Welcome, welcome!

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Sophie

Der Flug war lang und einsam.
Nick versuchte immer wieder mich aus meiner Depression zu reißen - ohne Erfolg. Irgendwann gab er auf und überließ es der untergehenden Sonne mich in den Schlaf zu wiegen.

Ich träumte von regennassen Tagen, die ich mit meiner Mutter in New York auf der Jagd verbracht hatte. Von all den Jahren in denen mein Vater mich auf seinen Schultern durch die Stadt getragen hatte, sodass ich die winzigen Dämonen auf den Straßenlaternen hocken sah. Kleine, die die keine Bedrohung darstellten und die wir, solang sie nicht schlimmeres machten als ahnungslosen Passanten die Gummibärchen zu klauen, weitgehend in Ruhe ließen.

Ich träumte von den Nächten in denen ich allein und ängstlich im Bett gelegen hatte, bis mein Vater reinkam und mich in den Armen hielt bis ich einschlief. Manchmal, wenn Dad auf Geschäftsreisen war, kam Mum.

Ich erinnerte mich an die Zeit, als Oma uns besuchte; wie sie mir immer heimlich Süßigkeiten zugesteckt hatte und mir in verschwörerischem Singsang mitteilte, dass Mum und Dad davon nichts wussten. Und an den Tag, als sie mir ein silbernes Medaillon mit eingeritzten Engelsflügeln, so zart, dass man sie kaum sah zeigte, das für mich bestimmt war. Wir waren fortgegangen bevor ich 16 wurde, der Geburtstag an dem sie es mir schenken wollte.

Es waren glückliche Erinnerungen.
Die Ansage der Stewardess, dass wir gleich landen würden, weckte mich. „Gut geschlafen?", murmelte Nick neben mir. „Nein." Dies waren Dinge, die in meiner Erinnerung begraben bleiben sollten, so schön es damals auch gewesen sein sollte. Sie lenkten mich nur von der Gegenwart ab.

Die Landung war sanft und die Passagiere klatschten und bedankten sich so für den angenehmen Flug. Haha, sehr lustig.
Am liebsten wäre ich nie in dieses Flugzeug ein-gestiegen.
Wir gingen das Gateway entlang, an der Gepäckausgabe vorbei und nach draußen.
Ja, die Leute gucken komisch, wenn man ohne Koffer aus einem Langstreckenflugzeug steigt.

„Liebes, jetzt sieh dich doch mal um! Wir sind zuhause!" Ich fuhr zu Mum herum. „Ich weiß wie es hier aussieht!" Mrs Contarini verzog bei meinem Ton angewidert das Gesicht, doch ich beachtete sie kaum. Mums Stimme war streng, als sie erwiderte: „Jetzt sind wir nun mal hier und werden es bleiben. Du kannst nicht ewig die Augen verschließen. Venedig ist Vergangenheit."
„Man darf ja wohl träumen.", nuschelte ich. Louisa hörte mich dennoch.

„Du benimmst dich lächerlich! Dein Vater ist nicht hier, okay? Unwahrscheinlich, dass du ihn plötzlich siehst." Wütend trat ich direkt vor sie und funkelte sie an. „Mein Vater geht dich gar nichts an!", fauchte ich.
„Louisa, Sophie! Es reicht! Wir fliegen jetzt zu den Davids." Mum schaute mich an und schüttelte den Kopf, eine stumme Bitte höflich zubleiben.
Dann trat sie zu Mr. Contarini und schlang die Arme um ihn. Mrs Contarini mit George, Louisa und sie hoben ab und flogen los. Seufzend drehte ich mich zu Nick um, der geduldig darauf wartete, dass ich ihm Beachtung schenkte. Er lächelte zögerlich. „Wollen wir?" „Klar." Damit flogen auch wir los, hinein in unsere neue Welt.
Was für ein Scheiß Tag.

„Liam, mein Lieber, wie schön dich zu sehen!"
Liam David stand in einer beinahe antiken Tür, die in ein hübsches, blaues Einfamilienhaus rein führte.
Allein, dass es sowas wirklich gab verwunderte mich. Mit Mum und Dad hatte ich in einer kleinen Wohnung in Brooklyn gewohnt, nicht wie hier im Herzen von New York City.

„Ich freue mich auch, Monica, obwohl die Umstände doch eher ärgerlich sind." Er beugte sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Hand, bevor er Mr. Contarini und den Rest von ihnen Willkommen hieß. „So, das muss dann wohl die berühmte Familie Covino sein!", wandte er sich an uns.
Ich blinzelte irritiert. Mum war berühmt, keine Frage, ich hingegen... eher nicht.
„Liam, wie schön sie endlich persönlich kennen zu lernen!", säuselte Mum und rammte mir ihren Ellenbogen in die Seite, was mich stoßartig alle Luft entweichen ließ.
„Hallo."
Oh man, Soph, weniger ging nicht?"
Nick gluckste leise, was ihm diesmal nicht nur von mir einen bösen Blick einbrachte.

Die Wächterin - Mistkerle, Dämonen und Engel Donde viven las historias. Descúbrelo ahora