.26 - Glückseligkeit

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„Meinst du, dass das Oberteil zu offen ist für ein Bewerbungsgespräch?", murmelte ich mit vollem Mund ins Mikrofon meiner Kopfhörer und tupfte mit meinem Zeigefinger den Krümmel aus meinem T-Shirt. „Was für offen? Das ist genau die goldene Mitte! Weder zu offen noch zu spießig", beruhigte mich Derin ungemein. Ein Seufzen verließ meine Lippen und ich analysierte wieder das Bild, was ich Derin verschickt hatte. Mittlerweile lag ich seid Stunden demotiviert auf dem Sofa im Wohnzimmer, telefonierte mit Derin und aß nebenbei Chips. „Da war jemand ganz in einer anderen Meinung", offenbarte ich ihr müde und vergrößerte das Bild direkt auf meinen Ausschnitt. „Bade, dein Eymen ist nur eifersüchtig. Mehr ist da nicht, wirklich! Mach dir deswegen kein Kopf", versuchte sie mich zu motivieren. Ich nickte ungläubig mit dem Kopf. Hätte ich ihr die ganze Wahrheit gesagt, wäre sie sicherlich in einer ganz anderen Meinung. Ich ließ sie lediglich wissen, dass Eymen am vorherigen Tag gegen dieses Outfit war und mir heute die kalte Schulter zeigen ließ, als er mich doch noch mit dem Oberteil im Unternehmen sah. „Wie du meinst. Naja Themawechsel bitte", griff ich sogleich ein und setzte mich auf. „Ich habe mitbekommen, dass die ersten Vorlesungen morgen am selben Tag hintereinander stattfinden werden, danach sollen sie anscheinend die Vorlesungen auf zwei Tage teilen", ging sie geschickt auf meine Bitte ein. „Na toll! Kaum freut man sich, dass man dann einen Tag frei hat, kommt sowas!", seufzte ich genervt und stand mit dem leeren Schüssel aus dem Sofa auf. „Ich bin Gott froh, dass ich nur diese beiden Vorlesungen besuchen muss. Du tust mir da schon leid", scherzte ich gelassen und wusch die Schüssel aus. „Hah nicht das ich lache!", rief sie beleidigt aus und brachte mich nun zum Auflachen. „Warum musstest du auch die Prüfungen vorziehen? Ich mein konntest du nicht brav mit mir die restlichen Vorlesungen verbringen? Jetzt muss ich mich da alleine durchquengeln!" Ich verdrehte die Augen. Wie sie doch manches übertreiben konnte. „Du hast doch Nezih, mit dem du dich noch dazu prima verstehst", versuchte ich ein Kompromiss zu finden, doch durch ihr Aufschnauben ließ sie mich vom Gegenteil überzeugen.

Gestresst rannte ich die Hauptstraße entlang, um noch rechtzeitig den Bus zur Uni zu erwischen. Ich hatte meinen Wecker ausgeschaltet und der liebe Eymen sah es wohl nicht für nötig, mich aufzuwecken bevor er das Haus verließ. Kaum war der Bus dabei los zufahren, schlug ich wie wild auf die Scheiben und Türen, damit der blöde Busfahrer auf mich aufmerksam wurde. „Madame, dass nächste Mal sollten Sie früher aus dem Haus laufen", motze mich der dumme Busfahrer an, als er mir die vorderen Türen öffnete. Ich verdrehte meine Augen und hielt mich an der ekligen Stange fest, um auch nicht auf meine Mitmenschen zu fallen. Der Abend verlief nachdem ich das Telefonat mit Derin beendet hatte sehr ruhig. Extrem ruhig sogar. Eymen kam erst gegen Mitternacht nach Hause und ließ sich still neben mich auf das Bett fallen. Keiner sprach etwas aus, trotz dass wir beide auch nicht schlafen konnten. Zugegeben war ich kurz davor, ihn darauf anzusprechen und ihm zu verzeihen. Doch kurz danach fielen mir die schmerzenden Vorurteile ein, sodass ich meine Meinung sogleich änderte. Ich wollte warten. Warten, dass er sein Fehler einsah und mich um Verzeihung bat. Ich wusste nicht, was in seinem Kopf abspielte. Doch die Sätze, die er aussprach, waren ziemlich herzzerreißend.

Als ich mich auf dem Unigelände fand, griff ich nach meinem Handy. 

‚Danke, dass du mich aufgeweckt hast. Werde mich wahrscheinlich zur Pflichtvorlesung verspäten. Echt danke!' 

Sauer versendete ich die Nachricht an Eymen, der mit dem Kosenamen meine Welt eingespeichert war und lief zur Cafeteria. Ich kam zum Glück noch rechtzeitig zum Campus, sodass ich Derin sowie mir einen morgendlichen Kaffee gönnen wollte. Auf dem Weg zur Theke erhielt ich sogleich eine Nachricht von Eymen. 

‚Wusste nicht, dass ich dein persönlicher Wecker bin. Sorry.' 

Zähneknirschend warf ich das Handy unachtsam in meine Tasche und stellte mich hinter die Schlange an. Der Gedanke, dass Eymen auf dem Weg war wieder der Alte zu sein, störte mich ungemein. Mit zwei warmen Kaffeebechern lief ich zum Hörsaal, wo ich auch auf Derin zutraf. Als sie mich sah, fing sie grinsend an ihren Kopf zu schütteln. „Was war diesmal der Grund für deine Verspätung Miss?", begrüßte mich meine Freundin und schaffte mir den Platz neben ihr frei, indem sie ihre Tasche auf den Boden abstellte. „Habe verschlafen", murmelte ich genervt und blickte durch den Hörsaal. „Wie kommt das? Hat dein Eymen dich nicht geweckt", wollte sie belustigt wissen und nahm dankend den Kaffeebecher entgegen. „ Er sei nicht mein persönlicher Wecker", ahmte ich meinem Mann nach und verdrehte meine Augen. Lachend schlug mir Derin auf den Arm und nahm sogleich einen Schluck aus dem Kaffee. „Ihr seid echt wie Kinder!", stellte sie kopfschüttelnd fest. „Das wird mir mittlerweile auch klar. Denkst du es besteht noch die Rückgaberecht bei Tante Zühal?", stimmte ich grinsend ein und kramte meinen Block aus meiner Tasche raus. „Ein Versuch ist es ja wert", lachte sie laut auf, sodass schon einige Kommilitonen sich zu uns wandten. Doch Derin ließ sich von den Blicken nicht beirren. „Ach was ich dir noch sagen wollte! Ich habe mit Nezih gerade gesprochen und er hat gemeint, dass er die Notizen und die ehemaligen Prüfungen von jemandem aus dem Abschluss bekommen habe. Er würde es uns nach den Vorlesungen zum Kopieren geben" Überrascht zog ich meine Augenbrauen hoch. „Das ist ja eine super Neuigkeit!", stellte ich freudig fest und nahm ein Stift zur Hand. „Sag mal, wie ist den jetzt deine Arbeitszeiten geregelt worden?", wollte sie nun nachdenklich wissen, sodass ich meinen leeren Blick zu ihr wandte. „Eigentlich hätte ich heute anfangen sollen. Aber da ich ja jetzt zwei Fächer noch an der Backe habe, darf ich erst nächste Woche mit dem Arbeiten anfangen ", seufzte ich genervt auf und stützte meinen Kopf mit meiner Hand ab. „Immerhin wirst du im Gegensatz zu mir, dadurch dein Geld verdienen", seufzte sie nun auch genervt auf. „Und noch dazu wirst du mit dem Hübschling arbeiten", ließ sie mich grinsend wissen und zuckte ihre Augenbrauen einmal auf und ab. „Ach den Hübschling sehe ich doch 24/7", warf ich gelassen ab und sah auf meine Armbanduhr auf. Sie stieß mich unerwartet am Arm, sodass ich wieder fragend zu ihr aufsah. „Du Dummkopf! Ich meinte doch nicht deinen dummen Eymen! Ich meinte den hübschen Chef", dabei zog sie wieder vielsagend ihre Augenbrauen hoch und runter, sodass ich nun lachen musste. „Kannst du mal aufhören, mit deinen Augenbrauen zu tanzen? Du siehst dadurch ziemlich witzig aus", erwähnte ich beiläufig und setzte mich aufrecht hin. „Die tanzen unabhängig von mir Halay, was kann ich dafür?", log sie grinsend und wandte sich ebenso auf den Professor, der seine Tasche auf den Pult legte. Ich nickte ungläubig mit dem Kopf. Bestimmt war das so.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt