.25 - Auseinandersetzung

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Mit eiligen Schritten lief ich aus dem Ausgang des Unternehmens raus, bis mein Bruder am Eingang beim Rauchen mich erblickte. Wir lächelten uns an und so lief ich gezwungener weise auf ihn zu. „Hat da einer seinen Bruder vermisst?", misslang ihm der Rateversuch und zog mich in eine Umarmung. „Wer würde dich den bitte vermissen?", konterte ich grinsend und spürte schon das Zwicken an meiner Wange. „Hat da einer am frühen Morgen den Clown gefrühstückt, oder was?" Grinsend hakte ich mich bei ihm ein. „Ich habe zwar keinen Clown gegessen, aber dafür habe ich meinen Arbeitsvertrag gerade bekommen!", sprach ich die neusten Infos aus. Er sah mich fragend an. „Über was redest du Zwerg?", wollte er überfordert wissen und sah mich auffordern an. „Beglückwünsch mich Herr Gürmen, ich bin offiziell eine Mitarbeiterin des Bauunternehmens", ließ ich die Bombe platzen und sah ihn siegessicher an. „Na toll. Kaum dachte ich, ich wäre dich los, wirst du mir nun tagtäglich wieder auf die Nerven gehen", spielte er den genervten Ercan vor, während ich ihm die Zunge rausstreckte. „Tja, das Leben ist kein Ponyhof, Bruderherz", konterte ich gelassen und zwickte ihm leicht in seine Wange. „Zwerg", nuschelte er lediglich meinen Kosenamen und schmiss den Stummel seiner Zigarette auf den Boden. „Magst du noch einen Kaffee mit deinem Bruderherz trinken?", lud er mich zum Kaffee ein und legte seinen Arm um meine Schultern.

„Er hat mir auch angeboten, beim Bauprojekt in Madrid mitzuwirken!", teilte ich Ercan schwärmend von Herrn Al-Hamids tollem Angebot mit und massierte meine schon ziehenden Wangen. „Als Werkstudent?", ertönte Ercan verwundert und doch überrascht. Ich nickte eifrig mit dem Kopf. „Wie hast du das den bitte geschafft?", wollte er nun erstaunt wissen und stützte nachdenklich seinen Kopf mit seiner Handinnenfläche. Ich tat es ihm gleich und zuckte unwissend mit den Schultern. War es den so ungewöhnlich, als Praktikant in einem so großen Projekt mitzuwirken? Ich meine, es gibt bestimmt zig verschiedene Aufgaben, die ein Praktikant ebenso erledigen könnte. So schwer musste es doch gar nicht sein. „Dir sollte bewusst sein, was für ein geniales Angebot dir vor den Füßen gelegt wurde!", stellte er erfreut fest und nahm eine angenehme Stellung an seinem Sitz. „Keiner hier im Unternehmen hatte bisher die Möglichkeit, als Werkstudent gar als Praktikant an einem Auslandsprojekt mitzuwirken", sprach er nun nachdenklich weiter und stellte mir mit seinen Handgesten somit klar, dass ich das Unmögliche geschafft hatte. Und das noch unbewusst. „Vielleicht wollte er aber auch mit so einer Geste nur die vermasselten Wochen mit Eymen wieder gerade biegen", versuchte ich eine plausible Antwort zu finden. „Das glaubst nicht mal du", lachte Ercan mich aus und lehnte sich amüsiert zurück. Beleidigt streckte ich ihm die Zunge entgegen und griff nach meiner Tasche. „Naja ich sollte mich langsam auf den Heimweg begeben. Man sieht sich", verabschiedete ich mich von Ercan und warf ihm einen Luftkuss zu. „Wohl oder übel nun öfters", entgegnete Ercan frech grinsend und sah flüchtig zu mir. Sein Kollege saß gegenüber von Ercan's Schreibtisch, der hinter seinem Bildschirm sein Grinsen zu verstecken versuchte. „Das wirst du sowas von Büsen, Bruderherz!", wies ich ihn auf Türkisch beleidigt aus und griff nach meiner Tasche. „Ganz sicher, irgendwann. Ich glaube an dich", scherzte er nun amüsiert und lehnte sich zurück. „Arschloch", nuschelte ich zähneknirschend und lief aus dem Büro raus. Kopfschüttelnd lief ich auf die Aufzüge zu und betätigte ungeduldig den Knopf mehrmals. Warum mussten Brüder immer so nervig sein? Der Aufzug ließ sich alle Zeiten der Welt, sodass ich wieder genervt den Knopf hintereinander drückte. Eigentlich hätte ich die Treppen nehmen können, doch mit diesen unbequemen Absatzschuhen hätte ich sicherlich länger gebraucht. Warum mussten die schönsten Schuhe auch so schmerzhaft sein? Ich konnte mir auch nicht erklären, warum ich mir die unnötigsten Fragen so unpassend stellte. Gequält sah ich auf und zählte insgeheim bis zehn. Warum brauchte dieser blöde Aufzug denn auch so lange?! Als es nach unendlichen dreißig Sekunden ertönte, stieg ich eilig ein. Ich hatte nicht den Nerv dazu, nochmal auf den Aufzug zu warten, sodass ich nun im Aufzug mit sechs Fremden gequetscht da stand. Seufzend zählte ich die Stockwerke auf, der auf dem Display zu sehen war. Nach gefühlten zehn Minuten stieg ich genervt aus dem Aufzug und wollte so schnell wie möglich aus diesem Unternehmen raus. Das mulmige Gefühl breitete sich wieder, sodass ich skeptisch kurz um mich sah. 

Ohne Dich.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt