Entscheidung 2.0

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Camian

Ich hielt inne und betrachtete für einen Augenblick meine Flügel.  Dann sah ich auf und... erstarrte. Eine Welle von Dämonen stürzte sich auf mich, erbost durch den Tod Samuels. Oben auf dem Dach ertönte ein heller Schrei – Sophie.

Die Dämonen um mich herum fauchten wütend. Die Feuerdämonen setzten sich selbst in Brand und versuchten mich zu packen. Den ersten Dämon, der mich erreichte stieß ich mit einem hellen Strahl aus meiner Hand gegen eine Hauswand, die nächsten drei pulverisierte ich in der Luft. Davon abgelenkt schaffte es ein Luftdämon in meinen Rücken. Er blies einen kräftigen Luftstrom aus, der meine Flügel verhedderte. Ich kippte nach links, genau in die Dämonenwolke hinein. Feurige Hände packten meine Arme und ich schrie als die Hitze meine Haut verbrannte.
Nach oben, ich musste nach oben gelangen. Mit hastigen Flügelschlägen versuchte ich mich durchzukämpfen, aber ich vergaß die Erddämonen in meinem Rücken. Mit aller Kraft warf er sich gegen meine Flügel, so dass die Knochen brachen. „Nein!", rief ich.
Die Dämonen ließen mich los.

Sophie

„Nein, nein, nein, nein, nein!" Nein! Verzweifelt schüttelte ich den Kopf und sank auf die Knie. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass es nicht nur mir so ging.

Samuel war besiegt, aber Camian war tot. Er lag weit, so weit unter uns auf dem Boden. Mein ganzer Körper schmerzte vor Angst. Er war aus solch großer Höhe mit gebrochenen Flügeln auf die erbarmungslose Erde gekracht.

Um mich herum pufften bunte Wolken auf und schillernd regenerierten sich die Flügel der Engel. „Nick...", flüsterte ich. „Ich habe dich." Wir fielen dem Boden entgegen und stoppten stolpernd in der Nähe von Camian. Ein großer Kreis bildete sich um ihn herum, die Leute senkten ihre Köpfe.
Nur einige wenige kauerten sich zu ihren vom Dach gestürzten Freunden.

Mit gebrochenem Blick ging Darius auf seinen Bruder zu und kniete neben ihm nieder. Er schluchzte einmal trocken auf. Tränen stiegen erneut in meine Augen, aber ich konnte den Blick nicht abwenden.

Was Darius schließlich sagte, waren nicht die Worte, die man gegenüber seinem toten König sagt, nicht die Worte, die ich erwartet hatte.
„Du wirst mir so fehlen, Bruder."

Er packte Camians Hand und drückte zu. „Au!", quietschte ich. Stirnrunzelnd sah Nick mich an. „Soph, jetzt ist vielleicht nicht der beste Moment um die Wunden zu registrieren." Elona verstand als erste. „Ach du lieber Himmel.", hauchte sie. „Was?"

Sie huschte auf mich zu und schlug mir einmal kräftig auf die Wange, noch bevor ich reagieren konnte. „AU!", schrie ich wieder, lauter diesmal. Einige Köpfe wandten sich uns zu, ungläubige Abneigung im Blick. „Was soll der Scheiß?!" Sie ignorierte mich und rannte stattdessen zu Camian.

Nick, Louisa und ich folgten prompt. Ein roter Handabdruck erblühte langsam auf seiner Wange.
Ich schnappte nach Luft. Hoffnung explodierte so stark in mir, dass ich kaum noch atmen konnte. Nick schubste mich beinah neben ihm auf den Boden.

Eigentlich müsste ich wütend sein, aber die aufgeschrammten Knie registrierte ich nicht mal. Ich bemerkte auch nicht, dass Darius zur Seite rutschte um mir Platz zu machen, oder dass der Rest der Engel erwartungsvoll –hoffnungsvoll- nähertrat.

„Camian...", hauchte ich. Mit zitternden Fingern ergriff ich seine schlaffe Hand, sie war kühl. „Camian.", widerholte ich lauter. Wenn er auf meine Verletzungen reagierte, war er verdammt noch mal auch darin. Ich beugte mich über ihn und kniff die Augen zusammen. „Hör mir gut zu Freundchen, wenn du nicht gleich deine wunderschönen Augen öffnest, skalpier ich dich vielleicht noch aus Wut, also komm in die Pötte."

Nichts regte sich, es war totenstill. „Camian lass mich nicht allein. Ich brauche dich doch. Ich liebe dich." „Ich liebe dich.", widerholte ich lautlos. Dann beugte ich mich vor und strich mit meinen Lippen sanft über seine. Meine rechte Hand legte sich auf sein Herz.

„Lebe, denn ich warte auf dich."
Ich öffnete meine Augen im gleichen Moment wie er seine. Sie flackerten. Meine Haare verbargen uns vorm Rest der Welt, niemand sah, dass er am Leben war. „Ich liebe dich."
„Ich liebe dich Süße." Ich lächelte. „Du musst wach bleiben, leben. Weißt du wieso?" Ich schenkte ihm einen durchdringenden Blick. „Weil ich ohne dich nicht leben kann."

Zitternd schlossen sich seine Augen wieder. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sein Herz stotterte unter meiner Hand.

„Nein.", kristallklar ertönte meine Stimme. „Wag es dich ja nicht!", zischte ich panisch. Kräftig schlug ich ihm auf die Brust, auf die Silberne Scheibe, mein Medaillon; mein Oberkörper fuhr zusammen mit seinem in die Höhe. Seine Haselnussaugen waren weit geöffnet, er schnappte nach Luft. Japsend sackte er in sich zusammen.

„Bleib hier! Bleib wach, Camian!"
„'kay.", hustete er. „Oh Gott!"
„Er lebt noch!"
„Wie kann man denn so was überleben?"
„Arzt!", schrie Elona, sie behielt als einzige die Ruhe. So ein Praktikum schien doch ganz nützlich zu sein.

Camian blickte mir ununterbrochen in die Augen, ich hielt seinen Blick fest, hielt ihm im Leben.
Zwei Engel drängelten sich zu uns durch und schnauzten sich gegenseitig Befehle zu. „Camian, bleib bei mir, bleib bei mir, bleib bei mir!"
„Ruhe!", zischte der eine Arzt. Louisa knallte ihm eine und bedeutete mir zu tun, was ich für richtig hielt.

„Machen Sie für einen Moment Platz", befahl der andere Arzt ruhig. Wir folgten seiner Anweisung. Mit einer raschen Bewegung zerriss er Camians Hemd. Wieder hustete Camian, aber diesmal drang Blut über seine Lippen. Ich schnappte erschrocken nach Luft, als ich die tiefen Wunden auf seinem Oberkörper sah.

„Sie müssen sich gegenseitig retten. Sie können das.", erklärte der Arzt ruhig.
„A-aber wie soll ich denn...Ich kann es nicht ohne..."
„Jetzt stottre nicht so rum!", zischte der unfreundliche Arzt.
Nick packte ihn an den Schultern und schleuderte ihn von uns weg. „Komm schon Sophie, tu was!", rief Darius angsterfüllt. Du weißt was du tun musst. Ich hole tief Luft und presste meine Hände auf Camians Brust.
Er musste Leben. Ich konnte das.

Panik leuchtete in seinen Augen auf, als er merkte was ich tat. Aber es funktionierte. Farbe kehrte in seine Augen zurück und langsam begannen die Wunden sich zu schließen. Nick jubelte, packte Louisa bei den Händen und sprang mit ihr auf und ab, wie kleine Kinder. Camians Muskeln strafften sich, seine Flügel knackten vernehmlich, als sie wieder eine gesunde Form annahmen, aber ich sackte langsam neben ihm zusammen.

„Hör...auf.", flüsterte er. Das konnte ich nicht, er musste geheilt werden. Camian zitterte, aber noch gehorchte sein Körper seinem Befehl noch nicht wieder. „Halt sie auf, Darius!", befahl Camian. Seine Stimme klang kräftiger, mehr wie seine. Zögerlich senkten sich Darius Hände auf meine Schultern, hin und her gerissen. „Nicht! Wenn du ihn retten willst, lass mich das tun!" Meine Stimme war nur ein Krächzen.

Erschrocken taumelte er nach hinten und ich begann zu zittern. „Sophie!"
Aufgewühlt schaute Elona zwischen Camian und mir hin und her. In Camians ganzem Ausdruck lag helle, unverfälschte Panik. „Sie gibt ihm ihre Lebenskraft.", begriff Elona. „HÖR AUF!", schrie Camian und schubste mich von sich. Ich kippte nach hinten um. Die Welt drehte sich, verschwamm und dann wurde alles dunkel.

Samuel tritt auch endlich mal auf. Oben auf dem Bild ist er zu sehen.

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⏰ Last updated: Jan 18, 2017 ⏰

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Die Wächterin - Mistkerle, Dämonen und Engel Where stories live. Discover now