4. Dezember - Claire (Roiben)

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All diejenigen, die meine Geschichte "Burning Gold" gelesen haben, wird das hier etwas mehr sagen. Andere können es natürlich auch lesen, auch wenn es mit Spoilern einherkommt.

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„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt...", flüsterte Claire leise und entzündete die Kerze mit ihrem Zauberstab. Es war jedoch nicht die Kerze eines schmucken Adventskranzes, den sie auf dem Wohnzimmertisch stehen hatte, es war eine Kerze, die in der kalten Erde eines Grabes steckte. Schnee lag auf dem Stein wie eine weiche, weiße Mütze und bedeckte beinahe den Namen, der Person, die dort lag.

„Ein weiteres Weihnachten ohne dich", sagte sie und kniete sich in den Schnee. Sie ignorierte dabei, dass ihre dunkle Hose klamm und feucht wurde und die Kälte ihr in die Knochen kroch. „Ich habe heute einen Kater gekauft", erzählte sie dem stummen Grab. „Nachdem Tori gestorben ist, war ich lange Zeit unschlüssig, ob ich eine weitere Katze haben möchte oder nicht. Aber ich habe mich immer wieder an deine Worte erinnert und wie glücklich du warst, als du sie damals bekommen hast. Also habe ich es überwunden und bin in einen dieser Muggeltierläden gegangen. Zuerst wollte ich ein junges Tier nehmen, damit ich möglichst lange was davon habe, doch dann ist mir ein grau-schwarz gestreiftes Exemplar ins Auge gefallen. Der Muggel im Laden meinte, dass er schon seit ein paar Jahren darauf wartete, dass ihn endlich jemand mitnehmen würde und irgendwie... seine Augen sahen genauso aus wie deine, Erin."

Claire lächelte schwach. „Er ist alt und schwach und hat wohl kaum noch zwei Jahre zu leben und trotzdem habe ich ihn mitgenommen, einfach weil ich nicht wollte, dass er den Rest seines Lebens dort alleine sein würde. Jeder braucht doch eine Familie, oder?" Obwohl es nun schon so lange her war, dass ihre Freundin sich umgebracht hatte, spürte Claire immer wieder einen Kloß in ihrem Hals, wenn sie an Erin dachte. „Hätte ich damals doch nur erkannt, was wirklich los war. Wäre ich nur nicht so selbstsüchtig gewesen, dann hätte ich dir helfen können. Ich hätte dich retten können." Eine stumme Träne tropfte in den Schnee und verschwand.

„Aber das habe ich nicht und du weißt gar nicht, wie lange ich mir die Schuld daran gegeben habe. Es ging dir so schlecht damals und alles, worüber ich nachgedacht habe, war ich selbst. Ich habe dich in dieser Zeit im Stich gelassen und das tut mir so unendlich leid. Aber das ist jetzt vorbei. Ich habe mir geschworen, dass mir das nie wieder passiert."

Während der Mittagshimmel von dichten Wolken zugezogen war, konnte Claire beinahe spüren, wie die Sonne ihre Wangen erwärmte. „Ich habe vor ein paar Wochen erfahren, dass... dass Connor geheiratet hat." Sie lachte kurz auf. „Ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe, aber ich bin ziemlich sauer, dass er mich nicht eingeladen hat. Er hat mir nicht mal geschrieben. Aber daran bin ich wohl selber schuld, oder, Erin?" Das Lächeln verließ ihre Lippen wieder und sie blickte betrübt auf den gravierten Namen ihrer toten Freundin. „Er hat lange genug versucht den Kontakt aufrecht zu erhalten und ich habe mich in Selbstmitleid und Hass gesuhlt, bis ich wieder einen Freund verloren hatte. Ich bin ein schrecklicher Mensch, oder?"

Claire erhob sich langsam und strich mit ihrer Hand den Schnee vom Grabstein. „Immerhin mögen mich Tiere noch", meinte sie leise. „Auch wenn ich fürchte, dass mich ein gewisser Hund gar nicht mehr leiden kann." Sie schloss die Augen und konnte beinahe das jugendliche Gesicht von Sirius vor ihrem inneren Auge sehen. „Er hasst mich sicherlich, sowie er alle Slytherins gehasst hat. Naja", seufzte Claire und zog ihren Zauberstab hervor. „Ich verdiene es ja nicht anders."

Sie ließ einen kleinen Kranz aus Weihnachtssternen auf dem Grabboden erscheinen und wandte sich dann noch der Kerze zu, die in einem beruhigenden Flackern weiter brannte.

„Schönen Ersten Advent, Erin."

Als Claire wieder in ihrer Wohnung in Gravesend ankam, war der Himmel weiterhin zugezogen, doch die Straßenlaternen waren bereits angezündet worden und ein sanftes Licht erhellte die Straßen der Hafenstadt. Sie konnte das Wasser der Themse auch von ihrem Schlafzimmerfenster aus leise plätschern hören und wurde direkt von einem Miauen begrüßt, als sie die Tür zufallen ließ.

„Na du", sagte sie zu dem Kater, der sich müde erhob und ihre Beine umschlich. Der Muggel aus dem Laden hatte ihr gesagt, dass er äußerst zutraulich war und es liebte, wenn man ihn am Hals kraulte. Claire beugte sich herunter und spürte das kurze Fell des Katers unter ihren Fingern. „Wir brauchen noch einen Namen für dich, was meinst du?" Das Tier blickte sie mit müden Augen an und erneut konnte sie darin ihre Freundin erblicken.

Seufzend erhob sie sich und ging an den Küchenschrank, um eine Dose mit Katzenfutter hervorzuholen. „Was habe ich mir mit dir nur wieder angetan", meinte sie leise, als sie den Kater dabei beobachtete, wie er aus dem Napf auf dem Fensterbrett fraß. Sie stützte den Kopf auf den Händen ab. „Wärst du ein Mädchen dann würde ich dich Erin nennen, weißt du. Deine Augen sehen nämlich genauso aus, wie die von einer Freundin. Ich habe sie allerdings ewig nicht mehr gesehen", fügte sie betrübt hinzu.

Der Kater schien sich nicht daran zu stören und fraß in aller Seelenruhe weiter. Das wiederum brachte Claire zum Schmunzeln. „Und das erinnert mich an Sirius. Wenn es ums Essen ging, dann war er genauso wie du. Wie es ihm wohl geht?" Sie versuchte nicht daran zu denken, wie er sich in einer Zelle in Askaban fühlen musste. Natürlich hatte sie es erfahren und natürlich hatte es sie geschockt. Er war ein Teil ihres Lebens gewesen und obwohl sie friedlich auseinander gegangen waren, so wusste sie doch, dass er nicht auf sie zu sprechen war. Ob er sie überhaupt erkennen würde, wenn er sie sehen würde?

Claire fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Fransen auf ihrem Kopf. Immer wenn sie sich im Spiegel sah, dann vermisste sie ihren langen Haare, die sie damals hatte, doch dann sah sie in sich auch wieder das Mädchen, welches so viel Schuld auf sich geladen hatte, dass sie es einfach nicht über sich brachte, sie wachsen zu lassen. Stattdessen hatte sie sich dazu entschlossen, lieber eine Frisur zu tragen, die Erin wohl gefallen hätte.

„Ich könnte dich ja Sirius nennen. Oder Black", meinte sie in Gedanken zu dem Kater, der aufgehört hatte zu fressen und sich stattdessen nun die Pfoten leckte. „Aber das würde nicht passen. Du bist nicht wild genug dafür. Hm..."

Während sie in Gedanken weitere Namen durchging, die sie noch aus der Schulzeit kannte, sprang der Kater vom Fensterbrett und machte es sich neben der Heizung bequem. Eine Weile beobachtete sie, wie er sich auf dem warmen Boden wälzte, bevor sie sich erhob und zu ihm ging.

„Ich glaube, ich weiß, wie du heißen wirst", sagte sie und sofort richteten sich die Augen des Katers auf sie. „Kilian. Das heißt 'Der Kämpfer'." Zufrieden strich sie durch das Fell des neu benannten Katers und er fing an zu schnurren.

„Advent, Advent, ein Lichtlein brennt..."

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