.13 - Achterbahn

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Mich durchfuhr eine Gänsehaut, als ich die Anmerkung von Tante Zühal wahrnahm. Es herrschte eine unangenehme Stille im Wohnzimmer und das war das Zeichen für mich, das Zimmer endlich zu betreten. Tante Zühal saß auf dem Sofa recht mittig, während Onkel Necati auf meinem Platz saß. Eymen hingegen stand gegenüber seinen Eltern vor dem Couchtisch und kratze sich nachdenklich am Hinterkopf. Mein Armer.

Ich gesellte mich zu meinen Schwiegereltern und überspielte das Ganze recht geschickt. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, doch Eymen war außergewöhnlich still und lauschte lediglich dem Gespräch zu. Oder zumindest tat er so. Ich war es gewohnt, von ihm ignoeriert zu werden, doch dieses Mal war es merkwürdig unheimlich. Eymen beobachtete mich den ganzen Abend nachdenklich, was mich nur noch mehr stutzig und ängstig machte.

Ich blickte auf die Uhr und war erstaunt, wie schnell die Zeit davon ging. Ich griff nach meiner Tasche und stand auf, während ich Eymen den Blickkontakt mit einem Lächeln erwiderte. „Eymen kannst du mich nach Hause fahren?" - „Was für eine Frage, natürlich fährt er dich nach Hause, Bade!", beantwortete Tante Zühal belustigt auf meine Frage und so verabschiedete ich mich von meinen Schwiegereltern.

Ins Auto eingestiegen, schnallte ich mich wie gewohnt sogleich für die zehnminütige Fahrt an und sah Eymen auffordernd an, der mich immernoch nachdenklich ansah. Er hatte seinen Kopf mit seinem Arm an den Fensterrahmen gestützt und wirkte recht stutzig. Wir hielten dem Blickkontakt für ein paar Minuten stand, bis er das Wort nahm. „Was hast du meiner Mutter gesagt?" Überrascht brach ich kurz den Augenkontakt ab, sah geschwind raus und richtete sie sogleich wieder zu Eymen. „Wie meinst du das?", versuchte ich es zu überspielen, obwohl ich ganz genau wusste, was er meinte. „Du hast mich schon verstanden, Bade", raunte seine warnende Stimme. Ich seufzte einmal laut aus. „Ich hab ihr mitgeteilt, dass ich bereit wäre, etwas früher als geplant zu heiraten." Dabei sah ich auf meine Hände runter und kaute nervös an meiner Unterlippe, während ich eine imaginäre Strähne hinter mein Ohr legte. „Und weiter?", hörte ich ihn weiterhin kalt fragen. Ich schaute ihn nun verwirrt an und dachte nach, ob ich vielleicht doch noch etwas anderes verraten hatte. Ich verneinte seine Frage mit einem Kopfschütteln, worauf er nun genervt seufzte. „Ich sage es zum dritten und zum letzten Mal", begann er zu sprechen und sah mich gefährlich an. „Ich weiß ganz genau, dass du uns zugehört hast. Doch mach dir nicht all zu viel Hoffnungen, Bade. Bevor du dein Studium nicht vollendet hast und meine feste Stelle nicht habe, wird unsere standesamtliche Trauung sowie die Feier nicht stattfinden! Merk dir das, Schatz!", rief er ganz ruhig aus und zündete den Motor an. Verletzt brach ich den Blickkontakt ab und sah mit feuchten Augen aus dem Fenster, während ich mir meine Finger wütend massierte.

Als ich die mir zu bekannten Häuser sah, stellte ich erleichtert fest, dass wir bei mir angekommen waren. Wir tauschten, seit wir losgefahren waren, kein einziges Wort, versuchten nicht mal die Lage mit etwas Musik zu besänftigen. Er hielt vor dem Eingang meines Elternhauses an. In mir entfachte sich die Hoffnung nochmal auf, dass wir den Abend vielleicht doch noch zum Guten wenden könnten, doch da irrte ich mich gewaltig. „Gute Nacht", hörte ich Eymen lediglich trocken sagen. Dabei saß ich noch angeschnallt im Auto und sah ihn weiterhin verletzt an. Er sah konzentriert aus der Windschutzscheibe raus und unterstrich somit den Wunsch, dass ich so schnell aussteigen sollte, doch das hatte ich nicht vor. Ich hatte auch noch Dinge, die ich unbedingt aussprechen wollte.

„Eymen", begann ich mit einer nervösen Stimme zu sprechen und verfluchte mich selber, nicht fester ihm gegenüber sprechen zu können. Er sah weiterhin geradewegs aus dem Fenster raus. „Ich hab nur noch zwei Semester vor mir. Nur noch zwei Semester.", wiederholte ich meine Wörter und sah ihn erwartungsvoll an. „Ist doch schön, dann haben wir noch Zeit für die Vorbereitung unserer Hochzeit" Ich sah ihn genervt an und begriff sogleich, dass es nichts gebracht hatte. Beleidigt schnallte ich mich ab und öffnete die Tür. „Gute Nacht", sprach ich trocken aus und stieg aus dem schwarzen edlen Auto aus.

[..]

Es verging eine unendliche Woche und ich sah wie gewohnt meine Schwiegermutter mehr als meinen Verlobten. Doch ich hatte keinerlei Beschwerden, mir war es sogar lieber Tante Zühal im Haus anzutreffen als Eymen, den ich war sauer auf meinen Verlobten.

„Ich hab heute morgen mit Eymen gesprochen", teilte mir Zühal Anne freudig mit, doch ich zog verwirrt über ihre Aussage meine Augenbrauen. „Er hat endlich für die Vorrückung der Trauung zugestimmt!"

Mein Mund blieb eine Ewigkeit offen. Ich konnte es immernoch nicht fassen. Er hat zugestimmt? Er hat zugestimmt! „Er wird dich heute nach der Arbeit abholen", hörte ich Tante Zühal flüstern. Mich überfuhr augenblicklich eine dicke Gänsehaut und ein Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht.

„Meinst du, ich sollte meine Haare hochstecken?", stellte ich nervös Eylül die Frage. Sie sah mich kritisch an und stimmte dafür. Ich sah auf die Wanduhr und stellte fest, dass ich noch eine knappe halbe Stunde Zeit hatte.

Ich lief langsam die schon abgenutzten Holztreppen im Treppenhaus runter und spürte die Nervosität bis hin auf meinen Fingerspitzen. Ich entdeckte Eymen in einem marineblauen Sakko, den er mit einer hellen Jeanshose kombiniert hatte. Sein weißes Shirt stach sofort aufs Auge. Er hatte seinen Bart anscheinend gepflegt, den die Länge der Haare waren um Millimeter gekürzt. Er stand wie gewohnt an seinem Auto, die Hände in den Jeanstaschen versteckt und den Kopf nach hinten geworfen. „Hey", begrüßte ich ihn schüchtern und wusste im Geringsten nicht, wie ich jetzt handeln sollte. „Bekomm ich keinen Kuss?", hörte ich ihn nach einer stillen Pause verwundert fragen und mein Gesicht fing an zu brennen. Ich lief die letzten Schritte auf ihn zu und betrachtete sein Gesicht. „Ich habe dich vermisst", raunte seine Stimme gegen mein Gesicht, spürte seine Arme um meine Taille, während ich meine Hände auf seinen Brustkorb legte. Mit einem Lächeln im Gesicht, näherte ich mich seinem Gesicht. „Ich habe dich auch vermisst", ließ ich ihn flüsternd wissen und legte meine schmalen Lippen auf seine weichen Wangen. Doch bevor ich auch einen leichten Kuss hinterlassen konnte, wendete er sein Gesicht in meine Richtung, sodass sich unsere Lippen berührten. Er grinste nun schadenfroh, während ich geschockt in seine braunen Augen sah.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt