~ Was ist los mit ihm?

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Liam Pov

Das warme Wasser umhüllte meinen Körper. Es schenkte mir die Wärme, die ich so dringend benötigte ... zumindest äußerlich, denn die innere Kälte konnte es nicht vertreiben. Ich fühlte mich leer, allein und einfach nur verloren. 

Stumm liefen mir die Tränen übers Gesicht. Tränen von denen nie Jemand erfahren würde. 

Mit geschlossenen Augen ließ ich mich tiefer ins Wasser gleiten und tauchte unter. 

Es könnte so einfach sein. Genau hier und jetzt könnte ich mein Leben enden lassen und dem Schmerz für immer entkommen. All meine Probleme würden sich einfach in Luft auflösen. Ich wäre frei. 

Es könnte so einfach sein ... war es aber nicht, weil ich ein verdammter Feigling war. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, mein Leben hinter mir zu lassen, war da dieser kleine Funken Lebenswillen, der mich aufhielt. 

So leider auch dieses Mal. 

Mit beiden Händen umschloss den Rand der Bandwanne, um mich an diesem hochzuziehen. Ich durchbrach die Wasseroberfläche und atmete einige Male tief durch, ehe ich mich wieder zurücklehnte und nach der Whiskyflasche, die neben der Wanne aufm Boden stand, griff. Ohne mit den Wimpern zu zucken setzte ich die Öffnung an die Lippen und nahm einige große Schlucke, die an diesem Abend bei weitem nicht die Ersten waren. 

Es benötigte immer mehr Alkohol, um dem Schmerz zumindest für eine gewisse Zeit zu entkommen. 

Seufzend stieg ich aus der Wanne, nahm einen letzten Schluck und verstaute die Flasche anschließend in meinem Badezimmerschrank hinter einem Stapel Handtüchern. Das oberste Handtuch nahm ich heraus, um es mir um die Hüfte zu binden. 

Nachdem ich das Badewasser ablaufen lassen hatte, begab ich mich in mein angrenzendes Schlafzimmer, wo ich das Handtuch gegen eine Boxer tauschte. 

Ich machte mir nicht die Mühe mich abzutrocknen, sondern ließ mich einfach auf das Bett fallen und konzentrierte mich auf die benebelnde Wirkung des Alkohols bis ich schließlich in einen traumlosen Schlaf fiel. 


Am nächsten Morgen brauchte ich eine halbe Stunde, um mich endlich zum Verlassen des Bettes aufraffen zu können. Eine halbe Stunde in der meine Gedanken, gegen meinen Willen, nur um eine ganz bestimmte Person kreisten. 

Seine Haare, durch die ich so gern mit der Hand fuhr. 

Seine Augen, in denen ich mich jedes Mal verlor.

Sein Lachen, welches mir ständig ein Lächeln auf die Lippen zauberte. 

Seine Stimme, der ich stundenlang lauschen konnte. 

Seine Lippen, die ich am Liebsten einfach küssen wollte.

Schlussendlich zwang ich mich selbst mit der Schwärmerei aufzuhören und endlich aufzustehen. Ich quälte mich aus dem Bett und begann mich anzuziehen. Bevor ich jedoch das Zimmer verließ, atmete ich noch einmal tief durch und versuchte meinen inneren Schmerz komplett von der Oberfläche zu verbannen. Ich setzte eine Maske auf, um einen weiteren Tag meinen Freunden vorzuspielen, dass alles in Ordnung sei. 

In Jeans und T-Shirt betrat ich wenig später die noch leere Küche. Es hätte mich auch verwundert, wenn einer meiner Bandkollegen sich schon ums Frühstück gekümmert hätte. Nachdem ich das Radio eingeschaltet hatte, begann ich den Esstisch für uns zu decken. Jedoch erhielt ich schneller als erwartet Gesellschaft.

Harry, der aussah, als hätte er kaum geschlafen, betrat die Küche und ließ sich mit einem Seufzen am Esstisch nieder. 

  "Morgen", murmelte der Bandjüngste. 

  "Morgen", erwiderte ich, wobei ich ihn besorgt musterte. "Alles in Ordnung?"

  "Nein, Louis hat mich gestern Abend einfach aus seinem Zimmer geworfen", wurde mir berichtet. 

  "Hattet ihr Streit?"

  "Nein, dann könnte ich es ja verstehen."

  "Ist sonst irgendwas passiert, weswegen er vielleicht sauer auf dich sein könnte?" Harry schüttelte den Kopf. 

  "Ich wüsste nicht was. Er stößt mich schon seit Wochen ohne Erklärung von sich. Wenn ich irgendwas unbewusst falsch gemacht haben sollte, müsste er es mir ja nur sagen, dann könnte ich es wieder gut machen, aber er spricht ja nicht mit mir darüber. Ich weiß nicht mehr weiter, Liam. Egal was die Ursache für sein Verhalten ist, ich würde alles dafür tun, um wieder in seiner Nähe sein zu dürfen." Ein Schluchzen entfuhr Harry, weswegen ich alles stehen und liegen ließ, zu ihm ging und ihn in den Arm nahm. Weinend vergrub der Lockenkopf sein Gesicht an meiner Schulter. 

  "Soll ich mal mit ihm reden?", bot ich an. Als Antwort erhielt ich lediglich ein Nicken. "Okay, dann geh ich mal nach Louis gucken. Versuch solang zumindest ne Kleinigkeit zu frühstücken." Erneut nickte Harry. Ich drückte ihn noch einmal fest an mich, ehe ich mich von ihm löste und mich auf den Weg ins obere Stockwerk machte, wo ich an Louis Zimmertür klopfte. 

  "Was?!", kam es schlecht gelaunt aus dem Inneren des Zimmers. 

  "Darf ich rein kommen?", erkundigte ich mich mit möglichst ruhiger Stimme. Ich erhielt keine Antwort, weswegen ich kurzerhand einfach das Zimmer betrat. Louis saß mit geröteten Augen auf seinem Bett. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, setzte ich mich zum Brünetten und nahm diesen schweigend in den Arm. Für einige Sekunden geschah nichts, dann entfuhr Louis jedoch das erste Schluchzen. Seine Hände krallten sich in mein Shirt, während immer mehr Tränen über sein Gesicht rannen. 

  "Was ist los, Lou?", fragte ich leise, wobei ich den Älteren enger an mich drückte und begann ihm durch die Haare zu streichen. 

  "Nichts", brachte er hervor. 

  "Und wegen Nichts weinst du?" Er schwieg. "Bist du sauer auf Harry?" Für einige weitere Sekunden blieb es still, ehe sich Louis scheinbar doch dazu entschloss, mir zu antworten. 

  "Ja." Louis seufzte. "Nein", korrigierte er seine Antwort. 

  "Möchtest du mir erzählen, was los ist?"

  "Du würdest es nicht verstehen."

  "Woher willst du das wissen?", hakte ich nach. 

  "Weil ich es selbst ja nicht mal verstehe."

  "Es hat mit Harry zu tun, richtig?" Louis zögerte, nickte dann jedoch. "Mit noch Jemanden?"

  "Eleanor." Nachdenklich musterte ich den Jungen in meinen Armen, fand aber keine logische Erklärung, warum Louis wegen Eleanor und Harry weinen sollte. "Liam?", durchbrach Louis die aufgekommene Stille. Fragend sah ich ihn an. "Würdest du mich bitte allein lassen?" Ich nickte zögerlich und stand auf. 

  "Wenn du es dir anders überlegst und doch reden möchtest, kannst du jeder Zeit zu mir kommen. Ich bin immer für dich da." 

  "Ich weiß", erwiderte Louis, wobei er sich zu einem Lächeln zwang. Ich schenkte ihm noch ein ehrliches Lächeln und begab mich dann zurück in die Küche, wo inzwischen auch Zayn saß. 

Hoffnungsvoll blickte Harry mich an, doch musste ich ihn mit einem Kopfschütteln enttäuschen. 

  "Tut mir leid, er wollte mir nichts erzählen."

  "Trotzdem danke fürs Versuchen", meinte Harry. 

  "Louis?", erkundigte sich Zayn, nachdem er einige Male zwischen uns hin und her gesehen hatte. Ich nickte und setzte mich zu den Beiden an den Esstisch, wobei mir die Sorge um Louis jedoch keine Ruhe ließ. 

Never or Forever - Teil Ⅰ [Larry / Niam ]  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt