🌺 ZWEI *

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Die Sommerferien hatten gerade begonnen und so war Tristan sechs Wochen zu Hause, fast sieben. Selbst über so etwas und wie ich ihn betreuen sollte, um arbeiten zu gehen, hatte ich mir keine Gedanken gemacht. Was war ich nur für eine Mutter? Ich war doch eine Gefahr für mich und besonders für meine Kinder.
Wieder war es Ty, der die Zügel in die Hand nahm und mich vor vollendete Tatsachen stellte, in dem er mir eines abends verkündete, dass ich für Tristan, Sophie und meine Wenigkeit die Koffer packen sollte.
"Warum?"
Mehr brachte ich nicht über die Lippen.
"Weil du mit deinen Kindern Urlaub machen wirst und zwar oben am Meer, an eurem Haus. Keine Widerrede, Leyla. Ich habe schon mit deinem Chef gesprochen und du hast Urlaub, genauso habe ich schon mit Sophies Kindergarten gesprochen und auch dort ist es kein Problem. Morgen um 8 Uhr brechen wir auf."
"Aber ich kann hier nicht weg...was ist wenn Nate doch noch lebt und vor der Tür steht und ich bin nicht da", gab ich von mir und stellte im nächsten Moment fest wie absurd diese Möglichkeit doch war. Ty schüttelte den Kopf, nahm mich kurz in den Arm und ließ dann mich und meine Gedanken allein. Die Tatsache, dass wir zu unserem Haus fahren würden, drohte mich in den Abgrund zu reißen. Zu viele Erinnerungen an schöne Zeiten gab es dort. Doch wieder einmal holte Ty mich zurück, denn er redete mit Tristan und Sophie, die natürlich total aus dem Häuschen waren und mir beim Packen helfen wollten. Außerdem ließ mich die Aussicht ruhiger werden, dass Ty niemals in Erwägung gezogen hatte, mich dort alleine hinfahren zu lassen. Er war ein Engel.
Für ihn war das auch alles nicht leicht. Er hatte nicht nur seinen besten Freund verloren, sondern auch seinen Partner und hatte eigentlich genug mit der Firma zu tun. Doch seine erste Priorität galt mir und den Kindern, dabei vergaß er sich komplett. Ich war jedoch unfähig für mich alleine zu sorgen und dankbar für Tys Hilfe. Und dabei waren die Gespräche, die wir führten sehr einseitig. Irgendwie hatte ich meine Stimme verloren oder traute ihr nicht mehr wirklich über den Weg. Nur mit Tristan und Sophie sprach ich mehr als drei Wörter. Ob es sich je ändern würde?

Am nächsten Morgen fuhren wir Richtung Meer und je näher wir kamen, desto mulmiger wurde mir und wieder war es Ty, der mich unterstütze indem er sich die Kinder schnappte und mit ihnen zum Strand lief und ich Zeit für mich hatte. Zeit den Erinnerungen Raum zu geben. Meine Beine fanden von selbst den Weg in unser Schlafzimmer und ich setzte mich auf unser Bett und schloss meine Augen, ließ die Erinnerungen kommen. Nates Stimme war so real als ob er diese Reise mit mir machen würde.

"Baby, ich dachte du hättest dich von mir entfernt, weil du nach meiner Vergangenheitsbeichte nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest, weil du Angst vor mir hast...Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass du dich von mir entfernst, weil du denkst ich könnte dich nach deiner Offenbarung nicht mehr lieben...Dich und deinen Körper...
Baby, auf so etwas wäre ich nie gekommen. Ich brauche dich. Ich will nur dich...Was dir angetan wurde, ist nie wieder gut zu machen. So etwas hast gerade du nicht verdient. Ich wünschte ich könnte es für dich ungeschehen machen. Doch du kannst dir sicher sein, dass ich dich immer lieben werde und ich nie genug von dir und deinem wunderschönen Körper bekommen werde..."
Mein Blick war verschleiert, Tränen liefen mir über die Wange, aber ich hielt seinem Blick stand. Erleichterung durchflutete mich. Dieser Mann raubte mir einfach den Atem.
"Und damit du verstehst wie ich deinen Körper sehe, damit du dich durch meine Augen sehen kannst..."
Nate deutete auf den Spiegel und ich verstand und nickte stumm. Seine Hand wanderte zu meinem Gesicht und wischte mir meine Tränen weg.
"Baby, unsere Reise beginnt jetzt", flüsterte er mir ins Ohr und ich bekam eine Gänsehaut.

Eine Erinnerung, die ich nie mehr missen wollte. Ich spürte seine Hände und atmete seinen unbeschreiblichen einzigartigen Duft, der mir die Sinne nahm, ein. Es war so real und ich wollte die Hand nach ihm ausstrecken. Doch als ich die Augen öffnete, war ich allein.

Drei Wochen blieben wir am Meer und ich sah strahlende Kinderaugen. Das hätte Nathan hier gefallen...
Eigentlich wollte ich gar nicht zurück, doch Ty musste sich um die Firma kümmern. Er hatte abends meistens am Laptop gesessen oder steckte tagsüber in wichtigen Telefonkonferenzen. Die Firma musste weiterlaufen und so konnte er auch nicht länger fortbleiben. Also begann ich zu packen.
"Leyla, was machst du da", fragte er mich verwundert.
"Packen."
"Wozu?"
"Weil wir morgen doch abreisen."
"Nein. Ich reise morgen ab. Ihr bleibt noch hier. Michelle und Nick müssten jeden Moment ankommen. Sie bleiben 1 ½ Wochen und dann kommen Amy und Toby hoch. Die nehmen euch dann nach 1 ½ Wochen wieder mit nach Hause."
Das hatte er mir glaube ich schon mal gesagt, denn irgendwie kam es mir vage bekannt vor. Ich nickte nur und packte wieder aus. Ty kam auf mich zu, legte die Sachen weg, die ich gerade noch in der Hand hatte, und nahm mich in den Arm. Diese Umarmung hatte etwas tröstliches.
Er tat so viel und ich war so schrecklich abweisend zu ihm. Er war zum Beispiel auch der einzige, der mich anpacken durfte. Niemand durfte mich sonst anfassen, von meinen Kindern abgesehen. Ich ertrug es einfach nicht. Ich war ein abgefucktes Wrack...

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