Kapitel 15

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Noch nie, wirklich noch nie hatte ich mich so derartig in eine Person getäuscht. Nichteinmal in Tarik hatte ich mich so dermaßen getäuscht wie jetzt. Kaum zu glauben, was ein Mensch nur für Geld tut, um andere Menschen, um die eigene Freundin zum Leiden zu bringen.
Tarik war nicht geschockt. Ganz im Gegenteil: Er sah zu mir, um mir meine Reaktion aus den Augen herauszulesen und ich bemerkte wie er mich vom Stuhl zu sich zog.
Nachdem wir beide nun standen und er mich hinter seinem Rücken zog, wollte ich Klartext und stand nun hervor.
"Du?", fragte ich und zeigte verhasst auf Semra, die angeekelt oder eher wütend zu mir sah, doch dann lächelte.
"Was man nicht alles für Geld tut, aber hey Kopf hoch. Ist ja nicht so, dass Tarik davon weiß. Das ist nicht alles Hayat. Beinahe wäre aus uns etwas geworden, wenn du Misstück uns nicht in die Quere gekommen wärst."
"Mitkommen, sonst wird es Konsequenzen haben", richtete sie die Waffe auf mich und die Bäckerin wusste nicht, was sie tun soll, genau wie die armen Kunden, die wegen mir schreckliche Angst um ihr Leben hatten.
"Halt die Fresse. Du denkst auch, wir sind hier im Film. Mach mal halblang und komm nicht aus so einem Grund mit so einer Art und Weise zu mir angekrochen. Sorry, aber wie billig ist denn diese Nummer?", lachte ich und zeigte auf die Waffe, die mir nun näher kam, doch ich keinerlei Angst bewies.
"An deiner Stelle würde ich es schleunigst lassen Semra", sagte nun Tarik, der mich wieder hinter sich zog.
Ihre Augen füllten sich und mir wurde wieder mulmig. War sie nicht vor paar Monaten noch glücklich vergeben? Ich fasse es nicht. Niemals hätte ich gedacht, dass aus ihr so eine falsche Furie wird, niemals. Und deshalb war ich auch zutiefst geschockt, was hier vor sich geht. Ich verstand in der Situation nur Bahnhof.
"Verpisst euch hab ich gesagt!," schrie Tarik laut und die Männer sahen zu Semra.
Sie gab Tarik ein Zeichen und er ging mit mir nach draußen.
"Du naives Ding. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich mit dir eine Zukunft aufbaue", lachte er.
Hatte dieser Idiot eigentlich keine Angst?
"Was passiert ist, ist passiert. Sorry, aber du blamierst dich und mich gerade. Geht jetzt. Ihr nervt."
Er drehte ihnen den Rücken zu und ich tat es ihm gleich.
"Du wirst sehen!", schrie sie uns hinterher.
"Toll Tarik. Jetzt ist auch noch sie scharf darauf, sich an uns zu rächen", zischte ich flüsternd zu ihm, als wir weiter weg von denen war.
Um ehrlich zu sein war ich sogar auf Tarik sauer.
"Tarik du solltest im Tiefboden versinken. Schäm dich, was für ein Bastard du bist. Jedesmal treibst du es immer wieder über die Grenzen."
"Was kann ich dafür, wenn die was von mir wollte?", fragte er unschuldig.
"Sei einfach ruhig", zischte ich und er folgte mir.
Meine Blicke schweiften zu Zara. Um ehrlich zu sein hatte ich kaum Geld bei mir, doch gucken würde nicht schaden.
Eilig ging ich rein und ein Kleid stach heraus. Es war eher ein Jumpsuit und dieses Kleid war echt die reinste Augenbombe. Die Farbenkombination von beige und rosa sah einfach hammer aus. Kurz blieb ich stehen, sah es mir an und ging weiter zu einem anderen langen Kleid, mit kleinen Perlen.
Ignorant ging ich weiter, sah mir die verschiedensten Kleider an und ging auch wieder raus.
"Dein Ernst? Du warst da locker Stunden drin und hast dir Nichts gekauft?"
"Können wir nach Hause?", drehte ich mich zu ihm, denn irgendwie ging es mir nicht gut.
Er nickte und wir fuhren nach Hause. Ich hielt es mit ihm nicht aus, also legte ich mich sofort ins Bett und legte die Decke über mein komplettes Gesicht. Aus unerklärlichen Gründen musste ich weinen. Er war so ein Arschloch. Dank ihm war ich nun mit Semra verfeindet. Er nahm mir alle lieben Menschen im Leben, entwickelte sie zu einem Monster und ließ sie auf mich hetzen. Er hatte negativen Einfluss auf mich. Aber sowas von.
Trotzdem weinte ich nicht, sondern lag unter der Decke.
Zwei Tage vergingen. In diesen zwei Tagen hatte ich ihn so genervt, ihn angeschrien, ihn geschlagen mich nach Hause zu fahren und ich gewann letztendlich nach zwei Tagen meine Diskussion.
"Mein Gott, mach doch jetzt!", schrie ich von unten im Treppenhaus. Aufgestylt erschien er und setzte sich neben mich.
Sein Grinsen provozierte mich aufs Äußerste und ich war kurz davor zu explodieren. Zum Glück sprach er nicht und wir kamen nach gefühlter Stundenfahrt nach Hause zu mir an. Sofort stieg ich aus und konnte es kaum abwarten diesen Arschloch loszuwerden, also flitzte ich schonmal vor und schloss die Tür auf.
Ein Kreischen entwich meinem Mund, als ich die Lage meiner Wohnung erkannte und mich rasch zu Tarik drehte, der neu reingekommen war.
"Was zum", flüsterte ich und ging durch jedes einzelne Zimmer. Ich wurde beklaut. Mit Graffiti in rot sah ich "Schlampe" drauf gesprayt und fasste dahin. Unfassbar. Mein Gedanke war mein Geld, was ich über Jahre gesammelt hatte und ich lief rücksichtslos mit einem Tunnelblick zu meinem Bett, kroch hinunter, doch stellte fest, dass meine Kiste schon draußen und vorallem offen war.
"Was ist los?", fragte er ahnungslos, als er mich schluchzen sah.
"Mein ganzes Geld ist weg!", schrie ich so laut wie nie und so wie ich richtig sah, zuckte er bei meinem Schrei auf.
Wütend stand ich auf und schnaubte nach Luft. Mit meiner Hand schellte ich ihm eine und sein Gesicht bewegte sich zur Seite.
"Verpiss dich! Aus meinem Leben! Tarik ich fass es echt nicht, wie du einem Wesen das Leben so dermaßen zur Hölle machst! Jahrelang hab ich gespart, ich hab gehungert und war so stolz, Geld zusammen gekriegt zu haben", tief schluchzte ich und wusch mit meiner kleinen Faust über mein Gesicht.
"Ich hab dich geliebt, so dumm es klingt, ich hab dich sowas von geliebt und du hattest mir Hoffnung geschenkt, die ich von keinem hatte! Aber, als der Moment auftrat, habe ich dein zweites Gesicht erkannt. Deine ekelhafte, perverse und bösartige Fresse. Ab dem Moment hab ich dich gehasst, verabscheut und jetzt kommst du wieder angekrochen? Niemals würde es dich kümmern, dass mich einer deine Feine packt. Weißt du warum? Weil du nicht fühlst. Du kennst zwar das Wort Liebe oder Mitleid, aber du hast diese nicht in dir drin. Du fühlst nicht. Das interessiert mich nicht, ich habe von einen auf den anderen Tag einen Schiss auf dich gegeben. Trotzdem, dass du mich aufgefordert hast mit dir zu gehen, bin ich mit gebrochenem Herz mit dir gekommen. Du hast mir all meine Freunde genommen. Freunde, die meine Familie waren, weil ich keine hatte und jetzt bin ich ganz auf mich allein gestellt. Durch dich hab ich keinen Cent in der Tasche und muss mich darauf einstellen, monatelang zu hungern!"
Fest schubste ich ihn nach hinten und schlug gegen seine Brust.
"Geh!", schrie ich schluchzend.
"Hayat", sprach er leise, doch ich unterbrach ihn erneut.
"Verpiss dich! Komm niewieder mehr. Selbst wenn ich sterbe, sollst du auf meiner Trauerfeier nicht erscheinen."
"Ich geb dir alles zurück. Versprochen."
"Lieber sterbe ich hungernd, als mir von dir Hilfe zu nehmen. Wir sind Exfreund und Exfreundin. Ich weiß ja nicht, wie es mit deinen Schlampen abläuft, aber nach einer Beziehung will ich dich nicht sehen."
Tränenüberströmt ließ ich mich auf dem Boden nieder und schluchzte ununterbrochen.
"Du bist so ein schlechter Mensch Tarik. Lass mich in Ruhe und hör mit diesen Aktionen auf", flehte ich ihn an.
"Gib mir eine Chance. Ich bereus."
"Tarik", gab ich schrill und weinend von mir und schloss meine Augen.
"Was soll ich tun? Ich geh kaputt", flüsterte ich leise vor mich hin.
Ich konnte mir selbst nicht sagen, wie es weiter gehen soll. Seine Schritte wurden immer leiser und mir wurde klar, dass es das Ende unserer Geschichte war. Mein Herz und meine Lungen verengten aneinander und ich nahm tief Luft.
Mein Herz brach in zwei und die Welt ging für mich unter. Ich verstand nicht wieso. Vielleicht lag es daran, dass einfach jeder Moment hochkam und die Bindung zwischen uns so stark war. Monatelang hatte er mich belogen, ich musste ihn gehen lassen.
Meinen Kopf lehnte ich an das Bett und weinte mir die Seele aus dem Leib, als er die Tür ins Schloss fallen ließ. Es war nicht leicht. Der Gedanke, er würde sich mit einem Mädchen vergnügen. Er ist frei, frei von einem Problemmenschen wie mir, doch ich war ihm nie wichtig. Weil ich ihn so krass liebe, muss ich leiden. Der Junge, den ich liebte ist anscheinend gestorben.
Vier Monate später..
Die Zeit verging wie im Flug. Ereignislose Tage außer meine Schwangerschaft. Meinem Kind ging es mal gut mal schlecht und mir wurde seit Monaten strenge Bettruhe gegeben. Arbeiten tat ich nicht. Stattdessen lag ich den ganzen Tag im Bett, denn sobald ich aufstand, einen einzigen Schritt wagte, begannen die Blutungen. Heute war der Tag, andem ich den Monat voll hatte und einen ganzen Monat schon im Krankenhaus lag. Seit einem Monat lag ich hier und kämpfte zusammen mit meinem Kind um das Leben meiner Tochter. Es würde ein Mädchen werden. Nun war ich im achten Monat und desto mehrere Tage vergingen, desto schwerer wurde alles. Bis auf Bilal hatte ich niemanden. Tagtäglich kam er mich besuchen und half mir, wo er konnte. Als er von der Schwangerschaft erfuhr, stand er mir mehr bei als damals. Tarik war auch gekommen, doch dies war Monate her und ich hatte ihn weggeschickt, wie jedes mal. Er hatte nicht nach gelassen und lief hinter mir her, aber ich hatte aufgegeben.
Unsere beziehungsweise meine Liebe aufgegeben. Genauso wie die Freundschaft zwischen mir und Selma. Genauso wie die Freundschaft zwischen mir uns Semra. Sogar meiner Familie war ich nicht wieder begegnet, nichteinmal meinem Vergewaltiger oder einer der Feinden von Tarik. Nichteinmal Abed, von dem ich erwartet hatte, dass er jeden Tag zu mir stehen würde. Jeden hatte ich vergessen, von jedem kein Wort gehört.
Stöhnend wachte ich mitten in der Nacht auf und rief die Krankenschwester, die sofort kam und sie mich zum Kreissaal führte.
"Ah!", schrie ich auf dem Flur und sie nahm meine Hand in ihre.
"Tief durchatmen", sprach sie, doch der Schmerz war mit nichts zu vergleichen.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit und mein Kind tobte wie verrückt. Jeder Schlag von ihr führte mich dem Tod nahe und ich schrie um mein Leben. Meine Hose wurde feucht und mein kompletter Pyjama verfärbte sich rot. Sie führte mich in ein Zimmer und zwei weitere Hebammen erschienen. Zwei Ärzte standen vor mir und jeder sah hektisch um her. Sofort wurde ich an das CTG Gerät geschlossen und sie überprüften, ob mein Muttermund schon offen war. Sie deckte meine Beine ab und die Hebamme leitete mich in die Geburt ein.
Plötzlich ging die Tür auf und ich sah Tarik.
"Bitte schau mich nicht so an, ich kann deine Tränen nicht sehen", flüsterte er, als er sich zu mir beugte und durch meine verschwitzte Wange strich.
"Ich bin bei dir. Du musst nicht allein gebären", flüsterte er und mir entwich eine Träne.
"Ich hab so Schmerzen", schluchzte ich und er legte abrupt seine Arme um mich.
"Denkst du ernsthaft, ich lass dich allein?"
Seine Stimme klang so verzweifelt, dass er heulen könnte.
Die Hebamme kam und versuchte meine Blutung zu stoppen. Fest nahm er meine Hand in seine und strich mit der anderen über meine Haare.
"Du schaffst das", küsste er meine Wange.
Solche Schmerzen hatte ich nie gespürt. Es war so schmerzhaft, dass ich das Atmen vergaß und kaum weinen konnte.
"Ich verblute!", schrie ich stöhnend, als mir klar wurde, dass diese Geburt keine normale war, sondern ich nurnoch Blut sah, was literweise herunter floss. Der Arzt tat sein Bestes, jeder feuerte mich an, doch ich verblasste im Gesicht, spürte, wie der Blutverlust meine halbe Seele zu sich nahm und mein kompletter Körper verblasste. Schon zum tausendsten Mal kontollierten sie meinen Blutdruck und dieser war zu niedrig.
"Ihr HB Wert sinkt immer mehr", sagte die Hebamme.
Ich presste um die Wette und spürte, wie mein Kind sich Richtug Ausgang bewegte, doch es waren schrechlich unbeschreibliche Schmerzen. Trotz, dass mir schwindelig war, schaffte ich es. Plötzlich erschien ein Weinen. Ein Weinen meiner Tochter. Doch der Schmerz blieb und ich konnte so richtig garnicht den Moment genießen.
Das Rauschen um meine Ohren wurde immer lauter genau so wie das Piepen.
"Halte durch Hayat", hörte ich Tarik neben mich sagen, der meine Hand immernoch in seine Hand hielt und versuchte, mir zu helfen. Schnell liefen sie mit mir und schoben mein Bett Richtung OP-Raum.
"Mein Baby", flüsterte ich.
"Ihrer Tochter geht es gut Frau Ates."
Meine Augen schlossen sich immer mehr und ich bekam nurnoch mit, wie Tarik meine Hand los ließ.
Zu Bewusstsein kam ich spontan und sah eine Hebamme. Sofort fragte ich nach meiner Tochter. Ihr solle es gut gehen und Tarik wär bei ihr sagte sie und irgendwie war ich beruhigt, dass er bei ihr war. Ich wäre beinahe draufgegangen, beinahe ums Leben gekommen. Sie hatten mir reichlich viele Blutinfusionen angehangen, trotzdem sank mein HB Wert immer mehr. So berichtete sie es mir. Soviel Blut hatte ich verloren und ich spürte diesen Blutverlust in mir. Rechts neben mir sah ich eine Blutinfusion, die schnell tropfte und in meinem Körper gelang.
"Sie kommen gleich. Ruhen sie sich aus, wo sie nur können. Das war eine schwere Geburt für sie Frau Ates", tätschelte sie meinen Arm und stand mir bei. Sie beruhigte mich und ermutigte mich, dass alles nun gut sei und wir beide echt stark waren.
Unerwartet öffnete sich die Tür und Tarik kam mit einem Babybett angeschoben. Hinter ihm erschien ein Arzt und ich bemerkte sein Lächeln. Tarik lächelte mich so warm wie nie an und sah zu meiner Tochter, die wach war und neugierig umher sah. Als sie an meinem Bett ankamen, stand ich sofort auf, doch wurde zurück gehalten. Die Hebamme nahm meine Tochter und übergab sie mir.
"Herzlichen Glückwunsch", sagte sie und zum ersten Mal konnte ich sie richtig sehen.
Sie hatte schwarze, dichte und volle Haare, lange Wimpern, dichte Augenbrauen, kleine süße Lippen und ein schmales, klitzekleines Gesicht.
"Sie ist deine Kopie", hörte ich von Tarik.
Nickend sah ich sie mit Tränen an und nahm sie fest in meine Arme. Wie sehr ich mich auf sie gefreut hab. Tarik ging raus und mit der Hebamme versuchte ich sie zu füttern. Tatsächlich klappte es sofort und ich war froh darüber, dass sie mit meiner Brust klar kam, da dies nicht allzu oft bei Babys der Fall ist.
Mir war jedoch aufgefallen, dass sie dauerhaft stöhnte. Die Hebamme meinte, es würde daran liegen, dass sie zu früh auf der Welt war und die Geburt für sie ebenfalls keine einfache war. Ihr würde man nach zehn Minuten eine Art Medikament geben, damit es ihr besser geht und sie nicht stöhnt. Nachdem ich gestillt hatte, zog die Hebamme sie um und fragte mich nach einem Namen. Mir fiel keiner ein, weshalb sie mir Zeit gab und Tarik wieder reinschickte. Bei der Geburt hatte er mich nicht nackt gesehen, da ich eine Art OP Kittel über mich trug und um ehrlich zu sein fand ich dies auch besser so.
"Du wärst beinahe gestorben", sagte er leise.
Er war wie traumatisiert.
"Ich hab noch nie eine Person so in Schwierigkeiten erlebt. Das war krass."
Er sah pausenlos zu meiner Tochter.
"Woher wusstest du, dass ich meine Wehen hatte?"
"Bilal."
"Er war da?"
"Ja, er ist wieder Zuhause und kommt, wenn es morgens ist."
"Wieso warst du da?"
"Weil ich dir beistehen wollte. Du würdest es allein nicht schaffen."
Wo er Recht hatte, hatte er eben Recht. Diese Geburt könnte ich niemals allein überstehen. Dass er da war, hatte mir einen Stein vom Herzen genommen. Nun trug ich sie auf meine Arme, sie war bei mir.
"Danke", flüsterte ich und er tröstete mich.
"Hayat verzeih mir", flüsterte er ebenfalls.
"Ich hab noch nie etwas so dermaßen bereut wie dir das Herz gebrochen zu haben."
Er klang sichtlich nervös und ihm fielen diese Worte nicht einfach, aber wie könnte ich ihm verzeihen? Für seine Aktionen war das nicht zu verzeihen.
"Lass mir einfach Zeit", versuchte ich abzulenken. Verständlich nickte er und strich mit dem Daumen über die Wangen meiner Tochter.
"Sie stöhnt ja immernoch", merkte er an.
"Sie ist auch früh auf die Welt gekommen und sie ist ziemlich dünn und leicht im Gegensatz zu anderen Babys."
"Sie sieht genau so aus wie du. Als wärst du in klein dargestellt worden."
Ich war froh. Froh, dass sie keine Gemeinsamkeiten mit diesem Monster hatte, der mir diese Vergewaltigung angetan hatte. Froh, dass wenn ich sie sah, mir nicht sofort sein Gesicht wieder einfiel.
Seelenruhig lag sie auf meiner Brust und ich spürte diesen Mutterinstinkt. Es war einer der schönsten Augenblicke.
"Du solltest dich ausruhen."
Langsam nickte ich und er nahm mir die Kleine ab. Trotz, dass ich aufgeregt war, schlief ich ein, um die Schmerzen für einen Moment zu vergessen. Eine halbe Stunde hatte ich geschlafen. In der Zeit war die Kleine bei der Kontrolle und sie sah auch nicht mehr so blass aus wie vorher. Ich fütterte sie wieder und sie saugte mich förmlich aus, da sie alle zehn Minuten Hunger hatte. Es war grad mal Nacht und Tarik blieb noch eine Weile bis ich ihn nach Hause schickte.
Vorsichtig strich ich über ihre Babyhaut und stellte fest, wie wunderschön sie doch war. Ihre großen Kulleraugen zeigten sich und sie sah mich unschuldig an.
"Ich liebe dich", flüsterte ich und küsste ihre weiche Wange. Sie war so klein, so zierlich.
Langsam legte ich sie auf meine Brust und ich strich über ihre 50 Centimeter. Amüsiert schloss sie ihre Augen und wir schliefen eine Weile. Am nächsten Tag kam Bilal relativ früh zu Besuch, da er später arbeiten gehen musste und er freute sich riesig für mich.
"Sie sieht wie eine kleine Hayat aus."
"Ja", grinste ich über beide Ohren und sah zum tausendsten Male zu ihr herunter. Nach einer halben Stunde ging er und überließ Pralinen. Ich stillte sie erneut und eine Hebamme half mir wie jedesmal beim Anlegen.
"Sie ist so zierlich und diese Haare", schwärmte sie und ich lächelte stolz. Da ich nicht aufstehen konnte, zog sie meine kleine um und übergab sie mir. Ihr wurde Vitamin K gegeben und ihr Gewicht betrug 2530 Gramm. Der Kopfumpfang meiner kleinen war süße 32 Centimeter. Im Gegensatz zu anderen Babys war sie eher dünner und kleiner. Um ehrlich zu sein traute ich mich kaum sie zu tragen, weil sie einfach so winzig ist.
Tarik kam herein und das mit einem riesen Blumenstrauß. Ich bedankte mich und es herrschte Stille.
"Darf ich sie mal nehmen?", fragte er vorsichtig und ich übergab sie ihm. Er spielte mit ihr und mein Herz glühte auf. Er ging so süß mit ihr um. Wären wir noch zusammen gewesen, wäre es viel schöner, doch ich musste mich distanziert gegenüber ihm verhalten.
"Weißt du schon, wie du sie nennen willst?"
"Ich überlege sie Kader zu nennen", sah ich nachdenklich zu meinen Händen.
"Schicksal heißt sie also. Das würde passen."
"Ja."
Kader hieß übersetzt Schicksal. Sie war mein Schicksal.
"Kader Ates", wiederholte er.
"Der Name ist gut", ergänzte er.
"Kaderim (meine Kader)", strich er über ihre Wange.
"Wurde sie schon gesegnet?", fragte er mich und mein Kopf schoss in die Höhe. Weder mein Vater noch mein Bruder konnten sie segnen. Leicht entsetzte schüttelte ich meinen Kopf und sprach schneller als überlegt.
"Ich möchte, dass du sie segnest."
Leise sprach er ihr den Adhan ins Ohr und segnete sie. Seine Stimme klang so wunderschön und ich schloss kurz meine Augen. Gänsehaut verbreitete sich auf meiner Haut und dieser Moment würde einer meiner wichtigsten für mich werden. Nachdem er fertig war übergab er sie mir und ich stillte sie.
Nun war sie offiziell gesegnet worden.

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt