.33 - Schmerz

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Erschrocken lief ich einen Schritt zurück, wandte meinen Blick auf den Ausgang und sah zu, wie Eymen mit eiligen Schritten auf uns zu lief. Je weniger die Distanz wurde, desto stickiger wurde die Luft im Raum. Das laute Pochen um meine Ohren, betäubte mein Verständnis und das Gefühl etwas Verbotenes gemacht zu haben, stieg an. 

„Guten Abend Herr Özbay", begrüßte unser Chef meinen Mann ganz gelassen, als er neben uns stand. „Guten Abend", entgegnete er ruhig und hinterließ einen Kuss auf meine Schläfe, bevor er sich wieder zu Herrn Al-Hamid wandte.

Etwas stutzig von seiner ruhigen Art, versuchte ich mein wild klopfendes Herz zu dämmen. „Was war den das Problem, dass ihr so lange auf bleiben musstet?", forschte er gelassen nach, ließ seinen Arm um meine Taille schlingen und zog mich unbemerkt die wenigen Zentimeter zu sich.

„Es gab Probleme-", versuchte ich Eymen aufzuklären, doch Herr Al-Hamid schnitt meinen Satz abrupt ab. „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Herr Özbay. Immerhin sind Sie in anderen Projekten beteiligt. Wäre es ein Problem, indem Sie involviert wären, hätten Sie es schon zeitnah erfahren.", konterte Herr Al-Hamid unerwartet und sah Eymen vielsagend an.

Überrascht zog ich meine Augenbrauen hoch und sah unverständlich zu Herr Al-Hamid. Das ich mal diese Facette von ihm zu Gesicht bekommen habe, hatte ich nicht erwartet. Zumal ich auch nicht verstand, warum er so auf meinen Mann reagierte. Immerhin war es eine berechtigte Frage. Verblüfft sah ich zu Eymen auf, der empört die Augenbrauen zu einer Linie gezogen hatte.

„Gut", lachte er nun unzufrieden auf und wandte seinen Blick zu mir runter. Ich könnte schwören, dass er sich jeden Augenblick auf unseren Chef stürzen würde, doch sich schwer am Saum hielt. Dieser Schmerz und Wut aus seinen Augen konnte ich ohne Probleme ablesen, was mich wiederrum erschaudern ließ. „Wollen wir los?", griff ich ein und löste mich von seinen Armen, schränkte jedoch gleich danach unsere Finger ineinander.

Ein schwaches Lächeln bildete sich auf seinen Lippen und nickte als Antwort, bevor er sich wieder zu Herrn Al-Hamid wandte. „Schönen Abend noch, Herr Al-Hamid", grinste er ihn an und zog mich in der nächsten Sekunde mit sich.

„Wollen wir uns was zum Essen bestellen?", löste er die kurze Stille auf und sah mich erwartungsvoll an, während wir händchenhaltend zum Auto liefen. „Wie wäre es mit Pizza?", schlug ich vor und war von seiner ruhigen Art äußerst überrascht. Aber dennoch verließ mich das Gefühl nicht los, jeden Augenblick uns lauthals zu streiten. 

„Funghi?", fuhr er fort und entriegelte das Auto, sodass wir einstiegen. „Gerne", erwiderte ich knapp und schnallte mich an. Schmunzelnd schnallte er sich auch an und zündete den Motor.

So fuhren wir still durch die dunklen Straßen und lauschten der leise gestellten Musik aus den Lautsprechern. Die Zeit nutzte ich geschickt und ließ die ganze Fahrt über das Geschehene im Kopf Revue passieren. Es gab ein Problem zwischen Herrn Al-Hamid und Eymen, das war eindeutig. Doch die Frage weswegen sie sich nicht ausstehen konnten, brannte wortwörtlich in meinem Kopf.

Grübelnd biss ich mir auf die Unterlippe und sah gedankenversunken aus dem Fenster. Vielleicht sollte ich meinen Bruder ausfragen oder sogar den Arbeitskollegen Alexander. Die Idee gefiel mir sehr gut, nur musste ich bis zum nächsten Tag warten. Genervt seufzte ich auf und bemerkte recht schnell, dass wir vor unserer Wohnung geparkt hatten.

Mein Kopf schellte zu meiner linken und erblickte einen amüsierten Eymen, der seinen Kopf an die Kopfstützte angelehnt hatte. Er beobachtete mich wohl seit einer längeren Zeit, sodass ich peinlich berührt meinen Gurt löste. „Was schaust du so blöd?", pöbelte ich ihn an um meine Behaglichkeit zu überspielen. Seine Lippen zogen sich noch weiter hoch, sodass seine Zähne zum Vorschein kamen.

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt