Gedanken denken sich nicht leicht allein 2.0

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„Hey, Soph hilf uns mal mit den ganzen Luftballons!" Fröhlich winkte Nick mich zu sich und Darius herüber. Camian und Louisa befestigten Girlanden an der Decke, an den Wänden... Der Raum sah aus als wäre die Party in 5 min nicht morgen. Nur die Stühle und das Essen fehlte.

Ich schlenderte zu ihnen rüber und schnappte mir eine der Luftpumpen. Darius zwinkerte mir zu. „Wolltest du dich drücken?" Ich schnaubte protestierend. „Hey, ich habe mir Mr. Milligan angetan, da muss man sich erst mal von erholen!" Wir lachten alle drei.

Nach einer Weile beorderte Louisa Nick zu sich, damit er Camian half die Sitzgruppen dahin zu rücken, wo sie hinsollten, während sie sich weiter mit den Girlanden beschäftigte.
„Also, wie machst du dich so?" Ich warf Darius einen fragenden Blick zu und schnappte mir einen neuen Luftballon. „Mit Mr. Milligan." Verlegen zuckte ich mit den Schultern. „Ich schätze ganz gut. Ich hab's geschafft." Das ich mich konzentrieren musste, erwähnte ich mal lieber nicht.

Darius lächelte leicht; Ich hatte das Gefühl bei ihm kam das noch seltener vor als bei Camian. „Vor mir brauchst du bei dieser Sache keine Angst haben. Ich habe gesehen, was es bei meinem Freund angerichtet hat."
„Was meinst du damit?", harkte ich vorsichtig nach.

Darius Muskeln waren angespannt, seine Flügel zuckten unruhig, faszinierend glänzend. „Da habe ich mich bewährt. Ich habe ihn ins Krankenhaus gebracht, als Dad und ich ihn fanden. Und nein, er hat es nicht geschafft. Sein Folterer ebenso wenig." Grimmige Rache funkelte in seinen braunen Augen. „Oh."

Unwohl fummelte ich am Bändchen des Luftballonverschlusses herum, bis er mir von einer gebräunten Hand abgenommen wurde. Mit raschen Handgriffen verknotete Camian den Ballon, dann warf er ihn zu dem Rest im Raum Umherschwebenden. „Ich erlöse dich,", sagte er zu Darius. „wir müssen das hier nur noch fertigmachen, dann komm ich nach."

Erstaunt sah ich aus dem Fenster und musste feststellen, dass es inzwischen stockdunkel war. „Okay. Gute Nacht." Elegant ließ Camian sich auf den freigewordenen Platz sinken und lächelte mich an. Ich lächelte zurück, aber es verrutschte.

„Meinte Darius das ernst? Dass sein Freund gestorben ist?"
„Er hat viele Freunde verloren.", er-widerte er sachlich. Eine Weile arbeiteten wir schweigend. „Er ist nicht sonderlich subtil, er wollte dich nicht verunsichern.", sagte er sanft. „Ist schon okay, ich hatte nur nicht damit gerechnet. Ihr wirkt beide so, als würde euch jeder Moment des Lebens kostbar sein."

Wehmütig hing Camians blick auf mir, als ich den Kopf ihm zuwandte. Seine Haselnussaugen von Schatten umwölkt, die ich nicht verstand. Plötzlich schnappte er sich noch einen Luftballon. „Das ist nicht unbedingt ein Partygespräch.", versuchte er das Thema zu wechseln.

Irritiert stieg ich darauf ein. „Stimmt. Du könntest mir was Schönes aus deiner Kindheit erzählen.", schlug ich deshalb vor. Ein schiefes Grinsen, erhellte sein Gesicht. „Oh, da gibt es einigen Mist, den wir so verzapft haben."
„Was zum Beispiel?" Kribblige Neugierde machte sich in meinem Bauch breit, während ich ihn interessiert musterte. „Einmal sind wir nachts nach draußen abgehauen und geflogen. Ich weiß, Nacht, New York, Dämonen, keine gute Kombi, aber wir wollten die Lichter von oben sehen. Also haben wir ein Picknick auf einem Hochhaus veranstaltet, bis ein erwachsener Engel uns gesehen und nach Hause geschleppt hat. Dad war so sauer." Ich lachte mit ihm. „Das glaube ich!"

„Darius wirkt nicht so, aber wenn man ihn besser kennt, ist er zu ziemlich viel bereit, um was zu erleben. Deswegen stellte er meistens sicher, dass wir meine Ideen durchsetzen konnten. Meistens haben wir Elona mitgenommen, sie ist ein bisschen wie eine Schwester für uns." Liebevoll brachte er diese Erklärung, noch bevor ich eifersüchtig werden konnte. Sie hatte diesen kleinen, unbeschwerten Jungen gekannt, von dem Camian jetzt erzählte. Der sanfte, dickköpfige und leider viel zu vernünftige Camian vor mir sah mir in die Augen.

„Was hast du ausgeheckt?" Unschuldig zog ich eine Augenbraue hoch. „Wie kommst du darauf, dass ich Mist gebaut habe?" Fröhliches Gelächter brach aus ihm hervor, tief aus dem Bauch kommend. „Hey!" Grinsend schubste ich ihn in die Seite.
„Du machst doch immer noch total irre Sachen. Mit Erddämonen kämpfen statt nach Hause zu kommen. Bei fremden Typen aufs Motorrad steigen..." „Er hat mir gesagt wie er heißt!", protestierte ich. „Tatsächlich? Wie hieß er denn?"

Na ja...Mist. Bei meiner abwehrenden Haltung brach er schon wieder in Gelächter aus. Empört schob ich die Unterlippe vor, musste mir aber selbst ein Lachen verbeißen. „Du bist süß, wenn du dich rausreden willst. Na los, ich erzähle nichts weiter." Mit strahlenden Augen schaute er mich an, seine Flügel sahen für einen kurzen Moment richtig kräftig aus.
Da knallte er mir so was hin, süß, und wollte gleich darauf meine Lebensgeschichte hören.

„Na gut." Gab ich mich dann doch geschlagen. „Nick und ich sind unheimlich oft vor Mrs Contarini abgehauen. Sie wollte mich immer den ganzen Tag beschäftigen, aber wen hätte Nick dann zum in den See schmeißen gehabt? Und ich hätte niemanden zum ertränken gehabt." Ich lächelte bei der Erinnerung an diesen Sommertag. „In New York bin ich im Sommer immer mit Dad durch die Stadt gezogen. Meine Oma hat oder hatte eine Wohnung am Central Park, also sind wir zu ihr gegangen, haben uns mit Gummibärchen ausgerüstet und dann die Dämonen auf den Straßen geärgert, in dem wir die Tüten immer schön offensichtlich, aber außerhalb ihrer Reichweite gehalten haben."

Camian schüttelte grinsend den Kopf. „Ich glaube, ich weiß von wem du dein Talent mit dem vorsichtigen Umgang zu Dämonen herhast."
„Jaa, gut möglich. Mum hat's hoffentlich halbwegs ausgeglichen." „Ganz bestimmt."

Wieder schaute ich von meinem Luftballon zu ihm hoch, sah seine verstrubbelten Haare, die lächelnden Lippen und wünschte mir jäh er würde mich küssen. Sein Körper strahlte Hitze ab, so nah waren wir uns gekommen, aber er unternahm nichts, sondern stand auf und zog mich mit hoch. „Ich denke, wir haben es geschafft.", sagte er, auf die vielen Luftballons deutend. „Bestimmt reicht das Elona.", stimmte ich ihm trocken zu. „Dann lass uns gehen. Ich bring dich zu deinem Zimmer."
Leichte Enttäuschung trübte meine ausgelassene Stimmung, trotzdem ließ ich mich zu meinem Zimmer begleiten.

Die Gänge waren dunkel und leer, anscheinend schliefen die restlichen Schüler schon. Vor meiner Tür drehte ich mich zu ihm um und bemerkte seinen intensiven Blick. Mir stockte der Atem. Nervös schob ich mir eine Haarsträhne über die Schulter, gefesselt von diesem Blick. Camian atmete tief ein, ehe er mit rauer Stimme Gute Nacht flüsterte. Ich nickte nur, mir steckte ein Kloß in der Kehle, ganz eindeutig, bevor ich in mein Zimmer trat und die Tür hinter mir schloss, Camian alleine im dunklen Flur ließ.


Camian

Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, blöderweise stieg mir dabei nur ihr Duft wieder zu Kopf. Ich hätte sie einfach küssen sollen. Frustriert machte ich mich auf den Weg zu meinem Zimmer.

Gott, dieses Funkeln in ihren Augen... Ich wollte dafür verantwortlich sein und zwar jeden Tag. Aber sie hatte schon genug Schmerz in ihrem Leben gehabt. Wenn sie erst einmal erfuhr, dass ich ihr in naher Zukunft erneut wehtun würde, wenn sie von meinem Leben, meinem richtigen Leben erfuhr... Ich wollte ihr Licht nicht erlöschen sehen. Diese Lebensfreude, die sie anscheinend bei mir und meinem Bruder sah, war bei ihr hundertmal stärker.

Sie war so stark. Nicolò hatte mir erzählt wie dickköpfig sie sich durch ihr Training gearbeitet hatte. Und er hatte mich gewarnt sie ja nicht zu verletzen. Nie wieder wollte ich ihre Stärke verblassen sehen, erst recht nicht durch mich. Also durfte sie einfach nichts Verletzendes erfahren.

Die Wächterin - Mistkerle, Dämonen und Engel Where stories live. Discover now