Kapitel 11

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Mars ging durch die Tür, ich folgte ihm. Er öffnete die Falltür, die eigentlich unter dem Schrank sein sollte. Jedoch stand dieser beiseite.
Ich dachte mir dabei nichts, wollte an Mars vorbei, jedoch hielt er mich mit seinem ausgestrecktem Arm zurück.
,,Warte."
Ich sah ihn verwirrt an, sagte jedoch nichts.
,,Hier stimmt etwas nicht. Diese Falltür liegt nie offen.",fuhr Mars fort. Ich fing an zu zittern.
Das war verdammt nochmal nicht fair, dass ich jedes Mal an die NC denken musste.
Ich schluckte, Mars nahm seinen Arm runter.
,,Vielleicht hast du vergessen, den Schrank zurückzuschieben?",schlug ich vor. Meine Stimme hörte sich brüchig an.
Mars sah mich an, tippte sich an den Kopf.
,,Ach ja, stimmt."
Er ging los als wäre nie etwas gewesen. Jedoch zitterten meine Knie immer noch. Gefühle schwappten hoch, und ich ließ sie zu. Mars wusste nicht, wie es in der NC war. Ich habe Menschen neben mir sterben sehen. Menschen, die durch meine Schuld gestorben sehen. Nur wegen mir.
Bell.
Wie geht es ihr? Ist sie tot? Haben sie alle wegen mir getötet? Oder muss sie weiter hungern? Vielleicht ist sie schon verhungert?
Was ist mit Gave?
Es kann nicht sein, dass er für immer weg ist. Er kann nicht versucht haben, Dean zu töten. Das kann ich nicht glauben.
,,Reece?"
,,Ja?"
Meine Stimme hörte sich an, als hätte ich geweint. Nein, ich weinte wirklich. Erst jetzt fiel es auf.
Mars kam zu mir, umarmte mich.
,,Wieso weinst du?",flüsterte er, strich mir behutsam über den Kopf. Diese Umarmung tat gut.
,,Was ist passiert?",versuchte Mars es erneut. 
,,Ich... nichts."
Er sagte nichts mehr, wir standen einfach da als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen. Dann brach ich die Stille, löste mich von Mars.
,,Es... es gibt Leute, denen ich verdammt viel Schulde. Nur leider kann ich ihnen nichts mehr geben, da sie alle tot sind. Meinetwegen.",murmelte ich.
Mars sah mich verblüfft an. Ich sah ihn an, was er dachte. Er dachte, dass ich eine Mörderin bin.
,,Aber",ich schluckte, ,,dort sind noch ein Paar Leute in der NC, denen ich gerne etwas geben will. Und ich brauche deine Hilfe und die der anderen.",schniefte ich.
,,Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir die Hilfe geben kann.",seufzte Mars.
,,Kannst du alle Gefangenen der NC retten?"
Stille.
,,Bitte.",wisperte ich und meine Augen füllten sich wieder mit Tränen.
Plötzlich wurde mir bewusst, wieso Mars nichts sagte. Falls es fehlschlagen würde, würden viele seines Clubs ebenfalls sterben. Wieder wegen mir.
Ich wurde wütend.
,,Es ist doch das, was ihr wollt! Freiheit für alle, ein Leben ohne Chips!",schrie ich fast. 
,,Ich habe doch nichts gesagt.",meinte Mars ruhig. Ich schluckte, atmete tief ein.
,,Was sagst du denn dazu.",sagte ich heiser.
,,Ich muss darüber denken. Es ist keine Entscheidung, die man in einigen Sekunden treffen kann.",beschloss Mars, nahm mich in den Arm und schob mich nach vorne zur Treppe. 
,,Und jetzt lass uns gehen. Du siehst nämlich verdammt niedlich aus wenn du weinst, und ich bin sicher dass du das nicht willst.",lächelte er und brachte mich zum Schmunzeln. Er war ziemlich gut darin, Leute zu trösten.
Mars bog ohne Worte in die größte Halle des Clubs ein, während ich an ihm vorbeiging und die Treppen zu meinen Bett hochlief. Ohne mich umzuschauen warf ich mich in das Bett, fing erneut an zu weinen.
Ich dachte an Mom und Dad. Dad wollte zeigen, dass auch wenn ich keinen Chip trage, alles funktioniert.
Er ist für die Chips. Genauso wie alle aus der NC außer Dean vielleicht. Vielleicht war Dad wie der Präsident gewesen, mit den selben Absichten?
,,Ich will dich nicht stören, aber... dir geht's gut, oder?"
Eine tiefe Männerstimme. Ich erschrak, setzte mich auf.
Durch meine verschwommenen Augen sah ich einen Mann, der auf einem Bettgestell saß.
Dadurch, dass er mich sah, musste ich noch mehr heulen.
,,Ich heiße Grien.",versuchte er gegen meinen Heulgesang zu sagen.
,,Hast du ein Taschentuch?",fragte ich unter Tränen mit zitternder Stimme. Ich konnte kaum vernünftig sprechen.
,,Nö, ich hab' nur das."
Er warf mir sein durchgeschwitztes Shirt zu. Ich ignorierte den Geruch und wischte mein Gesicht sauber. Dann riss ich mich zusammen, hörte auf zu weinen.
Vor mir saß Grien, er hatte soeben sein Oberteil ausgezogen und machte anscheinend eine Pause damit, das Bett zu bauen.
Finster sah ich ihn an, ging auf ihn zu.
,,Du hast mich nie gesehen, alles klar?!",fauchte ich ihn an und wollte ohne eine Antwort aus dem Raum gehen. Jedoch hier Grien mich mit einem starken Griff fest.
,,Was willst du eigentlich damit erreichen, dass du ständig so agressiv bist?! Und außerdem würde es nichts ändern, ob ich dich hier gesehen habe oder nicht.",spuckte er mir ins Gesicht.
Er machte eine Pause, damit ich antworten konnte, jedoch sagte ich nichts.
,,Du wirst dir echt nicht viele Freunde machen.",fügte er hinzu.
Ich presste meine Lippen aufeinander.
,,Ich war ein halbes Jahr als Gefangene in der NC, da lernt man nichts anderes als kalt zu sein, weil alle deine Freunde sowieso getötet werden.",sagte ich fast ohne Stimme.
In dieser Situation war mir nicht bewusst, ob es die Wahrheit war oder nicht.

Es war eine Lüge, ich war schon immer so. 

CODE - Gefährliche GegenwartWhere stories live. Discover now