43| Distanz der Anrufbeantworter

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„Hi."

Mit den Worten ließ ich mich neben Phil nieder, welcher mich kurz anlächelte, doch bekam ich nichts erwidert. Wie die ganze Woche bereits.

Aidan und ich hatten nun ebenfalls seit bereits einer Woche fast nicht mehr miteinander geredet. Eigentlich ziemlich traurig, wenn man bedachte, dass wir uns sonst immer so gut verstanden. In dieser einen Woche – seit unserer Auseinandersetzung – war es nicht selten, dass er die ganze Nacht nicht daheim war, während ich im Bett lag, von der Angst verfolgt, ihm geschehe etwas, und am Weinen, weil ich ihn vermisste.

Ab und an hatte ich ihn angerufen, er hatte immer abgenommen, aber nur genervt gefragt, was ich wollte. Nach meinem kraftlosen „Nichts" hatte er immer aufgelegt. Alles, was ich wissen wollte, war, dass es ihm gut ging.

Ich fühlte mich schwach, weil ich nicht in der Lage war, jemandem davon zu erzählen. Weil ich mit jeder Minute bemerkte, wie mein Inneres Stück für Stück zerbrach; weil sich meine Freunde und Familie von mir abwanden.

In der Schule versuchten Dean und Ash so zu tun, als sei nichts, aber sie blickten mir nicht mehr in die Augen. Ich erkannte immer an Deans Ader am Hals, wie angespannt er war, sobald ich neben ihm stand. Und das brach mir mein Herz. Mein bester Freund mied mich und fühlte sich unwohl, sobald ich in der Nähe war.

Ich fühlte mich unerwünscht. Und das war nett ausgedrückt. Immer stärker erhielt ich das Gefühl, entfremdet zu werden. Als wollten sie, dass ich verstand, dass sie mich nicht brauchten.

Mir war klar, dass ich nicht die einzige war, die sich zu fühlte. So einsam, betrogen und verarscht von der Welt. Zu wissen, dass selbst die eigenen Freunde, die einzigen Menschen auf der Welt, die ich liebte, mich nun mieden, drückte für mich genug aus. Ich war Schuld.

Phil und Mel hatten es bemerkt, doch nichts dazu gesagt. Während wir also immer alle am Mittagstisch saßen, schwieg ich. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, als ich das letzte Mal mit ihnen gelacht hatte, ohne dass meine Gedanken um meine Vergangenheit herum schwirrten.

So war es auch heute so, dass wir gerade alle unsere Freistunde hatten. Ich starrte seit geschlagenen zehn Minuten auf meine Hände, die zu Fäusten geballt waren. Ash alberte gerade mit Logan herum, während Phil und Dean über eine Party redeten. Mel saß nicht bei uns, sondern am Tisch, an dem ebenso Nate saß, mit welchem ich nicht mehr geredet hatte. Zwar spürte ich oft seine Blicke auf mir, doch oft erwiderte ich sie nicht. Ich war nicht in der Lage, mir ein Lächeln aufzuzwingen.

Ich wünschte mir, dass ich seelisch nicht gerade so ahnungslos wäre. Ich fühlte mich wie eine abgestorbene Rose, die achtlos in die Ecke geschmissen wurde und vor sich verweste; niemand, dem ich etwas wert war. Doch war es so? Scherte sich keiner um mich? Nein, das wäre unsinnig. Ich hatte Aidan, Ashley, Dean, und ja, sogar irgendwie Nate, denen ich vertrauen konnte. Doch sie alle hatten sich mir gegenüber verändert.

Niemand war mehr da, der mir beistand; mich ablenkte. Und das ließ mich alles in Frage stellen, obwohl ich es nicht wollte. Alles was ich wollte, war jemanden, an dem ich mich festhalten konnte; doch nun hatte ich keinen mehr.

Das Vibrieren in meiner Hosentasche ließ mich erschrocken zusammenzucken. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte nicht noch eine Nachricht von ihm lesen müssen. Die Lippen zusammenpressend krallte ich meine Hände in meine Hose, doch dennoch griff ich in meine Hosentasche und nahm mein Handy heraus. Ein flüchtiger Blick nach oben, um mich zu vergewissern, dass mich keiner anblickte, öffnete ich das Handy und entsperrte es.

‚Pass lieber auf deinen Dackel auf, bevor jemanden noch etwas passieren könnte. Ups, zu spät.'

Mein Herz blieb stehen.

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