5. Dezember - Wolfstar (AlexGartner)

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Wie gefrorene Tränen fielen die Schneeflocken auf die Erde. Langsam. Unbekümmert. Eisig. Kalt.

So könnte man auch die Winterzeit von Remus Lupin beschreiben. Eine einzelne Kerze brannte auf seinem Tisch. Doch anstatt einer angenehmen Lichtquelle, erschien ihm das Flackern wie ein Totenlicht. Eine einsame Flamme für seinen verstorbenen Freund. Wie betäubt war er, als Sirius in das Jenseits übergetreten war.

Wie Harry ihm leidgetan hatte ... Der Junge hatte geschrien, als würde man ihm das Herz aus dem Leib reißen. Er hatte so geschrien, wie Remus sich gefühlt hatte. Voller Wut, Hass, Trauer, Angst und Verzweiflung.

Remus war der Schrei durch Mark und Bein gegangen. Sein Freund, seine Vertrauensperson war weg. Schon wieder. Nur würde er dieses Mal nicht wiederkommen. Nie wieder.

Sein Blick wanderte nach draußen. Es war stockdunkel draußen. Doch die Schwärze hatte einen Reiz. Es war die Farbe des Verzweifelns und Versagens. Ein Versager. Ja, als so einer fühlte sich Remus. Er hatte versagt, da er Sirius nicht retten konnte. Seinen einzigen Freund.

Mit einem Seufzen erhob sich Remus und ging mit schlurfenden Schritten nach draußen. In der Nähe seines Hauses befand sich nämlich ein Wald und sein Lieblingsplatz. Ein kleiner Baumstumpf, auf dem er sich immer niederließ, wenn er nachdachte. Dies tat Remus oft.

Er zog aus seinem langen Mantel seinen Zauberstab heraus.

„Lumos!"

Ein helles Licht entstieg der Spitze seines Stabes und beleuchtete die Umgebung. Er hatte nicht weit zu laufen. In höchstens zehn Minuten würde er den Baumstumpf erreichen. Ein wenig musste er schmunzeln. Als er noch ein Junge war, strich er stets mit seinen Freunden bei nachts in den Wäldern von Hogwarts umher. Damals waren sie zu viert und unzertrennlich gewesen ...

Er seufzte und eine kleine Nebelwolke entstieg aus seinem Mund empor und wurde schließlich eins mit der kalten Winterluft. Oft dachte Remus an die alten Zeiten zurück. Die Rumtreiber-Zeiten.

Wurmschwanz, Tatze, Krone und er mit dem Namen „Moony" waren einst ein unschlagbares Quartett, die für Unruhen in Hogwarts sorgten. Die besten Freunde ihrer Zeit. Doch dann kam der Krieg und hatte sie auseinandergebrochen wie der gefrorene Ast, auf dem Remus gerade drauftrat.

Er musste anfangen damit zu leben. Es war schwer genug, mit James' tot umzugehen, aber dann die Verhaftung von Sirius, der Verrat von Peter und jetzt der tot von Sirius ... Es war zu viel. Missmutig trat er gegen einen Stein. Er ignorierte den immer größer werdenden Schmerz in seinem Fuß und setzte sich auf seinem Baumstumpf.

Noch immer schneite es. Noch immer schien der Himmel zu weinen. Noch immer schien die Welt die Kälte anzuziehen, um jegliches Leben unter einer Schicht aus Eis und Schnee zu begraben und die Herzen aller zu vereisen.

Remus erschauderte bei dem Gedanken. Der Winter erinnerte ihn stets an eines der Muggelmärchen, die seine Mutter ihm früher immer vorgelesen hatte. „Die Schneekönigin" hieß es und der Autor war Hans Christian Andersen. Viele Märchen von ihm wurden Remus als Kind immer erzählt. Die Geschichten von ihm waren ziemlich nachdenklich und hatten ihn immer traurig gestimmt. Dennoch waren es seine liebsten Märchen.

Wieder einmal dachte er an die Geschichte der Schneekönigin. Ein Spiegel wurde von dem Teufel erschaffen, der alles Schöne und Gute verzerrte, sodass es hässlich war. Dann zerbrach der Spiegel allerdings und die klitzekleinen Splitter fielen auf die Erde hinab. Dann kam die Schneekönigin ins Spiel, welche eine kaltherzige Herrscherin war, die den Winter überbrachte und den Muggeljungen Kay mit einem Kuss sein Herz einfrieren ließ. Seine Nachbarin und Freundin entschloss sich im Frühjahr nach ihm zu suchen und erlebt dabei sämtliche Abenteuer und lernt neue Freunde kennen. Als Gerda ihren Muggelfreund schließlich fand, konnte sie mit ihren Tränen sein Herz auftauen.

Da war sich Remus sicher gewesen, dass Gerda kein Muggel sein konnte. Sie musste einfach Magie besitzen!

Remus schmunzelte. Das hatte er tatsächlich damals als Kind geglaubt. Doch inzwischen war er erwachsen und wusste, dass sie nur ein Muggel sein konnte, weil der Autor schließlich auch einer war. Sie war ein besonderes Mädchen, das für ihren eigentlich längst verstorbenen Freund gekämpft und niemals aufgegeben hat ...

Eine ganze Weile noch saß Remus unbeweglich auf dem Baumstumpf und betrachtete die Schneeflocken.

Diejenigen, die man liebte, verließen einen nie richtig.

Mit diesem Gedanken stand Remus langsam auf und ging mit einem leichten Lächeln wieder zurück zu sein Haus.

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