Gedanken denken sich nicht leicht allein

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Sophie

Seufzend packte ich meine Sachen zusammen als es endlich klingelte. Der Unterricht war nicht so schlimm, wie bei Mrs Contarini, aber Spaß war was Anderes. Ich trat aus der Tür, die Tasche über der Schulter, da wurde sie mir auch schon wieder abgenommen.

„Nick!", schimpfte ich. „Das kann ich selbst." Er grinste lausbübisch.
„Ach, aber dafür bin ich doch da! Los jetzt, Mr. Milligan will deine Schilde weiter testen." Ich verzog das Gesicht.
„Er ist ein Arsch."
„Aber einer der dir hilft. Wenn du dich konzentrierst schaffst du's, aber es muss unbewusst funktionieren. Also hopp hopp! Arschlöcher werden böse, wenn man sie warten lässt!"
Ein schnaubendes Lachen entkam meinem Mund. „Und das von dir."
Er legte mir den freien Arm um die Schulter. „Ich bin einmalig."

Lachend machten wir uns auf den Weg, schoben uns an den anderen Schülern vorbei. Bis eine Hand mich gegen die Wand stieß. „Hey!", hörte ich Nick protestieren. Ich sagte nichts. Diese kleine Schlampe war es nicht wert.

Vorsichtig stellte ich mich wieder gerade hin und beobachtete, wie Karla Nick ein süßliches Lächeln schenkte. „Warum gehst du nicht schon mal vor, Nicolò? Sophie kommt gleich nach."
Er sah zu mir.
„Alles gut, die kriege ich geregelt." Nick musterte Karla noch einmal voller Ekel, dann zog er tatsächlich ab.

Die anderen Schüler machten wohlweislich einen Bogen um uns; es hatte sich wohl schon herum-gesprochen, dass Karla nicht gut auf mich zu sprechen war. Hass verdunkelte ihre Züge, da hatte ich nichts gegen, aber als sie mich packen wollte wehrte ich sie ab.
„Lass es sein, Karla! Ich habe echt besseres zu tun, als mich mit dir abzugeben."

Ungläubig fixierte sie mich, tja, so redete man wohl nicht oft mit ihr, aber es reichte einfach. Ich ließ mich nicht gerne herum schubsen, weder metaphorisch noch physisch.

„DU dich mit MIR?", keifte sie, als sie ihre Stimme wiederfand. „Du klingst nicht so gut, vielleicht solltest du zum Arzt gehen." Meinte ich betont freundlich und verschränkte lässig die Arme vor der Brust, während die Menge kollektiv nach Luft schnappte. Karlas Hände ballten sich zu Fäusten. „Halt dich von ihm fern!", zischte sie. Anscheinend war ihr Schreck, doch keine Beute, sondern eine echte Feindin vor sich zu haben überwunden. „Sicher, wenn er das will." Ich grinste. Viel besser gelaunt wollte ich losgehen, aber sie schnitt mir den Weg ab.
Die Spannung stieg sprunghaft an, während wir uns feindselig anfunkelten.

„Sophie? Wolltest du nicht zu Mr. Milligan?" Camians tiefe Stimme unterbrach den Bann.
„Camian!" Strahlend hüpfte Karla zu ihm und warf sich in seine Arme. Er zuckte ganz, ganz leicht, seine Flügel sorgsam angehoben, obwohl es ihn viel Kraft zu kosten schien. Sein Blick fing meinen ein, ignorierte Karla regelrecht, was mich unwillkürlich grinsen ließ.

„Ja, wollte ich. Nick sollte mich hinbringen, ich komme bei den Räumen immer noch durcheinander." Sanft aber bestimmt schob Camian Karla von sich. „Ich bring dich hin." Mein Herz klopfte schneller. „Danke." Oh, wenn Blicke töten könnten läge ich schon als ein Häufchen Asche auf dem Boden. So lief ich, Camian an meiner Seite, los.

Zögerlich sprach er: „Ist alles okay?" Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, meine Schultern unwillkürlich verspannt. „Willst du es gerade in meinen Gedanken lesen?"
„Nein, das werde ich nicht tun, ich habe mich doch entschuldigt. Es sollte nur privat bleiben, wenn du das willst." Ich entspannte mich wieder.

„Mir geht's gut. Karla hat mir nur ihre Sicht der Dinge aufgezeigt. Sag mal, magst du sie?"
„Um Gottes Willen, Nein!" Vor Entsetzen auch noch laut. Ich kicherte.

Camians Augen leuchteten auf. Hatte ich etwa diese Wirkung? „Morgen Abend kommt Elona aus Asien zurück" Deswegen hatte ich die Wächterin also nicht gesehen. „Wir wollten sie feierlich begrüßen. Hast du Lust?" Fragte er mich gerade nach einem Date?!

Als ich nicht sofort antwortete, ihn nur stumm anstarrte redete er weiter. „Wir wollten den Raum heute noch fertigmachen und ich dachte du möchtest sie kennenlernen." Ach so... War ja klar. „Gerne. Ist es nicht hier?" Wir blieben stehen. „Ja." Jetzt konnte ich seinen Tonfall schon wieder nicht deuten. „Dann bis später." Ohne ihn anzusehen umarmte ich ihn kurz und huschte in den Raum.

„Wie schön das Sie uns auch noch beehren, Miss Covino." Verbissen starrten mich die wachen, grauen Augen von Mr. Milligan an. Von jetzt auf gleich wieder genervt ließ ich mich auf einen Stuhl fallen.
„Ich wurde aufgehalten. Wie gehen wir es heute an?" Kerzengerade stand er da, eigentlich ganz nett anzusehen, er war erst 34, aber furchtbar unsympathisch. „Wie gestern. Nicolò kennt Sie, wenn Sie ihn abblocken können, probieren wir es mit Fremden."

Nick grinste schwach. „Sorry, Sophie. Hätten wir mal auf Mum gehört, dann hättest du's schon hinter dir."
Ich lächelte beruhigend. „Los!", rief Mr. Milligan. Und ich brach in Tränen aus. „Wa-as i-ist das? Ich bin doch gar ni-nicht..." Nick fuhr sich gequält durchs Haar. „Tut mir leid." Und schon konnte ich aufhören zu weinen.

Ich atmete tief durch und strich mir mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen. „Okay. Also kannst du mir nicht nur Sachen einreden, sondern auch meine Handlungen beeinflussen?"
„Konzentrieren Sie sich, Miss Covino!" Krachend ließ Mr. Milligan seine Hände auf den Tisch vor mir donnern. Ich zuckte vor Schreck zusammen. Eindringlich beugte er sich vor; das war verdammt gruselig! „Ihre Gedanken bestimmen Ihr ganzes Wesen, bestimmen alles was Sie ausmacht. Wenn man Ihre Gedanken kontrolliert, kontrolliert man SIE. Noch mal!"

Drei qualvolle Stunden später, in denen Nick mich wütend gemacht hatte, depressiv und himmelhochjauchzend, schaffte ich es endlich ihn abzuwehren, wenn auch nur, wenn ich mit zentralisierte. Müde raffte ich meine Sachen zusammen und warf mir den Rucksack über die Schulter. Nick war eine Halbe Stunde früher weggeschickt worden, während Mr. Milligan mir die Bedeutung von unbewusster Abwehr einprügeln wollte.

Auf meinem Zimmer angekommen schmiss ich mein Zeug in eine Ecke und marschierte unter die Dusche. Ich seufzte erleichtert auf, als das heiße Wasser meine Muskeln lockerte und genoss es so sehr, dass ich die Zeit vergas. Jetzt hatte ich nur noch knapp eine Halbestunde bevor ich mich mit den Anderen treffen wollte! Schnell föhnte ich mir die Haare halbwegs trocken und schlüpfte in schwarze Jeans und ein hellblaues T-Shirt mit einem stilisierten goldenen Vogel vorne drauf. Dann rannte ich den Gang runter zum baldigem Partyraum.

Die Wächterin - Mistkerle, Dämonen und Engel Where stories live. Discover now