37| Die Ungewissheit

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Dafür war unsere Welt nicht weit genug entwickelt. Wir hatten keine Medikamente oder ähnliches, womit man psychisch kranken Menschen helfen konnte.

Er griff nach meinen Schultern und zwang mich, mich erneut umzudrehen. Sein Ausdruck strahlte Seriosität, Vorsicht und Rücksicht aus. Während er seinen Griff verfestigte und ich leicht mein Gesicht verzerrte, beugte er sich zu mir runter und starrte in mein tränenüberströmtes Gesicht.

„Ich seh' es dir an, dass du keine Hilfe möchtest. Aber du bist auf dem besten Weg, dich selbst zu zerstören, Prinzessin. Ich kann es dir sogar versprechen, nie auch nur ein Wort gewollt darüber zu äußern, solange du dich endlich jemanden öffnest. Ich weiß, dass du nicht gedrängt werden willst, aber du hattest jetzt definitiv genug Zeit, okay?", redete er auf mich ein, doch ich verstand nicht, weshalb er es wissen wollte. Schließlich kannten wir uns kaum, er wäre definitiv einer der letzten, mit denen ich darüber reden wollen würde.

Sauer wischte ich mir über die Augen und teilte ihm dies auch mit: „Letzten Endes bist du wahrscheinlich noch immer ein Möchtegernfreund, welcher ständig von seinen Eltern verwöhnt wird und darum nicht einmal weiß, was ein richtiger Freund ist, weil alle es auf dein Geld abgesehen haben. Und weil du kein eigenes Leben hast, weshalb du dich in meines einmischst. Um mich am Ende bloßzustellen. Mich zu verpfeifen. Dazu beizutragen, dass mich die ganze Welt hassen wird."

Sofort bereute ich die ausgesprochenen Worte von mir. Das war sowas von mies von mir, dass ich mich gerade mehr als nur schämte. Es war gemein, rücksichtslos und eine Lüge.

Die Augenbrauen zog er zusammen und musterte mich dabei eindringlich. Mir entging dabei nicht der Anflug von Wut und Unverständnis: „Ich habe lediglich versucht, mit dir eine Freundschaft aufzubauen, aber okay. Du hast Recht. Ich mische mich ohne Recht in dein Leben ein, aber das müsste ich nicht, wenn du nicht so verschlossen wärst wie ein Schloss. Also entweder machst du es, oder du lässt es. Aber dann brauchst du dich nicht wundern, wenn du am Ende anfängst, dir das ganze Leben zu zerstören, weil du mit niemanden darüber redest. Somit kann dir niemand helfen, dir niemand deine dummen Gedanken ausreden. Und bevor du etwas sagst, ich weiß ganz genau, dass du dir für irgendwas die Schuld gibst und dich daran kaputt machst."

Ich presste meine Lippen aufeinander. Warum konnte er mich so gut einschätzen? Es war, als würde er mich seit Ewigkeiten studieren, um alle meine Gesten und Gesichtsausdrücke interpretieren zu können. Antithetisch kann man nun aber sagen, dass er meine Vergangenheit kennen würde, wenn er mich tatsächlich studieren würde.

Er sollte sich froh schätzen, meine Vergangenheit nicht zu kennen.

Mein Blick schweifte zur Seite. Ich stand fast genau da, wo ich auch vor fünf Jahren stand. Die Hintertür war recht nah an der Ecke zur Fußgängerzone angerichtet worden und dazu auf der Schattenseite.

Mit einem Mal wurde mir wieder die Schwäche meiner Knie bewusst. Mein Körper drohte wegzukippen, als ich den dunklen Fleck sah, welcher blass in dem kaputten Loch der Hauswand zu sehen war. Dort, wo kein Regen rankam. Wo keiner daran dachte, es zu eliminieren.

Würgreize stiegen in mir auf. Ich hörte den Knall wieder in meinen Ohren. Spürte den Schauer von ihrem Schrei erneut durch meine Knochen rasen. Sah wieder, wie ihr Kopf gewalttätig gegen diese Stelle geschlagen wurde. Das Blut, welches kurz darauf in mein Gesicht und auf alles andere von mir gespritzt wurde. Ihr lebloser Blick, nachdem meine Hände wenige Minuten später ihre Haare verlassen hatten.

Die Lunge wurde mir plötzlich zugeschnürt. Hektisch versuchte ich japsend nach Luft zu schnappen, hielt meine Hände an meinen Hals, um den Druck zu entfernen. Aber ich bekam nichts zu fassen. Doch ich spürte seine Präsenz. Seine Worte. Ich meinte selbst seinen ekeligen Schweißgeruch wieder inhaliert haben zu müssen.

Ich wollte das nicht. Ich wollte endlich, dass es aufhörte. Waren fünf Jahre Leid nicht genug Strafe für meine Tat? „Nathan", hauchte ich verzweifelt und blickte ihm kraftlos in die Augen. Ich wollte schreien, kam nur ein erbärmliches, ersticktes Wispern heraus.

Arme schlangen sich plötzlich um meinen Körper und wenige Sekunden danach wurde ich hochgehoben. Mein Atem wurde immer flacher und ich merkte, wie meine Sicht zu verschwimmen begann. „Claire, hör mir zu", drang eine Stimme zu mir durch.

Der Geruch von Schweiß und Rauch verschwand. Stattdessen umhüllte mich die Mischung von Zigaretten und Zitrus und Zimt. Krampfhaft krallte ich mich in Nates Shirt. Ich merkte, wie er sich hinsetzte, mich noch immer in seinen Armen, sodass meine Beine rechts von seinem Körper ausgestreckt waren. Ich spürte den Boden unter meinen Füßen.

„Claire", hauchte mir die Stimme streng zu, „konzentrier dich, okay? Atme tief ein und wieder aus." Seine Hand strich meinen Rücken sanft hoch „Ein", und wieder hinunter, „Aus". Dies wiederholte er immer wieder. Doch es schien nicht zu funktionieren. Ich merkte zwar, wie sich mein Atem regulierte, doch mein Körper entspannte sich nicht. Ich entspannte mich nicht. Und das würde ich auch nicht, wenn ich hier bleiben würde.

„Ich will hier weg", kam kraftlos aus meinem Mund. Minimal hatten sich meine spröden Lippen nur bewegt. Minimal war die Lautstärke meiner Worte gewesen. Doch er hatte mich dennoch gehört und erhob sich ohne Probleme. Kurz darauf setzte er sich in Bewegung und brachte mich von hier weg.

Ich hatte längere Zeit nichts mehr von ihm gesehen. Von dem Mann, von dem ich trotz seines Einflusses auf mich kaum außer Kleinigkeiten kannte. Zuletzt, als ich elf war. Doch ich spürte, dass er mich nicht vergessen hatte. Genau das beunruhigte mich. Er würde merken, dass ich immer mehr auf den Abgrund zusteuere. Immer näher dazu kam, es endlich jemanden zu sagen, damit man mir endlich helfen konnte.

Und wenn er dies erst merken würde, würde ich enden wie eine verwelkte Rose. In eine Zeit der Vergessenheit. Denn jeder kam über den Gedanken einer Rose hinweg. Es war normal, dass Rosen nach einer Zeit anfingen, an ihrer Schönheit und Lebensenergie zu verlieren. Und dann, wenn sie verwelkt waren, wenn das Leben sie verlassen hatte, so wurden sie entsorgt. Als wären sie nur ein Mittel gewesen, das Leben zu verschönern.

Was dann geschah? Lasst es mich so sagen:

Sie wurden ersetzt.


Woooho, hier bin ich wieder! Ich bin ehrlich gesagt irgendwie stolz auf das Kapitel :D Vor allem liebe ich das Ende (bisschen arrogant, sorry xD)
Hinterlasst mir doch ein Kommentar oder Vote, würde mich richtig freuen*.*
Und ich habe schlechte Neuigkeiten. Und zwar habe ich ab Montag wieder Schule. Es wird wieder nur noch wöchentlich ein Kapitel kommen :s
Ich versuche euch, ab &zu mit Extrakapiteln zu überraschen, aber bis zu den Weihnachtsferien (das wären 7 Kapitel) wird wieder nur samstags ein Kapitel kommen c: Seid mir nicht böse x.x

Schönes Wochenende noch xxT~

Please, not again ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt