.50 - Flucht

2.1K 93 128
                                    

Mein Hals kratzte unaufhörlich und war einfach staubtrocken. Ich hatte meine Orientierung verloren und sah einfach nur schwarz. Die Schwärze umhüllte mich mit einer Kälte und hatte meinen Körper erfrieren lassen. Ich war versucht meine Arme um mich zu schlingen, doch mein Körper wollte nicht reagieren.

Innerlich seufzte ich auf und versuchte mit einem trockenen Schlucken meine verwüstete Mundhöhle zu befeuchten, doch vergebens. Wie lang war ich hier?

Mit zusammengezogenen Augenbrauen startete ich einen erneuten Versuch und gab meine ganze Kraft ab, um wenigstens meine Liegeposition zu ändern. Mich überkam eine plötzliche Müdigkeit, die ich bisher nie erlebt hatte und ließ mein Durstgefühl vergessen. War ich schon im Jenseits?

Mein Kopf war wie lahmgelegt und ich spürte das unendliche Pochen an meinen brennenden Schläfen. Entweder war ich mit einem Direktflug in die Hölle gelandet oder aber ich hatte mir auf dem Weg hierher den Kopf hart angeschlagen. Anders konnte ich mir die Sachlage nicht erklären.

Ich erinnerte mich nur wage an gewisse Bilder. Wie ich weinend auf dem Bett lag. Wie Ercan nach mir rief. Wie ich in eine Toilettenschüssel mich haufenweise übergab. Aber der Rest blieb aus. Ich konnte mich weder daran erinnern, wo ich nun war oder wie ich hier her kam.

Ein regelmäßiges Tropfen, der nach jeder dritten Sekunde in etwas Tiefes fiel, zog meine schlaffe Aufmerksamkeit auf sich. Die Frage, seit wann meine Ohren so empfindlich waren, beschäftigte mich plötzlich mehr als meine Durstigkeit.

Ich nahm etwas Weiteres wahr, der aber im Vergleich zu diesem auf Dauer nervtötendem Tropfen an meinem Ohr mich wenigstens beruhigte. Es war ein schwaches Geflüster, dessen Stimmen ich jedoch nicht so einfach zuordnen konnte.

War es vielleicht Ercan, der mit Begüm über meine Leichtsinnigkeit sprach? Oder doch Erdal, der mich mit einem Rückflugticket aus den Malediven gedroht hatte? Neugierig versuchte ich genauer zu lauschen, doch vergebens. Die Personen sprachen so leise, während im Vergleich diese verdammten Tropfen gefühlt näher an meinem Ohr in die Tiefe fielen.

Ein lautes Zischen riss mich sofort aus meinem Grübeln und ich drückte scharf meine Zunge gegen meinen Gaumen. Es wurde unverwechselbar eine frische Wasserflasche geöffnet, aus dem der Kohlenstoff ungeniert aus der nun geöffneten Flasche herausquoll. Und als die Person einen Glas damit füllte, weckte dieser meinen Gemütszustand.

Durst.

Ich war durstig.

Mit einem erneuten harten Schlucken versuchte ich meinen Rachen zu befeuchten, doch es wollte einfach nicht. Mürrisch zog ich meine Augenbrauen stärker zusammen und fühlte mich hilflos gegen all diese Gefühlen. Verdammt nochmal, warum benahm sich mein Körper wie ein Querschnittsgelähmter?!

Ich war müde wie noch nie. Ich war durstig wie noch nie. Ich war erschöpft wie noch nie. Mit meiner letzten Kraft versuchte ich erneut mich zu bewegen. Und tatsächlich regte sich mein Körper endlich, so als hätte ich das Eis um ihn gebrochen. Mein Kopf schwenkte etwas zur Seite und ich spürte sofort die Erleichterung in mir steigen.

Und wie als hätte man den Sekundenkleber aus meinen Augenlidern entfernt, spürte ich plötzlich die Leichtigkeit auf ihnen. Müde schloss ich meine Oberlider vorsichtig auf und erblickte sogleich einen weißen Einbaukleiderschrank. Er war mir fremd. Meine Augen rollten weiter durch den hellen Raum.

Das anstrengende Tropfen direkt an meinem Ohr war anscheinend eine verfluchte Infusionsflasche, der schon zur Hälfte leer geplätschert war. In der Tat, stand dieses verdammte Ding direkt zu meiner Rechten, den ich am Liebsten in die Ecke geschmissen hätte. Doch mein Körper war einfach noch zu schlapp.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt