Kapitel 30

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Mir war schwindelig und mir fiel ein, dass ich keine Nahrung zu mir genommen hatte. Müde gähnte ich und stand auf. Kader hatte in der Nacht Fieber bekommen, weswegen ich sie warm anzog und sie auf meine Brust legte, weil sie so erschöpft wirkte. Ich hingegen hatte meine Periode bekommen und fühlte mich dermaßen scheiße. Trotzalldem kochte ich etwas, räumte auf und kümmerte mich um meine Kleinen und lag so gut wie den ganzen Tag im Bett. Mühelos stand ich auf, als es klingelte und öffnete die Tür.
"Na sieh mal an", sprach ich genervt und ging einfach ins Wohnzimmer, gefolgt von Harun.
"Was willst du?", seufzte ich und verschränkte meine Arme vor die Brust.
"Tut mir Leid okay?," sagte er und sah zu Boden.
"Er ist mein Bruder und er war so am Boden. Ich musste ihm das einfach sagen."
"Halt den Mund Harun. Ich hab dir das anvertraut."
Immernoch war sein Kopf gesenkt, weswegen ich laut seufzte.
"Tut mir Leid. Ich hätte nicht so direkt sein sollen", sagte ich nun und umarmte ihn, da er Schuldgefühle hatte.
"Egal. Ich glaub wir sollten das einfach vergessen."
Kurz nickte ich und bat ihn herein.
Mit gesenktem Kopf kam er herein und nahm Kader auf seinen Arm.
"Wo ist er?"
"Arbeiten."
"Sollte er nicht seit einer halben Stunde hier sein?", fragte er verwundert.
"Ich weiß es nicht", kam hauchend über meine Lippen und ich senkte meinen Kopf. Wir hatten beide den gleichen Gedanken, obwohl dieser Gedanke nicht möglich war. Wie eine enttäuschte Frau lehnte ich mich in Gedanken nach hinten und tauschte meinen benutzten Sauerstoff gegen Neuen. Mir fiel das Atmen verdammt schwer, aber mir war plötzlich so heiß, dass ich die Wärme im Gesicht spürte und mein Unterleib immer mehr weh tat, genau wie meine Beine, die ihren Geist immer mehr aufgaben und ich nurnoch weinen wollte vor Schmerz. So wie ich es normalerweise immer tat und das an Tariks Schulter. Immer wenn ich meine Periode hatte und er sich um mich kümmerte.
Yavuz weinte und ich beruhigte ihn schnell. Harun nahm ihn und ich holte den Fiebersaft für Kader, die nun schlafen wollte. Nachdem ich sie in ihrem Zimmer schlafen gelegt hatte, stillte ich Yavuz und legte ihn auf dem Sofa, damit er seine Beine ein wenig lockern kann.
"Momentan bist du unglücklich in der Ehe Yenge. Wie lang soll das weitergehen?"
"Bis Tarik und ich uns aneinander gewöhnen. Ich hab das Gefühl, das alles zu früh ist und wir gewartet hätten. Ich glaub einfach, dass ich ihm langweilig geworden bin."
"Wie kommst du darauf?"
Tränen stiegen mir in den Augen und er legte seinen Arm um mich. Tief schluchzte ich.
"Ich bin einfach zu kindisch für ihn. Nie kann ich ihn zufrieden stellen und keine Ahnung. Wir haben zwei Kinder und ich meine, mein Körper-
"Warte, warte. Dein Körper. Dein Körper ist der Alte. Wenn du denkst, dass er es auf deinen Körper abgesehen hast, dann streich es dir sofort aus den Gedanken. Tarik ist ein Arschloch, er achtete auf deinen Körper, aber. Ich betone, aber es interessiert ihn nicht wie damals. Wir haben vor kurzem noch dieses Thema gehabt und er meinte, dass du von ihm aus tausende Kilos wiegen kannst, er liebt dich. Das hat er vor all seinen Freunden zugegeben."
"Wirklich?"
"Mal abgesehen von den äußerlichen Veränderungen. War Tarik damals ein Typ, der lange Beziehungen hatte?"
"Es gingen nur zwei bis fünf Monate."
Erneut schluchzte ich. Ich regte mich so dermaßen auf. Wieso ist Tarik so ein Arschloch?
"Ja siehst du. Ich hab Angst, dass es bei uns länger nicht gehen wird."
Fest umarmte er mich.
"Dich bedrückt schon die ganze Zeit etwas. Du hast einen Grund, um ihm soviel an den Kopf zu werfen. Aus welchem Grund ist deine Denkweise so?"
"Seit ich erfahren hatte, dass ich Kader in meinem Bauch trage", flüsterte ich und mir liefen pausenlos Tränen herunter.
Er schwieg. Es entstand Stille.
"Ab diesem Moment wusste ich, was auf mich zukommt. Tarik hält das nicht aus, dass er nicht mein Erster sein konnte und als Konsequenzen trage ich Kader bei mir. Er hat meine Vergewaltiger gnadenlos umgebracht Harun. Das sagt alles."
Aus dem Flur hörten wir etwas lautes und Harun rannte dahin.
"Tarik?!", spuckte Harun und er kam ins Wohnzimmer.
"Was erwartest du eigentlich?!", schrie Tarik mir ins Gesicht und ich schluckte.
"Junge bist du behindert? Was schüchterst du sie ein?", schrie Harun und zog ihn einen Meter nach hinten.
"Erwartest du einen Mann, der alle fünf Gebete betet, einen Job hat und dir das Geld in den Arsch schieben kann? He? Geht es dir darum, dass die Welt uns bewundert? Was hast du gegessen Hayat. Wurdest du verflucht?"
"Ich soll nicht mit dir klar kommen? Du bist hier doch die psychischgestörte, die bei jeder Scheiße heult und nicht mit ihrer verfickten Vergangenheit abschließen kann!"
"Ist das deine Absicht Tarik?", flüsterte ich unter Tränen.
"Was?", fragte er mit wütenden Gesichtszügen.
"Mich runterzumachen, als wär ich ein Stück Scheiße? Willst du mich loswerden?"
"Du ziehst alles ins Lächerliche."
"Du bist hier die Lachnummer Tarik. Dann verpiss dich. Lass mich gehen und renn mir nicht hinter her. Schließlich bin ich psychisch gestört. Deine Worte haben gereicht echt. Du ekelhafter Bastard, was fällt dir ein mich zu beschmutzen, wenn du es nie ernst gemeint hast? Ich fühl mich wie ein Teenager, was herausgefunden hat, dass es eine Wette war. Nie hast du mich ernst genommen, obwohl es bis zu einem Sohn gekommen ist!"
"Der ist nicht bei sich Yenge."
Meine Hand hielt ich in die Höhe und bat ihn um Ruhe.
"Ab jetzt Tarik. Diesmal ist es ernst. Wir spielen mit offenen Karten. Also wenn du nicht in der Lage bist, eine vernünftige Ehe zu führen, dann bin ich bereit Scheidungspapiere zu unterschreiben. Mal echt, fühlst du dich eigentlich nicht scheiße dabei, wenn du dich mit jemanden streitest? Ich kann Nächte nicht schlafen, während es dein Hobby ist, dich mit mir anzulegen."
Harun sah mich bittend an, doch ich schnappte mir meine zwei geliebten Kinder und verließ zum letzten Mal die Hölle.
Ein halbes Jahr später:
"Dankeschön", lächelte ich Leyla liebevoll an, die mir den Kaffe brachte und sich zu mir setzte.
"Man heute ist ein verdammt anstrengender Tag", murmelte sie und ich nickte.
Der Job als Sekretärin war wirklich nicht einfach. Vorallem, wenn du die Sekretärin des Bosses bist.
"Wir müssen sogar die Pause verkürzen", sah ich auf die Uhr und sie verdrehte ihre Augen.
"Frau al-Sayed?"
Abrupt drehte ich mich um und stand auf.
"Herr Karakus."
"Dürfte ich Sie in mein Büro bitten?"
"Selbstverständlich."
Hilfesuchend sah ich zu Leyla, die selbst verwirrt zu mir sah.
Im Büro setzte ich mich gegenüber von ihm und sah zum Tisch.
"Die Sache, wieso ich sie gerufen habe ist, dass ich Ihnen ein Angebot machen kann."
"Dieser wäre?"
"Sie sind alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern und deshalb schlage ich vor, sie weniger arbeiten zu lassen."
"Das geht leider nicht. Ich benötige das Geld", sprach ich kleinlaut.
"Der Gehalt bleibt gleich."
Leicht geschockt zog ich meine Braue in die Höhe. Das kam unerwartet.
"Das ist wirklich nett, aber ich schaffe das. Ich überlege es mir nochmal, aber ich bin mir sicher, dass ich es so lassen werde, wie es jetzt ist. Ich möchte nicht für wenige Stunden viel bezahlt werden. Das ist unfair gegenüber den anderen Arbeitern."
"Überlegen Sie es sich gut. Es ist immerhin nicht leicht alleinerziehend zu sein und dann noch zu arbeiten."
"Ich danke Ihnen sehr Herr Karakus."
Kurz lächelte er und ich erwiderte dieses.
"Mit ihrer Erlaubnis", stand ich auf.
"Selbstverständlich", stand er ebenfalls auf und  öffnete die Türe.
"Wiedersehen."
"Wiedersehen."
Kurz vor Feierabend packte ich meine Sachen zusammen und verließ am späten Abend die Firma. Es war 18 Uhr und dunkel. Mit meinem kleinen VW fuhr ich nach Hause und klingelte. Es war kühl draußen. Die Tür wurde geöffnet und die Wärme traf mich herzlich. Meine zwei wunderschönen Kinder hörte ich schon von hier aus und begrüßte das Kindermädchen Lisa.
"Ich hoffe sie waren nicht anstrengend."
"Quatsch", lachte Lisa.
Kader kam angelaufen und umarmte mich, während Yavuz auf dem Sofa saß und mit einem bunten Spielzeug in der Hand beschäftigt war.
"Haben sie gegessen?"
"Yavuz schon, aber Kader hat sich geweigert.
"Kaderim."
"Anne."
"Du hast wieder nichts gegessen."
"Kein Hunger", motzte diese mit viel Speichel und ich lachte.
"Meine Süße", kniff ich in ihre Wangen, gab Lisa das Geld der kompletten Woche und schon ging sie. In der Küche aß ich erstmal, da ich fürchterlichen Hunger hatte.
Es klingelte ich und seufzte.
"So keine Lust auf Besuch", seufzte ich und öffnete die Tür.
"Abim(mein Bruder)", lächelte ich und spürte seine Lippen auf meiner Stirn.
"Mein Engel", sprach er lächelnd und trat rein.
"Möchtest du etwas essen?"
"Bin wegen Kaderim und Yavuz hier", sprach er frech und nahm sie auf seinem Arm.
In der Küche aß ich zu Ende und ging ins Wohnzimmer, wo Abed mit meinen Engeln spielte.
"Ich dachte du willst heute Selma besuchen."
"Mist", klatschte ich mir auf die Stirn.
"Morgen. Versprochen. Es ist dunkel."
"Lass einfach jetzt gehen."
"Es ist dunkel Abed."
"Morgen hab ich aber keine Zeit", seufzte er und ich sah ihn wütend an.
"Tamam, kurz."
Schnell zogen wir uns an und ließen meine Kinder bei Lisa ab, die ein Haus weiter wohnte. Beim Friedhof angekommen klammerte ich mich an Abed, da ich ein angsteinflößendes Gefühl bekam.
Nur das Klackern meiner hohen Schuhe war zu hören. Es war stockdunkel, paar Lichter waren an und das wars auch.
"Oha guckmal da sind zwei Menschen."
"Als hätte Hayat noch nie Menschen gesehen", sprach er ironisch und ich kicherte. Die zwei Personen drehten ihre Köpfe zu mir, doch ich erkannte rein garnichts. Erst im grellen Licht fielen meine Mundwinkel zu Boden und das Hämmern meiner Brust wurde stark. War klar.
"Was hast du auf einem Friedhof zu suchen du Gottverlassener?", gab ich giftig von mir und die Eifersucht stieg, als ich das Mädchen an seinem Arm erkannte. Schlange.
"Ich besuche Selma wie du siehst."
Ignorant stellte ich mich vor dem Grab, setzte mein Kopftuch auf und betete in der Nacht für meine beste Freundin, genau wie es Abed tat und die zwei Turteltauben hinter uns standen.
Ich kniete mich leicht zu Boden und strich über die frische Erde.
"Ich werde wieder kommen mein Engel", flüsterte ich den Tränen nahe und wir verließen den Friedhof.
"Abed?"
"Ja?", drehte sich Abed um.
"Ich gehe schonmal vor."
"Warte paar Meter weiter, ich will dich im Blickwinkel haben", warnte er mich und ich nickte.
Sie redeten und schon kam Abed zu mir. Mir war es so, als würde ich jeden Moment umkippen und als würde meine linke Brust brennen.
Als beide nicht mehr in Sicht waren, ließ ich mich auf eine Bank nieder und sah hoch zu Abed.
"Mein Herz brennt", sprach ich schluckend und er umarmte mich.
"Aber ich werde nicht weinen, nicht wegen einem wie ihm."
Schnell wischte ich mit meinem Ärmel über meine Augen und stand auf.
"Lass uns nach Hause."
Stumm spazierten wir nebeneinander nach Hause und holten meine Engel ab.
Erschöpft atmete ich aus, als Abed fort war und legte beide schlafen, was lang dauerte, aber ich es schaffte. Müde, todesmüde setzte ich mich vor dem Fernsehen. Wieso konnte ich nicht schlafen, obwohl ich so ermüdet war? War es wirklich wegen Tarik? Hatte ich wirklich ausgeschlafen, doch wurde durch ein Treffen mit ihm müde?
"Reiß dich zusammen Hayat", flüsterte ich vor mich hin und konzentrierte mich auf die Sendung.
Was um Gottes Willen hat er hier in Köln zu suchen?
Wer war das Mädchen bei ihm?
War es Zufall oder geplant?
"Konzentrier dich auf dich und deine Kinder Hayat", flüsterte ich mit gebissenen Zähnen und lehnte meinen Kopf nach hinten.
"Verdammt!", schrie ich und schlug mit dem Bein zum Boden. Er ging nicht aus meinem Kopf!
Was, wenn er mir meine Kinder wegnimmt?
[...]
Mit roten Augen betrat ich das Gebäude. Zwei Stunden Schlaf zu haben ist die Hölle. Dazu werde ich heute ein wichtiges Meeting haben, indem ich als Sekretärin die Pflicht habe, teilzunehmen.
Meinen engen schwarzen Rock bis zu den Knien strich ich glatt und klopfte an die Tür. Herr Karakus bemerkte meine scheiß roten Augen und sah schon fragend zu mir, doch ich entschuldigte mich und setzte mich an den langen großen Tisch. Die Hälfte des Meetings hatte ich verpasst, weil meine Gedanken bei meinen Kindern waren.
Draußen ging ich schnell ins Büro, was ich mir mit Leyla teilte und arbeitete an dem Computer weiter.
"Was ist los Canim?", fragte Leyla und widmete sich.
"Ich bin so müde vom Leben Leyla. Ich versteh nicht, was passiert."
"Lass mich raten. Du hast ihn gesehen."
"Ja mit einer anderen. So unwichtig und schnell zu vergessen bin ich also."
Kurz lachte ich.
"Die Story kommt mir bekannt vor. Sarah und Pietro Lombardi. Nur, dass wir uns nicht wegen Fremdgehen trennen, sondern weil er keine Lust auf mich mehr hat."
"Hayat."
"Leyla, ich hab das Gefühl ihn wieder zu sehen. Er ist in Köln. Ich weiß nicht, was er hier macht, aber er wird mich wohl nicht in Ruhe lassen."
"Geh dir früher frei nehmen und schlaf aus. Du siehst schlimm aus, ich mache mir Sorgen."
"Alles gut", lächelte ich.
"Okay."
Sie verließ den Raum und ich legte meinen Kopf in den Händen.
"Was wird die Zukunft?", flüsterte ich und seufzte. Kader und Yavuz taten mir beide schrecklich Leid. Sie hatten es nicht verdient.
"Frau al-Sayed", hörte ich die Stimme meines Chefs und erhob mich sofort.
Ich griff ins Wort.
"Es ist alles gut Herr Karakus. Mir geht es gut, ich habe nichts und werde bis zum Ende durcharbeiten", ratterte ich runter und er lächelte kurz.
"Sie haben sowieso Überstunden gehabt. Nutzen Sie diese, bitte."
"Aber Herr-
"Kein aber. Ich bin ihr Chef und sage das, also", lachte er und ging.
"Hexe", zickte ich und packte meine Sachen.
"Man sieht sich", küsste sie meine Wange und ich fuhr nach Hause.
Vor der Mehrfamilienwohnung parke ich und wollte gerade die Tür öffnen, bis ich jemanden hinter mir hörte und die Schlüssel aus meiner Hand fielen.
"Hayat."

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt