken bei Morgan. „Was meinst du, Mar?“, riss Ava sie plötzlich aus den Gedanken. „Was?“ Ertappt schreckte Mar auf und hielt ruckartig an. Hailey musste sich festhalten um nicht vornüber aus dem Rollstuhl zu fallen. Adam hielt sich an der Schulter fest. Hailey blickte zu ihm auf und verlor sich für endlos wirkende Momente in seinen tiefgründig grünen Augen. Sein Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln und ihr Herz schien sich zu überschlagen. Doch auch sie wurden von Ava aus diesem Überschlag der Gefühle gezerrt und plump auf die Erde gestoßen. „Wir wollen heute einen Filmabend machen! Was hältst du davon?“, fragte sie Mar. „Ich hab keine Zeit!“, rutschte es ihr heraus. Fragende Blicke schienen sie schmatzend zu verspeisen. „Ich…ich habe heute Abend eine extra Trainingsstunde.“ Chloe gluckste. „Mit Morgan?“ Mar lief rot an, ungewohnt für sie. „Nein…alleine. Ich hab gefragt, ob ich den Trainingsraum benutzen darf.“ Chloe wackelte mit den Augenbrauen. „Schon klar. Und dein Trainingsgerät ist dann wer oder was?“ Mar zischte. Ihre Scham verwandelte sich in leichte Wut. Was ging es die anderen an? Schließlich war das ihre Entscheidung, was sie abends tat oder nicht tat. „Schon okay Mar, wir wissen Bescheid.“ Und Mar wusste nicht wieso, aber plötzlich hatte sie das Bedürfnis zu laufen. Wegzurennen. Zu Morgan. Nicht heute Abend, nicht später, sondern genau jetzt. Und das tat sie auch und ließ ihre verdatterten Freunde zurück.

„Was hat sie denn?“, fragte Chloe. Ava zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Als ob wir das jemals gewusst hätten.“ Sie fielen in ein schallendes Gelächter und übertönten damit Mar‘ s Schritte, die nicht lauter als ein Atemzug zu sein schienen. Adam ergriff nun ihre Position und schob Hailey weiter. Plötzlich blieb Chloe wie erstarrt stehen. „Scheiße!“, fluchte sie und Hailey war sich nicht sicher, ob sie nun lachen oder sich sorgen sollte, denn so einen mehr oder weniger heftigen Ausdruck hatte sie bisher noch nicht aus Chloe‘ s schönem Mund gehört. Sie betrachtete ihre Freundin genau. Das Mädchen, dass ihr ausversehen das Bein gebrochen hatte. Mit ihrer zierlichen Statur und den kurzen frechen Haaren hätte sie ihr das wohl nie zugetraut. In ihren mandelförmigen Augen lag Entsetzen und sie schien wie ein Eiszapfen eingefroren. „Was ist denn C?“, fragte Ava beunruhigt. „Ich habe mein Armband in der Turnhalle liegen lassen. Bei den Wasserflaschen.“ Ava entspannte sich und wirkte nun leicht genervt. „Und das ist so weltbewegend, dass du mir einen halben Herzinfarkt bereitest?“ Chloe wirbelte herum und ihre Augen glitzerten verdächtig. „Das ist das Armband, das meine Oma bei ihrer Hochzeit getragen hat. Was, wenn jemand es mitgehen lassen hat?“ Ava schüttelte resignierend den Kopf. „Na los, wir gehen nochmal zurück und suchen es!“ Sie joggten los und im Laufen drehte sich die schöne Brasilianerin nochmal um und rief: „Geht schon mal vor!“ Das winzige Zwinkern in ihren braunen Augen entging Hailey nicht und sie musste schlucken. Sie war noch nicht mit Adam allein gewesen. Adam war groß und muskulös, vergleichbar mit einem etwas zu jung geratenen Männermodel. Und er mochte sie, daran hegte sie keinen Zweifel. Adam zuckte mit den Schultern und schob sie zum Eingang. Doch kurz bevor er die Tür öffnete bemerkte er, wie sich Hailey‘ s Finger in die Armlehnen krallten. „Was ist los? Alles okay?“ Hailey schüttelte den Kopf. Von einer auf die andere Sekunde schien sie sich zu verwandeln. Sie erinnerte sich plötzlich. Tiefe Übelkeit kam in ihr auf und sie beugte sich zur Seite um sich zu übergeben. Ihr wurde unglaublich schwindelig und sie konnte nur noch an die Bilder in ihrem Kopf denken. Adam erschrak, als er Hailey sah und ergriff sie an den Schultern. Er sah, wie sie benommen blinzelte und ihn ergriff die Angst um die wunderschöne süße Hailey. „Hailey, nicht ohnmächtig werden! Bleib bei mir!“, murmelte er und tätschelte leicht ihre Wange. „Adam…mir…“ Doch sie brach ab. Ein Schauder überzog ihren Rücken, als die Erinnerung immer wieder ihre Wirbelsäule hinauf und hinab sauste. Kurzerhand hob er sie aus dem Rollstuhl. Schwach legte sie ihren Arm um seinen Nacken und er sah das unglaubliche Grauen in ihren Pupillen. „Du brauchst einen Arzt!“, sagte er klar und deutlich, damit sie ihn auch verstand. „Nein!“, keuchte sie. Jetzt funkelte nackte Angst in ihren Augen. „Nein, bitte nicht! Bring mich bitte einfach auf mein Zimmer!“, bat sie. Er zögerte. „Hailey…“ Und wie er ihren Namen aussprach wäre in jedem anderen Moment eine Sinfonie in ihren Ohren gewesen, doch jetzt war es eine Bitte. Eine Bitte, dass er ihr helfen durfte. „Bitte bring mich einfach auf mein Zimmer! Ich erkläre es dir dann!“ Und weil er ihr vertraute trug er sie leise auf ihr Zimmer und legte sie auf ihr Bett. „Du bist ganz blass!“, flüsterte er. Vorsichtig strich er ihre Wange lang. „Was ist los?“ Sie schluckte. „Mar hatte Recht.“ Er verstand nicht. „Sie hatte Recht. Das Ganze ist wirklich passiert! Ich bin aufgewacht und hatte Schmerzen. Ich hatte Halluzinationen und die Ärzte haben sie weggezerrt. Und sie haben…“ Sie brach ab und fing an zu schluchzen. Stumme Tränen rannen ihr Gesicht hinab. „Sie haben mir irgendwelche Pillen gegeben. Sie haben mich gezwungen sie zu schlucken.“ Adam wusste, wie schwer es Hailey fiel all das auszusprechen. „Und dann?“ Er musste die Wahrheit erfahren. Um Hailey künftig beschützen zu können. „Sie haben mich betäubt Adam! Und mir gedroht!“ Und dann brach sie erneut ab. Adam öffnete die Arme zog sie an seine Brust. Sie drückte sich eng an ihn und die Tränen brachen den Damm. Er roch unglaublich gut und sie ließ alles aus sich heraus. „Das wird nicht nochmal passieren.“ Sie löste sich von ihm und blickte in seine Augen. Seine tiefen Augen. Er ließ sie nicht los. Auch nicht, als er seine Lippen sanft auf ihre legte und ihr das Gefühl von Sicherheit gab. Sicherheit, die sie seit sie hier war nicht einmal gänzlich gespürt hatte.

Die SoldatinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt