Mein Besuch bei der Hölle Sophie

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„Sophie!"
Ich lächelte. Ich wusste genau, wer dort unten vor meinem Fenster stand, denn es gab nur einen, der in diesem Haus freundlich zu mir sprach.
„Ich komme gleich!", rief ich zurück. „Beeil dich, wir wollen doch weg sein ehe Mum dich wieder ‚braucht'!" Ja, das war das Problem. Klar, Mrs Contarini war der Boss und ich nur eine Wächterin in Ausbildung, aber ich fand, sie sollte trotzdem mal lernen wie man nett ist. Diese Frau schaffte es immer wieder mich auf die Palme zu treiben! Schnell streifte ich mein rotes Lieblings Shirt über und öffnete das Fenster.

Dafür, dass eigentlich alle mich behandelten, als wäre ich ihr Dienstmädchen, (okay, ich bin quasi ihre Angestellte, aber trotzdem!) hatte ich einen ziemlich guten Freund; meinen Einzigen. Nicolò. Außer Mum und ihm redete niemand wirklich nett mit mir.

Ich schaute den dicken Ast an, der ungefähr zwei Meter von meinem Fenster entfernt in der Luft schwebte und lächelte.
Mit 6 hatte ich Angst vor der Dunkelheit, diese Angst hatte ich schon lange nicht mehr. Mit 12 bekam ich Angst vor Mrs Contarini. Und mit 14 noch hatte ich Angst vor Dämonen. Vor einem Jahr wäre ich nicht mal auf die Idee gekommen aus meinem Fenster zu springen.
Jetzt, zwei Tage vor meinem 17. Geburtstag hatte ich keine dieser Ängste mehr. Im Gegenteil: Ich ließ mich zur Wächterin ausbilden, die ja immerhin für die Sicherheit der Engel sorgen sollte (es gab tat-sächlich Verträge die das Töten von Dämonen mit einbezogen!) und sprang munter aus Fenstern.
Was ich auch jetzt wieder zum Besten gab. Ja! Ich liebte diesen Adrenalinkick! Ein normaler Mensch würde so etwas nie können, dachte ich, während ich mich an dem Ast festklammerte, den Kopf nach unten gewandt.

Nick grinste und reckte beide Daumen nach oben.
„Kommst du oder soll ich dich runter hohlen?" So abwegig es auch klingen mag, aber er könnte problemlos fünf Meter in die Luft schweben, um mich vom Baum zu pflücken. „Ich komm selbst runter, keine Sorge!", rief ich zurück. Nervös trat er einen Schritt zurück. „Aber nicht so wie letztes Mal, weil..."
Noch während er redete machte ich genau das was ich nicht machen sollte. Ich ließ los. Ich schrie freudig auf und landete in seinen Armen.

Kopfschüttelnd starte er auf mich hinunter, doch in seinen blauen Augen lag ein vergnügtes Funkeln. „Du solltest das echt nicht ausnutzen. Wer weiß? Vielleicht lass ich dich ja irgendwann fallen?" Meine Antwort bestand aus einem Boxer gegen seine Schulter. Da lachte er wirklich. Er lachte einfach! Das Problem war nur, sein Lachen war ansteckend. „Lass mich runter!" prustete ich und boxte ihn gleich ein zweites Mal. Da lachte er nur noch lauter, ein glucksen mit leisen Schnauffern und drückte mich noch fester an sich. „Aber vielleicht fällst du!"

„Du bist doch ein echter Kindskopf!", erwiderte ich, kam aber nicht umhin seine muskulösen Arme zu bewundern, mit denen er mich scheinbar mühelos festhielt und die so gar nicht kindlich aussahen. Genauso wenig wie sein tintenschwarzes Haar mit den markanten Wangenknochen kindlich aussah. Die grünen Flügel gaben dem Ganzen nur den letzten Schliff. Ein ganz normaler Anblick unter Engeln in Venedig.


Himbeer-Cookie-Eis essend fand ich mich schon kurze Zeit später über den Markus Platz wandernd wieder. Neben mir Nick. „Die starren uns alle an!", zischte ich. Er sah mich belustigt an und grinste vielsagend.
„Und?" Okay, er war es gewohnt angestarrt zu werden. 1. Sah er einfach umwerfend aus und 2. wenn man Flügel hat, starren einen die Leute wohl aus Prinzip an. Die sah man als normaler Mensch schließlich nicht jeden Tag durch die Straßen schlendern.

„Das nervt.", antwortete ich deswegen nur. „Tja." „Hör auf damit." Immer musste er diesen Scheiß aus seiner Trickkiste kramen.
Mum hat aber recht, du musst lernen deine Gedanken zu schützen."
„Pah! Wie und wer soll mich denn bitte in Gedanken verletzen können? Nerven das schon, du bist der lebende Beweis das das geht, aber verletzen?!"
„Oh, Sophie." Er seufzte. Ein tiefes Seufzen von ganz unten.
„Wenn ich verletzen sage, dann meine ich damit dich ablenken, verwundbar machen. Und wenn du verletzbar bist, wie lange meinst du würde es dauern mich zu verletzen, während ich dich zu beschützen versuche?" „Oh." Wie machte er das bloß mir mit einem einzigen Satz den Wind aus den Segeln zu nehmen?

Die Wächterin - Mistkerle, Dämonen und Engel Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz