Kapitel 26

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Lesenacht Teil 3
"Komm doch rein", versuchte ich zu lächeln, doch es ging nicht. Seit so langer Zeit stand er einfach vor mir, wie aus dem Nichts. Seine äußerliche Veränderung schien zu deuten, dass er in dieser Zeit gelitten hat, doch weswegen?
Er setzte sich auf die Couch und blickte zu Kader, die vertieft in ihre bunte Spielzeuge war.
"Deine Tochter", sprach er eher zu sich.
Kurz nickte ich.
"Was führt dich hier hin Abed?", platzte aus mir und er analysierte mein Gesicht.
"Ich war so ein Arschloch, das ich dich verlassen hab, obwohl du meine Hilfe brauchtest Hayat", sprach er rau und sah reuevoll zu Boden.
"Nach so langer Zeit wieder hier hin, es war nicht leicht, aber ich hab seit Monaten schon Kontakt zu Tarik gehabt."
"Ich bin untergetaucht Hayat, ich musste."
"Weswegen?", hakte ich nach.
"Wegen all den Drogen."
Wegen seinen krummen Geschäften also.
"Wie gehts dir?"
"Gut und dir?"
"Gut, wie heißt sie?", fragte er.
"Kader."
"Ihr seit jetzt verheiratet oder?"
Vorsichtig nickte ich.
"Tarik hat mich schon aufgeklärt, weil ich echt kaum noch was über euch wusste."
Er stand auf und ich tat es ihm gleich. Unerwartet zog er mich in eine Umarmung und drückte mich fest an sich. Ich hörte, wie er meinen Geruch in sich inhalierte und ich musste zugeben, dass er so ziemlich der Alte geblieben war.
"Als euer Kind gestorben ist, wollte ich zu dir Hayat, aber es war viel zu gefährlich für mich."
Er wusste davon? Hatte Tarik es ihm etwa erzählt?
Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ich hatte meinen großen Bruder vermisst.
Fest drückte ich ihn und weinte mich bei ihm aus.
"Ich hab dich so vermisst Hayatim", küsste er meine Schläfe und ich schloss automatisch meine Augen.
"Ich dich auch Abed", hauchte ich und entfernte mich von ihm.
"Diesmal haust du nicht einfach so ab", sprach ich lächelnd unter Tränen. Wir erzählten uns, was im Laufe der Zeit alles geschehen war, bis Tarik erschöpft nach Hause kam und erfreut über Abeds Besuch war. Abed blieb nicht lang, sondern musste leider auch schon gehen, doch natürlich kochte ich zuerst und ließ ihn mit vollem Magen die Wohnung verlassen.
Schnell nahm ich eine warme Dusche und wickelte meinen Körper in dem Handtuch ein, als ich mir die Unterwäsche anzog.
Tapsend betrat ich das Schlafzimmer und sah Tarik dort sitzen.
"Wo ist Kader?", fragte ich verwundert.
"Schläft im Wohnzimmer", antwortete er knapp und ich bemerkte erst jetzt, dass er am Telefonieren war.
"Ich leg dann mal auf. Hab was zu erledigen", grinste er, legte das Handy zur Seite und zog mich auf seinen Schoß.
"Hast das Zimmer zum falschen Zeitpunkt betreten", hauchte er gegen meine Schulter und hinterließ einen feuchten Kuss. Scharf sog ich die Luft ein, als seine Hand zu meinem Bauch wanderte und der Handtuch immer lockerer wurde, bis es zu Boden fiel und ich mit Unterwäsche auf seinem Schoß saß.
Laut seufzte ich, als der Wecker klingelte und ich Tarik eine reinhauen könnte.
"Machs aus!", nuschelte ich unter Wut und öffnete letztendlich meine Augen.
"Verdammt Tarik man, steh auf!", meckerte ich und knöpfte das Hemd von Tarik, was ich trug, zu. Er stand auf und machte sich frisch, während ich Frühstück für ihn vorbereitete und mich mit Kopfschmerzen auf den Stuhl nieder ließ.
"Was los?", fragte er und kam mit einem frischem Hemd und Hose. Fest drückte er mir einen Kuss auf die Wange und fing an zu frühstücken.
"Kopfschmerzen."
"Nimm eine Tablette und trink viel Wasser. Du trinkst nie Wasser."
"Das schmeckt aber auch nicht."
"Das schmeckt nach nichts", grinste er und sah zu meinen Brüsten, die durch das Hemd herausstachen, da zwei Knöpfe offen waren und man meinen Ausschnitt perfekt sah.
"Krass wie geil du in meinen Sachen aussiehst", kommentierte er.
"War so klar, dass du was von dir geben musst", antwortete ich genervt und nahm einen Schluck vom Kakao.
Kader fing an zu weinen und ich stand auf, um nach ihr zu eilen. Natürlich musste mir Tarik einen Schlag auf den Hintern verpassen, der zum Glück wegen dem Hemd abgedeckt war.
Er ging arbeiten, während ich Kader fütterte, ihre Kleidung wechselte und die Wohnung in Ordnung brachte.
[...]
Gerade waren wir Selmas Grab besuchen und fuhren nun zurück nach Hause. Im Auto nickte ich ein und spürte mitten im Schlaf, wie jemand an mir rüttelte.
Müde stand ich auf, doch war wegen dem Wind sofort hellwach. Zuhause legte ich die schlafende Kader ins Bett und machte mich bettfertig, bis mich Tarik am Handgelenk packte und sich vor mich stellte.
"Was machst du da?", fragte ich ihn verwirrt, als er sein Oberteil auszog.
"Guckmal", sprach er lächelnd und zeigte auf seine linke Brust, wo in schwarzer Tinte in Schreibschrift das Wort "Hayat" dargestellt war und ich mir vor Schock die Hand auf den Mund legte.
"Oh mein Gott", flüsterte ich und strich über das wunderschöne Tattoo. Er hat sich meinen Namen auf die linke Brust tätowieren lassen.
Leicht drückte ich einen Kuss auf das Tattoo, auf seinen Hals und küsste anschließend seine Lippen.
"Voll schön", quiekte ich und konnte meine Augen nicht davon lassen. Vor Freude sprang ich auf seine Hüfte und wir küssten uns eine Weile, bis wir uns schlafen legten und während des Redens einschliefen.
[...]
"Herzlichen Glückwunsch Frau al-Sayed, sie sind in der sechsten Schwangerschaftswoche schwanger."
Tariks Griff um meiner Hand wurde fester. Er wollte jetzt einfach nur ausrasten, vor Freude rum springen und laut schreien, dass seine Frau schwanger sei, doch mein Mann riss sich zusammen, weswegen ich mich nur schwer halten musste, um nicht auf seine Reaktion loszulachen. Nach der Untersuchung verließen wir die Praxis und schon schrie der Idiot rum.
"Diesmal passen wir aber richtig auf. Die Ärztin meinte selbst, dass du Bettruhe brauchst, weil das bei dir gefährlich ist."
"Okay Vater", verdrehte ich meine Augen.
"Keine Ursache mein Sohn", wuschelte er durch meine Haare und fuhr los, nachdem wir uns angeschnallt hatten.
In Zwischenzeit hatte Abed auf Kader aufgepasst und wir kamen mit einem Grinsen nach Hause an.
"Sie ist schwanger Bruder!", schrie Tarik und sie beide sprangen sich in die Arme.
"Herzlichen Glückwunsch", lächelte Abed und umarmte mich. Zuhause bereitete ich das Essen vor, während beide Fifa spielten.
So langsam wendet sich alles doch noch zum Guten. Es geht alles den Berg hoch und wir sind wieder glücklich, eine glückliche Familie, die Nachwuchs bekommen würde. Kein Stress, keine Menschen, die Hass auf unsere Liebe haben und niemand, der unsere Zukunft stört. Eine Sache war jedoch ungeklärt. Tarik wusste, wer der Mörder von Selma war, aber er verriet es nicht. Zwar hatte ich ihn darauf nicht angesprochen, doch er würde es wegen seiner Sturheit nicht zugeben, weswegen ich es ließ. Auch wenn meine Neugier so groß war.
Nachdem Abed weg war, spazierten wir draußen mit Kader, bis es dunkel wurde und wir wieder nach Hause gingen.
Die Tür klingelte und ein bildhübsches Mädchen stand mit einem kleinen Jungen Hand in Hand vor der Tür. Lächelnd sah ich zu ihr.
"Kann es sein, dass Sie hier falsch sind?", fragte ich höflich, doch sie schüttelte ihren Kopf.
"Nein, nein. Ich muss zu Tarik", lächelte sie und trat einfach so herein, als Tarik kam und sie ihn in den Arm nahm. Sie inhalierte seinen Duft ein und löste sich von ihm.
"Was zur Hölle machst du hier?", fragte er kühl und gelassen.
"Setzen wir uns erstmal", schlug sie vor und wir befanden uns im Wohnzimmer. So oft mich Tarik anschaute, ignorierte ich ihn und sah zu der blonden wunderschönen Frau, die den Kleinen auf ihren Schoß setzte.
"Das muss deine Schwester sein. Tut mir Leid. Ich habe mich garnicht vorgestellt, wie unhöflich", lachte sie und gab mir ihre Hand, die ich schüttelte.
"Ich bin Leyla", sagte sie.
"Hayat", sagte ich und wollte noch erwähnen, dass ich Tariks Lebensgefährtin bin.
"Sollen wir es nicht lieber zu zweit besprechen?"
"Bitte was?", fragte ich arrogant.
"Wenn dann unter uns und außerdem bin ich-
"Hayat", unterbrach mich Tarik.
"Rede Leyla", sprach ich und sah gespannt auf sie.
"Tarik, es ist zwar lange her, aber ich musste echt hier hin. Du hast es nicht verdient belogen zu werden. Du als Vater solltest Bescheid wissen. Der Kleine auf meinem Schoß heißt Mert und ist dein Sohn. Er wird drei Jahre alt", sprach sie und ein Pfeil traf mein Herz. Als hätte eine Explosion in mir stattgefunden. Meine Handfläche schwitzte, doch ich fasste mir ans Herz und versuchte dieses heiße Klopfen in Ruhe zu bekommen. Meine Zunge war plötzlich trocken und ich sah Leyla entgeistert an. Mein Gesicht brannte, ich könnte schwören, dass mein Herz eine Blutung abbekommen hätte. Tarik schwieg und sah mir erst garnicht ins Gesicht. Was ging hier grad vor sich? Einer seiner One-Night Stands war schwanger von ihm und trug nun ein unschuldiges Kind bei sich? Meine Blicke hafteten zu dem Jungen und ich bekam nasse Augen. Ich musste zugeben, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit Tarik hatte, doch vielleicht lag es einfach daran, dass der kleine einen Undercut hatte und ich mich irrte. Tarik könnte es mir echt nicht antun, wenn alles doch so gut läuft? Er merkte, wie seine Vergangenheit ihn einholte.
"Leyla laber keine Scheiße. Das ist Mist, was du von dir gibst. Ich bin nicht dumm und verhüte. Du hast die Pille genommen, also ist es ein schlechter Witz", sagte seine raue Stimme.
"Wenn das ein Witz wäre, würde ich nicht vor deiner Tür stehen. Was bitte ist so schwer daran? Ich meine du hast weder Frau noch sonst jemandem."
"Die Frau, die gegenüber von mir sitzt ist meine Frau. Ich hab bereits eine Tochter und wir bekommen Nachwuchs. Nicht jeder bleibt eine Nutte."
Tränen sammelten sich in ihren Augen.
"Er ist dein Sohn Tarik. Sieh ihn dir an!", wurde sie lauter und Tarik blickte in die Augen des Jungen.
"Macht doch einfach einen Test", kam ich zum ersten Mal zu Wort.
"Das ist viel zu aufwendig. Er ist der Vater meines Kindes!"
"Das kann nicht sein. Ich glaube Tarik und würde ganz sicher nicht zulassen, dass er Vater eines Kindes wird, dessen Kind es nichteinmal ist!", sprach ich vor Wut und schnaubte nach Luft.
Tarik sah zu mir, doch ich ignorierte ihn.
"Es ist drei Jahre her! Ich hab dich jahrelang gesucht Tarik. Du musst es jetzt vor deiner Ehefrau zugeben, dass du angetrunken warst und nichts benutzt hattest. Gib es zu verdammt", sprach sie unter Tränen und mir kullerte eine Träne herunter.
"Er ist nicht der Vater des Kindes!", wehrte ich ihn und war dem Umkippen nahe.
"Verpiss dich aus dieser Wohnung und komm nicht wieder! Versuch es bei anderen deiner One-Night Stands, aber nicht bei meinem Mann!"
"Das wird noch Konsequenzen haben Tarik. Schäm dich, wie kalt du gegenüber deines Sohnes bist."
Der unschuldige kleine Engel sah in meine Augen und er ähnelte plötzlich Tarik immer mehr. Meine Psyche war am Ende. Es war eine Halluzination, die in seinem Gesicht sah.
Sie verschwand nach einer langen Diskussion, während ich am Türrahmen stand und meine Tränen wie eine Maschine runterkullerten, als würde es kein Ende geben.
Fest knallte er die Tür zu und ich sah Nervösität und Mitleid in seinen Augen.
"Hayat du musst mir glauben. Ich weiß selber nicht, ob sie Recht hat, aber bitte, verlass mich nicht. Ich werde es klären. Ich danke dir so, dass du zu mir gehalten hast Hayatim", wollte er mich umarmen, doch ich schlug seine Hand weg.
"Ich hab die Schnauze voll Tarik. Du hast mich seelisch umgebracht", sprach ich ruhig, doch zitterte wie verrückt.
"Wenn es so weiter geht, dann schwöre ich dir, dass ich mich umbringen werde. Du raubst meine Nerven Tarik. Du verletzt mich mit der Tatwaffe Vergangenheit!", schrie ich und spürte den Drang, den Tod nahe zu treten. So egoistisch es auch klang, jeden allein zu lassen und sich umzubringen, fühlte ich mich bereit, zu sterben, um meinem brennendem Herz ein Ende zu geben.
"Ich vertraue dir, aber du warst eine männliche Nutte. Wer weiß, ob das scheiß Kondom unbewusst geplatzt ist. Aber merk dir eins Tarik. Du solltest dich schämen, dass ich sovielen One-Night Stands von dir begegnet bin. Schäm dich, verreck an deinem Scham, dass jedes zweite Mädchen deinen Namen kennt. Schäm dich, wie du jeden mit deiner ekelhaften Art verletzt hast. Schäm dich, dass du bald ein zweites Kind hast und deine Vergangenheit kein Ende hat. Du wirst mich noch aufs Neue enttäuschen, das ist grad der Anfang. Manchmal denke ich wirklich, ob ich die Richtige bin. Du bist so verschmutzt, ich kann es nicht in Worte fassen, was für ein Arschloch du einfach bist", zischte ich unter Tränen und kehrte ihm den Rücken zu.
"Du Mistkerl brauchst mit mir nicht zu sprechen. Ich warte mit welchem Beweis du auftauchen wirst, dass du nicht der Vater des Kindes bist. Bis dahin solltest du dich auf eine Scheidung vorbereiten, denn es reicht mir."
"Hayat!", rief er mir hinterher, doch ich nahm Kader in meine Arme und kuschelte mich an sie. Ich wollte so gerne weinen, einfach losheulen, denn es schmerzte zutiefst, wie hart mich die Worte von Leyla getroffen hatten. Um ehrlich zu sein sollte ich hinter ihm stehen, doch Tarik war selbst so verzweifelt, dass er selbst den Verdacht hatte, dass sie Recht haben könnte. Mein Kopf platzte vor lauter Denken. Es ging mir nicht aus dem Kopf. Von Tarik hörte ich nichts bis zum nächsten Morgen. Anscheinend hatte er im Wohnzimmer geschlafen. Mit nur vier Stunden Schlaf stand ich nur schwer vom Bett auf und bemerkte, dass Tarik auf der Arbeit war. Nachdem frisch machen schminkte ich mich und ging mit Kader in die Innenstadt. Abed und ich trafen uns in der Stadt und zuert beschloss ich ihn nicht auf Leyla anzusprechen, doch es brannte so scharf auf meiner Zunge, das ich letzendlich zu Wort kam.
"Wer ist Leyla?", kam aus meinem Mund und er öffnete leicht seinen Mund.
"Abed", holte ich ihn aus seinen Gedanken.
"Woher kennst du die?"
"Ist doch unwichtig. Erzähl mir bitte wer sie ist."

Verliebt in ein VerbrecherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt